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Impulszentrum Reininghausgründe
Getrennte Wege

Die Büro- bzw. Laboreinheiten wurden in Holz-Modulbauweise errichtet, die neben einem hohen Vorfertigungsgrad zahlreiche bauphysikalische Vorteile, v.a. bzgl. Schallschutz, mit sich brachte.

erschienen in
Zuschnitt 18 Schallschwellen, Juli 2005
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Getrennte Wege - Impulszentrum Reininghausgründe

Die Reininghausgründe sind ein ausgedehntes Areal im Herzen des »Stadtentwicklungsgebietes Graz-West«. Das Gelände der ehemaligen Brauerei ist Teil eines westlich des Hauptbahnhofs gelegenen breiten Industriegürtels, der im Lauf der Zeit immer lückenhafter wurde, heute die letzten, relativ zentral gelegenen, großen, unbebauten Flächen der Stadt enthält und im Zentrum der aktuellen stadtplanerischen Aufmerksamkeit liegt. Der Errichtung der Fachhochschule Joanneum im Jahr 1995 folgten in der näheren Umgebung weitere Ansiedlungen mit stark wirtschaftlich, wissenschaftlich und technologisch ausgerichteten Nutzungen, viel Geld fließt in moderne Bebauungs- und Infrastrukturpläne.

Im Bereich der Brauerei Reininghaus, deren Betrieb vollständig ausgelagert wurde, stehen sowohl ehemalige, zum Teil denkmalgeschützte Betriebsgebäude, die im Rahmen des Stadtentwicklungskonzepts saniert und adaptiert werden, als auch ausgedehnte Freiflächen zur Verfügung. Hier wurde in zwei Bauabschnitten das Impulszentrum, geplant von Architekt Hubert Rieß, in einer Bauzeit von eineinhalb Jahren errichtet. Ursprünglich als Projekt im Rahmen des Programms »Haus der Zukunft« des Bundesministeriums für Verkehr, Innovation und Technologie geplant, wurde das Bauvorhaben schließlich in Zusammenarbeit mit der sfg, der Steirischen Wirtschaftsförderung, realisiert. Den Vorgaben dieser Ausgangslage entsprechend erfüllt das Gebäude, das als Beginn einer »Gründerstadt« konzipiert ist, hohe Anforderungen an konstruktive, gebäudetechnische sowie inhaltliche Innovation und Nachhaltigkeit.

Grundidee ist die Schaffung von autonomen Basiseinheiten für Büro- bzw. Labor- oder Werkstättennutzung, die von Start-up-Firmen angemietet werden. Ein Büromodul ist ca. 80m² groß, über einen Fertigteilschacht infrastrukturell versorgt und damit technisch unabhängig. Die Größe der stützenfreien Labor- bzw. Werkstätteneinheiten im massiven Teil des Gebäudes beträgt zwischen 50m² und 200m². Je nach Bedarf ist die Belegung mehrerer Einheiten durch eine Firma möglich, die Unternehmen können sich Geräte und/oder Personal teilen.

Die Stärke dieses Systems liegt in erster Linie in der flexiblen Kombinierbarkeit einer fast beliebig großen Anzahl von Büros sowie in der Möglichkeit, mehrere Module zu Gruppenbüros zu koppeln. Das erlaubt große räumliche Vielfalt und unterstützt ein abwechslungsreiches, anregendes Arbeitsklima. Das Energiekonzept erfüllt die Standards eines Niedrigenergiehauses, besonderes Augenmerk liegt sowohl auf der Vermeidung eines großen Kühlenergiebedarfs durch ein modular aufgebautes, kombiniertes System von Fußbodenheizung und Deckenkühlung als auch auf einer Senkung des Energieverbrauchs durch entsprechendes Benutzerverhalten. Jede Büroeinheit kann heiz- und kühltechnisch separat angesteuert werden, die nötigen Haustechnikelemente sind im vertikalen Installationsschacht integriert.

Das Impulszentrum besteht aus zwei parallelen dreigeschossigen, unterkellerten Baukörpern, die an ihren Enden durch zweigeschossige Brückengebäude miteinander verbunden sind. Die außenliegenden Teile der beiden Zeilen sind aus Stahlbeton, an die zueinander gewendet die übereinander gestapelten Holzmodule paarweise andocken. Auch die Brücken enthalten jeweils zwei Büroeinheiten und eine Seminareinheit pro Geschoss, damit verfügt die gesamte Anlage über 40 Holzboxen mit jeweils einer Fensterreihe an ihrer Längsseite und sechs Höfe, die alle nach innen gerichtet sind.

Entscheidend für den Einsatz der Holz-Modulbauweise waren neben dem extrem hohen Vorfertigungsgrad die bauphysikalischen Vorteile, welche den erhöhten Materialaufwand durch doppelte Wand- und Decken- bzw. Fußbodenaufbauten durchaus wettmachen.
Die Holzmodule wurden vom Architekten, der Holzbaufirma und dem Statiker in mehrjähriger gemeinsamer Arbeit entwickelt, auf Brand-, Wärme- und Schallschutz (Luft- und Trittschallschutz) geprüft und optimiert. Sie bestehen aus mit gkf-Platten beplankten Kreuzlagenholz-Massivwänden, einer Dämmschicht, Winddichtungsfolie, Hinterlüftungsebene und einer unbehandelten Lärchenholzschalung, werden vollständig im Werk vorgefertigt und dann mit dem lkw verliefert. Die Boxen sind mit allen Anschlüssen, einer abgehängten Kühldecke, Fenstern, Fensterbänken und malerfertigen Gipskartonwänden ausgestattet. Aufgrund ihrer Größe wurden jeweils halbe Einheiten transportiert und erst auf der Baustelle aneinander gefügt.

Ein wichtiges Ziel – nicht zuletzt hinsichtlich einer Kostenoptimierung – war die Erfüllung der schalltechnischen Erfordernisse ohne wesentlichen konstruktiven Zusatzaufwand. Um jede Möglichkeit von Schallbrücken auszuschließen, sind die Einheiten horizontal und vertikal baulich so stark wie möglich voneinander entkoppelt. Die Module stehen punktuell auf Distanzhölzern mit genauestens einnivellierten Elastomerlagern. Zwischen unterer Decke und den Auflagern sorgen eine Trittschalldämmung und eine Weichfaserplatte für zusätzliche Masse und Elastizität. Eine großzügige Luftschicht, deren Stärke auch mit dem ebenen Anschluss an die Massivbauteile zusammenhängt, stellt eine weitere Barriere für etwaige Schallübertragungen nach unten dar. Zum Schallschutz zwischen den Wänden zweier Module wurde ein Mindestabstand von einem Zentimeter eingehalten. Diese knappe Luftschicht reicht aus, um den Anforderungen zu genügen und eine Schallpegeldifferenz von DnT,w = 62dB zu erreichen. Zuletzt wurden die Winddichtungen über die vertikalen Fugen hinweg verklebt, ein Deckbrett verbirgt Ungenauigkeiten und strukturiert die lärchenholzverschalte Fassade formal, ebenso wie die horizontalen Schürzen, die jeweils auf Höhe der Geschossdecken als Witterungsschutz angebracht wurden.

Bereits bei 1:1-Modellversuchen im Werk konnte mit der Summe dieser Maßnahmen eine Schallpegeldifferenz erreicht werden, die auch den Anforderungen im Wohnbau entspricht. Erste entsprechende Projekte wurden bereits umgesetzt bzw. sind zur Zeit in Planung: Beim dreigeschossigen »Mehrfamilienhaus Sigmund« in Wien wurden auf ein massives Sockelgeschoss Holzmodule für insgesamt sechs Wohnungen gesetzt, die Wohnanlage »Mühlweg«, ebenfalls in Wien, funktioniert ähnlich wie das Impulszentrum: An einen zentralen Stahlbetonkern, der Erschließung, Nasszellen und Küchen enthält, docken beidseitig Holzmodule an, die zu unterschiedlich vielen bzw. großen Wohnräumen zusammengeschlossen werden und ihrerseits noch Holzbalkone tragen. Details sind aufgrund anderer Voraussetzungen, insbesondere was technische Infrastruktur sowie Raumgrößen und -höhen betrifft, anders gelöst, aber auch hier werden Schallbrücken durch sorgfältige Entkopplung der einzelnen Bauteile vermieden und die geforderten Schalldämmwerte erreicht.


verfasst von

Eva Guttmann

ist Autorin, Lektorin und Herausgeberin im Fachbereich Architektur

Erschienen in

Zuschnitt 18
Schallschwellen

Holz lebt und bewegt sich. Dabei knarrt es, ächzt es, knackt es. Es schwingt, gibt nach und passt sich an. Holz ist leicht und Holz ist hörbar, Holz ist kommunikativ. Aber nicht alles ist für fremde Ohren bestimmt, es gibt „Hör-Schwellen“, die nicht überschritten werden sollten, und Maßnahmen, die Schallwellen zum Abklingen bringen.

8,00 €

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Zuschnitt 18 - Schallschwellen