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Die Strassentaugliche

erschienen in
Zuschnitt 2 Brücken bauen, Juli - August 2001
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Daten zum Objekt

Standort

Straße Tomils - Scheid, Graubünden (CH)

Entwurf und Statik

Walter Bieler

Architekt

Reto Zindel

Holzmontagebau

Flütsch AG, Salzgeber & Co

Fertigstellung

1998

Typologie

Verkehr

Brücke Val Tgliplat

Walter Bielers Brücken sind immer in Holz ausgeführt. Die Qualität seiner Entwürfe ist mannigfaltig. Sie liegt im Eingehen auf die Topografie als konzeptuellen Ansatz, in der achtsamen Einfügung der Brücken in die Landschaft, in ihrer präzisen formalen Gestaltung und einer modernen, außergewöhnlich körperhaften Erscheinung.

Charakteristik
Die Brücke Val Tgliplat wird geprägt von der höchst unterschiedlichen topografischen und geologischen Situation der beiden Seiten des Baches und vom Verlauf des Geländes, das sich talwärts trichterförmig weitet. Daraus leiten Bieler und der beratende Architekt Reto Zindel einerseits eine asymmetrische Zwischenabstützung auf der Seite des flachen Geländeverlaufs ab und einen trapezförmigen Grundriss, der durch unterschiedliche Spannweiten berg- und talseitig übermäßig große Eingriffe im Terrain vermeidet. Asymmetrie in der Abstützung, im Grundriss und in der Ausbildung unterschiedlicher Geländer verleiht der Brücke Spannung und gibt ihr die äußere Form, ihre Silhouette mit der sich verjüngenden V-Stütze, die durch die flächige Verschalung zum markanten Signet wird. Asymmetrie ist hier nicht abstraktes, willkürlich festgelegtes Thema, sondern gebaute Konsequenz, abgeleitet aus der Topografie.

Tragwerk
Bielers Brücken basieren mehrheitlich auf dem Prinzip einer Fahrbahnplatte, welche die Last verteilt und auf eine darunterliegende, geschützte Tragstruktur abgibt. Das Haupttragsystem der Brücke Val Tgliplat besteht aus einer engen Schar von Längsträgern in bsh-Fichte mit unterschiedlicher Spannweite und Dimensionierung und der asymmetrischen Abstützung. Es wirkt eigentlich als einseitiges Sprengwerk, das sich gegen den Fels lehnt und dessen anderer - imaginärer - Teil vom Fels aufgenommen wird. Auf den Trägern liegt eine 13,5cm starke Kerto-Furnierschichtholzplatte, die die Radlasten verteilt und für die Horizontalaussteifung sorgt.

Holzschutz
Moderne, technisch neue Konstruktionen erfordern für den Graubündner Ingenieur auch die entsprechende Form. Um auf das für historische Holzbrücken typische Dach verzichten zu können und dennoch Dauerhaftigkeit zu erreichen, sind bei Bieler tragende Teile nie ungeschützt der Witterung ausgesetzt. Zwischen Belag und Fahrbahnplatte ordnet er eine wasserdichte Schicht an, außenliegende Teile der Tragstruktur erhalten eine Verschalung. Die Fahrbahn übernimmt die Funktion des Daches. Die seitlichen Geländer werden ebenso wie der Wetterschutz als Verschleißteile gesehen, die bei Bedarf ausgetauscht werden.

Bei der Val Tgliplat-Brücke wird die Kertoplatte durch eine Folie abgedichtet und ist mit einem 17cm starken Belag versehen. Eine Verkleidung aus Lärchenholz zieht sich von der Geländerbrüstung bis zur unteren Kante der Längsträger über die äußeren Teile der Zwischenabstützung und bildet so einen Schutzschild gegen Wasser.

Montage
Die schwierige Zugänglichkeit des Brückenortes machte einen Transport durch den Helicopter notwendig. Seine begrenzte Tragkapazität von 4,5 Tonnen war entscheidend für das statische Konzept. Sie führte zum Verzicht auf schwere Primärträger mit einem Sekundärtragsystem und zur Anordnung der engen Binderschar, die vor Ort mit der Fahrbahnplatte verbunden wurde.

Tragstruktur und Form der Brücke Val Tgliplat sind für den querenden Reisenden kaum sichtbar. Es spricht für den leidenschaftlichen Verfechter eines modernen Holzbrückenbaus, dass sie dennoch mit beeindruckender formaler Verve und Kraft durchgebildet wurde.

Brücke Val Tgliplat, Graubünden/CH

Skizzen zum Projekt

Walter Bieler
Ingenieur SIA 1975. Gründung eines Ingenieurbüros für Holzkonstruktionen. 
1978 erster Durchbruch mit der Eissporthalle Davos. Die Faszination und Arbeit am Baustoff Holz führten Walter Bieler über die Gebrauchstauglichkeit hinaus zu Form und Architektur.
Nach zehnjähriger Pioniertätigkeit 1988 Realisierung der ersten Holzbrücke in Schraubach (Schiers). 
1994 Europäischer Holzleimbau- Preis, Glualm Award für die Langlaufbrücke Pradella bei Scuol, 
1999 prix lignum für die Brücke Val Tgliplat. Wiederholte Zusammenarbeit mit dem Schweizer Architekten Reto Zindel.

Via Plazzas 14
CH-7402 Bonaduz
T +41 (0)81/6411757
F +41 (0)81/6411784
walterbielerag(at)bluewin.ch


Weitere Brücken von Bieler, alle in der Schweiz:
1988 Schraubach (Schiers)
1990 Langlaufbrücke Pradella in Scuol
1990 Autobahn-Passerelle bei Sevelen
1991 Sagastäg Brücke in Schiers
1993 Drostobelbrücke in Klosters
1996 Laader-Brücke in Nesslau
1999 Murgbrücke Rosental in Wängi
2001 Fußgängersteg Rapperswil


verfasst von

Karin Tschavgova

studierte Architektur in Graz, seit langem freie Fachjournalistin und Architekturvermittlerin, Lehrtätigkeiten an der TU Graz

Erschienen in

Zuschnitt 2
Brücken bauen

Brücken verbinden wie kaum ein anderer Bautyp technische Innovation und Ästhetik. Ingenieur und Architekt sind gleichermaßen gefragt. Sie antworten auf landschaftliche Gegebenheiten, auch wenn sie von ihnen unabhängig machen sollen. Brücken aus Holz - in der Spannweite von Fußgängerbrücken bis Straßenbrücken - etablieren sich zusehends wieder als raumgreifende Architekturen. Sie verbinden die beiden unterschiedlichen Disziplinen der Baukunst mit modernen Werkstoffen und neuen Methoden des konstruktiven Holzschutzes. Und machen den Weg frei für eine zeitgemäße Formensprache.

8,00 €

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Zuschnitt 2 - Brücken bauen