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Baden im Hafen

Die schwimmende Plattform mitten im Hafen von Kopenhagen bietet ein Sport-, Kinder-, Sprung- und Familienbecken. Die Beplankung der tragenden Unterkonstruktion besteht aus finnischer Kiefer.

erschienen in
Zuschnitt 22 Wasserkontakt, Juni 2006
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Baden im Hafen - Kopenhagen

Baden mitten in der Stadt scheint in Mode zu sein. Berlin hat schon seit einiger Zeit sein Badeschiff, in Wien soll diesen Sommer ein umgebautes Donaulastschiff mit Becken und Sonnendeck zum Badevergnügen verlocken und in Kopenhagen kann man seit einigen Jahren sogar mitten im Hafen baden.

Ein Grund dafür ist die bis dato beispielhafte Umweltpolitik der dänischen Hauptstadt. Obwohl eigentlich nie angenommen wurde, dass tatsächlich jemand im Hafen schwimmen will, investierte man dennoch massiv in die Steigerung der Wasserqualität und erhöhte damit den Erholungswert der bis dahin brach liegenden Flächen. 2001 wurde dann der so genannte blaue Plan für die nicht weit von der Innenstadt entfernten Hafengebiete entwickelt. Neue Kultureinrichtungen, Platz für Hausboote, die Sanierung alter Hafengebäude und sauberes Wasser sollten die Voraussetzungen für ein neues soziales Zentrum schaffen. Das Resultat überzeugt und das Planungsgebiet hat sich tatsächlich von einem ehemals industriellen Verkehrsknotenpunkt in ein soziales und kulturelles Zentrum der Stadt verwandelt.

Das Architekturbüro plot gilt seit einigen Jahren als eines der erfolgreichsten jungen Büros Dänemarks und wusste diese positive Entwicklung zu nutzen. Die Architekten, deren unbefangener Zugang zur Architektur und deren Mut zur unkonventionellen Argumentation dem Büro viel Aufmerksamkeit brachten, beteiligen sich unter anderem an einem zweistufigen internationalen Wettbewerb zur Errichtung des königlichen Theaters, das einen Teil des Entwicklungsplans für Kopenhagen bildete. Dieser Wettbewerb war Inspiration und Beginn für das später realisierte Hafenbad.

plot plante ein schwimmendes Gebäude, welches als »ultimatives königliches Theater« von Stadt zu Stadt auf Tour gehen könnte. (Die Fahrt mit großen Schleppern zur nächsten Stadt würde laut Berechnungen der Architekten nicht mehr als 24 Stunden benötigen.) Unter Verwendung schwimmender, mit Styrofoam gefüllter Betonfundamente konnten alle technischen Schwierigkeiten gelöst und der geforderte Kostenrahmen um rund die Hälfte unterschritten werden.

Obwohl der Vorschlag viel Aufmerksamkeit erntete, schaffte es das Projekt nicht in die zweite Wettbewerbsrunde. Doch die Idee einer schwimmenden Plattform blieb den Stadtvätern im Kopf. Sozusagen als Ehrenpreis erhielt das Architekturbüro im Januar 2003 daher den Auftrag, ein Hafenbad mit ähnlichen technischen Voraussetzungen zu konstruieren, jedoch unter der Bedingung, dass die Eröffnung im Juni desselben Jahres stattfinden könne. Das bedeutete die Bebauung von 2500m² mit einem Budget von 600.000 Euro in nur sechs Monaten!

Die Architekten entwickelten den einfachen Plan, die angrenzenden Grünflächen in Richtung Wasser auszudehnen und alle damit verbundenen praktischen Anforderungen an das Bad, wie z.B. die notwendigen Sicherheitsvorkehrungen und die allgemeine Zugänglichkeit zu erfüllen.

Das Hafenbad sollte als »Stadtstrand« fungieren und nicht so sehr den Vorgaben eines klassischen Schwimmbades folgen. Man konzentrierte sich also mehr auf die Errichtung eines neuen sozialen Treffpunkts. Damit ergaben sich ganz neue Anforderungen für die Liegebereiche und Uferzonen des Bades, welche im Wesentlichen das »Raumprogramm« für das Hafenbad bildeten. Bei einem herkömmlichen Schwimmbad würde man als Architekt für gewöhnlich die einzelnen Wasserbecken konzipieren. Das Hafenbad bot aber die Möglichkeit, den gesamten Entwurfsprozess umzudrehen und nur Oberflächen zu entwerfen, welche den Wasserzugang auf intelligente Art und Weise neu interpretieren.

Mit Hilfe der nunmehr klaren inhaltlichen Vorstellungen und einer in Dänemark nicht immer geforderten sozialen Verantwortlichkeit, entstand ein überdimensionales Sonnendeck aus Holz an der Grenze zwischen Wasser und Land.

Wie im Wettbewerb für das königliche Theater wurden die Fundamente aus schwimmenden Betonbojen gebaut. Ähnlich wie bei einem Schiffsgerüst wurde die tragende Unterkonstruktion durch ein System dicker Holzbalken verbunden und mit einfachen Brettern beplankt.

Aus Zeit- und Kostengründen entschied man sich für die Verwendung von finnischer Kiefer, welche durch herkömmliche chemische Oberflächenbehandlung geschützt wurde. Die ebenfalls aus imprägniertem Holz konstruierten Schiffsfragmente bilden Springturm, Aussichtsplattform bzw. den Platz für den alles überblickenden Bademeister.

Dieser zentrale Punkt wurde auf der schwimmenden Plattform so positioniert, dass Sport-, Kinder-, Sprung- und Familienbecken überschaubar sind. Diese Vorgabe seitens der Behörde gilt als Sicherheitsgarantie für alle Besucher und so konnte die zugelassene Kapazität auf rund 600 Personen erhöht werden. Der gegenüberliegende, bereits vorher existierende Park wurde durch klare Verbindungs- und Sichtachsen an das Bad angebunden.

Seit nunmehr drei Jahren wird die Anlage im Sommer regelrecht gestürmt. Offensichtlich ist es neben den herkömmlichen Ferien am Strand oder an felsigen Klippen auch ein besonderes Erlebnis, inmitten einer bizarren Hafenlandschaft aus Kränen, Werften und Piers zu baden.

Die Benutzung des Bades ist übrigens gratis – auch eine Erklärung für die Menschenmassen, die sich an schönen Sommertagen an Deck befinden. Kein Wunder, gilt doch ein Platz an Deck auch in unseren Breiten als absoluter Logenplatz im Bad.

Baden im Hafen - Kopenhagen

Baden im Hafen - Kopenhagen

Baden im Hafen - Kopenhagen

Planung

plot = big + jds
Julien De Smedt und Bjarke Ingels gründeten 2006 ihre eigenen Büros

big – Bjarke Ingels Group
Nørrebrogade 66D
DK-2200 Kopenhagen
big(at)big.dk, www.big.dk

jds – Julien De Smedt Architects
Vesterbrogade 69D
Baghuset, 1. sal
DK-1620 Kopenhagen
www.jdsarchitects.com

Ausführung

cc Design aps
Revnintevej 68
DK-5300 Kerteminde
T +45 (0)65/323396
cc(at)cc-design.info
www.cc-design.info

Text
Arch. Karin Triendl
geb. 1973 in Innsbruck
Studium der Architektur in Innsbruck, Arlington und Delft
seit 2001 wohnhaft in Wien
arbeitet als Architektin und schreibt als freie Autorin über aktuelle Stadt(räume) und Architekturen

Foto
© Julien De Smedt, Bjarke Ingels Group

Erschienen in

Zuschnitt 22
Wasserkontakt

Holz trifft auf Wasser und reagiert ambivalent: Beim Bauen gilt im Allgemeinen der Grundsatz, dass jede Feuchtigkeit von Holz fernzuhalten sei. In vielen anderen Bereichen gehen diese beiden elementaren Grundstoffe enge Verbindungen ein und ergänzen sich auf wunderbare Weise. Tatsache ist: Menschen mögen die Kombination – besonders als Liegestuhl am Meeresstrand.

8,00 €

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Zuschnitt 22 - Wasserkontakt