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Feuer erlischt. Damit schützt sich das Holz
selbst vor der völligen Zerstörung, denn sein
Kern bleibt unbeschädigt und tragfähig.
Vorurteile und Irrtümer im Zusammenhang
mit Holzhäusern:
Es herrscht erhöhtes Brandrisiko,
Sie brennen rasch und vollständig nieder,
Sie sind nach einem Brand schwer sanierbar.
Das stimmt nicht, vielmehr gilt:
Der moderne Holzbau erfüllt beim Brandschutz
ebenso wie alle anderen Baustoffe die gesetz-
lichen Sicherheitsvorschriften.
Holz brennt gleichmäßig und langsam ab.
Holzdecken schmelzen und tropfen nicht bzw.
brechen nicht plötzlich ein. Massive Holzdecken
und -träger überstehen die meisten Brände. Im
Brandfall können Einsatzkräfte die Tragfähig-
keit von Holz gut abschätzen, was einen Lösch-
angriff im Inneren des Gebäudes ermöglicht.
Im Sanierungsfall spricht für Holz gute Beurtei-
lungsmöglichkeit von Schäden, leichte Aus-
wechselbarkeit von Bauteilen, keine Kontamina-
tion, keine Korrosion und gute Entsorgbarkeit.
Irrtümer mit möglicherweise fatalen Folgen
sind hingegen:
Brandopfer verbrennen. Falsch, denn die meis-
ten Opfer erliegen einer Rauchgasvergiftung,
lange bevor alles lichterloh brennt.
Wenn es brennt, ist genug Zeit, um die Wohnung
zu verlassen. Nein, denn durchschnittlich blei-
ben vier Minuten zur Flucht, eine Rauchgasver-
giftung kann bereits nach zwei Minuten tödlich
sein.
Meine Nachbarn oder Haustiere werden mich
rechtzeitig alarmieren. Das muss nicht sein,
vor allem nachts, wenn die Nachbarn schlafen
oder das Haustier im Nebenraum ist.
Häuser aus anderen Materialien wie Ziegel,
Stein oder Beton brennen nicht. Das müssen
sie auch nicht. Schon der Brand eines Vorhangs,
eines Teppichs oder der Sitzgarnitur sind aus-
reichend, um eine tödliche Rauchgasvergiftung
zu erzeugen.
Holz brennt und schützt sich selbst
Beim Brennen von Holz kommt ein chemischer
Prozess in Gang, der bewirkt, dass sich das
Holz selbst schützt. Die Pflanze speichert beim
Wachstum und der Photosynthese Sonnen-
energie. Diese wird mit Hilfe von Wasser und
Kohlendioxid aus der Luft in Sauerstoff und
Glukose umgewandelt. Daraus bildet die
Pflanze den Gerüststoff Zellulose, dessen Zell-
wände aus langkettigen, ursprünglich nicht
brennbaren Molekülen bestehen, die aus bis
zu zehntausend Einzelmolekülen gebildet wer-
den. Wird dem Holz Energie zugeführt, steigt
also seine Temperatur, beginnen sich alle darin
enthaltenen Teilchen immer stärker zu bewe-
gen. Sobald mit
100
° C der Siedepunkt des
Wassers erreicht ist, verdampfen die eingela-
gerten Wassermoleküle. Bei
200
bis
300
° C
brechen die langkettigen Verbindungen auf.
Die neu entstehenden kurzkettigen Verbin-
dungen sind gasförmig und brennbar. Weil das
Gas ein größeres Volumen hat als die festen
Teilchen, entsteht im Holz ein Überdruck,
weshalb die kurzkettigen Verbindungen durch
die Poren an die Holzoberfläche gelangen.
Dort reagiert das Gas mit dem in der Luft ent-
haltenen Sauerstoff und verbrennt unter Bil-
dung von Kohlendioxid und Wasser. Dieser
Prozess verläuft von außen nach innen. Sobald
jedoch aus der obersten Holzschicht alle Gase
entwichen und verbrannt sind, setzt der Ver-
kohlungseffekt ein: Indem das Holz an seiner
Außenseite verkohlt, wird eine weitere Sauer-
stoffzufuhr ins Holzinnere verhindert und das
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Bei einem modernen Bau aus Stahlbeton wäre der Stahl nach zwei, drei Stunden
geschmolzen und der Beton zerbröselt. Die einstigen Baumeister aber hatten eine soge-
nannte Mann-an-Mann-Decke eingezogen, eine überaus solide Holzbalkenkonstruktion.
„Diese Decke“, so Hellmut Seemann, der Präsident der Stiftung Weimarer Klassik, „hat
uns gerettet.“
NZZ,
10.09.2004
zum Brand in der Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar.