Zum Hauptinhalt springen

Der Schlüssel Wald
Sektionschef Gerhard Mannsberger im Interview

Gerhard Mannsberger vom Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft spricht u.a. über nachhaltige Forstwirtschaft, heimisches Holz im Bauwesen, nachwachsende Brenn- und Baustoffe.

erschienen in
Zuschnitt 24 vorläufig nachhaltig, Dezember 2006
Sie besuchen eine Archiv-Seite. Möglicherweise sind nicht alle Darstellungen korrekt.

Zuschnitt: Der Begriff der Nachhaltigkeit ist im Absatz 1 des Forstgesetzes festgeschrieben. Wie definieren Sie den Zusammenhang zwischen nachhaltig bewirtschaftetem Wald, dem Baustoff Holz und der gesellschaftspolitischen Dimension von Nachhaltigkeit?

Gerhard Mannsberger: Die Antwort kann direkt aus dem Forstgesetz abgeleitet werden. Diese Definition von Nachhaltigkeit stammt aus dem Ministerprozess zum Schutz der Wälder Europas und berücksichtigt genau diese Zusammenhänge. Natürlich wird sie primär auf den Wald angewendet, wurde aber bewusst so formuliert, dass sie auch im breiteren Kontext umsetzbar ist.

Welche Bedeutung haben einzelne Waldbesitzer in dieser Kette? Was wird von ihnen gefordert?

Jeder einzelne Waldbesitzer ist von Bedeutung und allein durch seine konkrete Arbeit daran beteiligt, Nachhaltigkeit im Sinne der Definition umzusetzen. Mit der Novelle des Forstgesetzes 2002 ist seine Eigenverantwortung gestiegen, was bisher sehr gut funktioniert und sich in der fast flächendeckenden freiwilligen Verpflichtung widerspiegelt, den Wald nach den Richtlinien der PEFC-Zertifizierung zu bewirtschaften.

Welche Auswirkungen hat nachhaltige Forstwirtschaft auf den Klimaschutz?

Nachhaltigkeit wird in der Forstwirtschaft sehr umfassend betrachtet und ist einer der Schlüssel, um Klimaschutz in den Griff zu bekommen. Das langfristige Ziel aller diesbezüglichen Bemühungen ist die Substitution nicht-nachwachsender durch nachwachsende Rohstoffe in allen Bereichen.

Welche Auswirkung hat die nachhaltige Forstwirtschaft auf die Funktionen des Waldes (Nutz-, Schutz-, Wohlfahrts- und Erholungsfunktion)?

Sie ist der einzige Garant für die Multifunktionalität des Waldes mit allen Vor- und Nachteilen. Im Rahmen des Schutzwaldprogramms sind etwa Instrumente zur Sicherung dieser Funktion vorgesehen, welche auch die Waldbesitzer entlasten. International gibt es die Tendenz, intensiv Forstindustrie und daneben kleine Nationalparks zu betreiben. Österreich ist gegen diese Entwicklung und bemüht sich um höchste Qualität des Waldes in jeder Hinsicht und an allen Standorten.

Bedeutet der vermehrte Einsatz von heimischem Holz im Bauwesen eine signifikante Senkung der CO2-Belastung und einen Beitrag zur Umsetzung der Ziele des Kyoto-Protokolls?

Das Bauwesen ist in diesem Zusammenhang sicher wichtig, aber generell ist die Gesamtenergiebilanz der nachwachsenden Rohstoffe viel wichtiger und da bilanziert Holz im Vergleich zu nicht-nachwachsenden Rohstoffen um vieles besser.

Wie kann der Holzeinsatz im Bauwesen erhöht bzw. gefördert werden?

Den Holzanteil im Bereich des Bauwesens um 10% zu erhöhen, wäre bereits großartig. Dazu muss aber noch viel Informationsarbeit bei Bauherren, Architekten und Planern geleistet werden. Ein weiterer wichtiger Ansatz ist das Beschaffungswesen bei öffentlichen Bauten, sodass ein bestimmter Anteil ganz selbstverständlich in Holz ausgeführt wird. Es gibt in dieser Hinsicht Bemühungen. Andere Möglichkeiten sind gezielte Förderungen im Wohnbau bzw. auch eine stärkere inhaltliche Infiltrierung der Beratungsseminare auf Länderebene.

Trägt die Zertifizierung von heimischem Holz zur Nachhaltigkeit bei?

In Österreich hat die Zertifizierung diesbezüglich eigentlich keinen Einfluss, weil die Qualität der Waldbewirtschaftung ohnehin sehr hoch ist. Hier dient sie eher als Marketinginstrument. International gesehen gibt es jedoch sehr wohl Auswirkungen.

Wie groß ist das politische Interesse – sowohl auf nationaler als auch auf EU-Ebene –, fossile durch nachwachsende Brenn- und Baustoffe zu ersetzen?

Das politische Interesse ist sehr groß, muss auch sehr groß sein. Das spiegelt sich auch in einigen Prozessen wider, wie etwa dem EU-Biomasseaktionsplan, der auf nationaler Ebene gerade in Begutachtung ist.

Im Rahmen des Österreichischen Walddialogs wurde ein Maßnahmenbündel für den vermehrten Einsatz von Holz im Bauwesen erarbeitet: Halten Sie diese Maßnahmen für zielführend bzw. ausreichend und wie erfolgt ihre konkrete Umsetzung?

Ich hoffe, dass sie zielführend sind. Das Thema hat hohe Priorität im Rahmen des Walddialogs, besonders auch im Zusammenhang mit der Holzmobilisierung. Die beschlossenen Maßnahmen sind gut und richtig, das bedeutet aber nicht, dass bereits alle Möglichkeiten ausgeschöpft sind. Das ist ein dynamischer Prozess, im Zuge dessen sicher noch weitere Pakete erarbeitet werden.

Der Rohstoff Holz wird knapp und teuer, der jährliche Zuwachs bleibt jedoch zu großen Teilen ungenutzt. Welche Strategien gibt es, um hier einzugreifen?

Aufgrund der aktuellen Situation gibt es vom Ministerium aus ein Bündel an Strategien. So werden im Rahmen der Verordnung zur Entwicklung des ländlichen Raums, Teilbereich Forst, Schwerpunkt Holzmobilisierung die Mittel für den Zeitraum 2007–13 verdoppelt. Weitere Bemühungen betreffen die Aus- und Weiterbildung in den Ausbildungsstätten und Forstschulen. Dabei sollen vor allem jene, die einmal Landwirtschaften mit Waldanteil übernehmen, vermehrt forstwirtschaftlich geschult werden, z.B. beim Aufbaulehrgang in der Försterschule Bruck an der Mur ab Herbst 2007. Das Hauptpotenzial liegt jedenfalls im Kleinwald. Es gibt aber auch im Bereich des Großwalds durchaus noch Kapazitäten in der Nutzung von Energieholz. Diese liegen bei den Bundesforsten bei ca. 300.000fm für zusätzliche energetische Verwendung. Insgesamt beträgt das Potenzial im Großwald 1 Mio fm, ohne dass es dadurch zu einer Rohstoff-Konkurrenzsituation mit der Papier- und Plattenindustrie kommt. Im Kleinwald halte ich eine Mehrnutzung von ca. 3 bis 4 Mio fm in allen Sortimenten für machbar. Hier liegt der Mobilisierungsschlüssel vor allem in professionellen Waldwirtschaftsgemeinschaften.

Holz ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in Österreich, sowohl was die Exportquote als auch was Betriebe, Arbeitsplätze und regionale Wertschöpfung betrifft. Wie kann der Holzproduktionsstandort Österreich im internationalen Wettbewerb gesichert werden?

Insgesamt müssen alle Rahmenbedingungen entsprechend sein, damit Österreich wirtschaftlich interessant bleibt. Beim Holz gibt es zwei Kernthemen: die Versorgungssicherheit und kurze Transportwege.

Holz wird als nachhaltiger, heimischer und CO2-neutraler Baustoff beworben. Wie glaubwürdig ist diese Argumentation hinsichtlich steigender Importe, langer Transportwege und des Einsatzes von Holzschutzmitteln, Leimen, Lacken etc. in der Verarbeitung?

Der Rohholzimport geht zurück, beim Schnittholz gibt es ein gewisses Auf und Ab. Die Problematik langer Wege regelt sich über wirtschaftliche Parameter von selbst, beim Thema der Leime und Lacke gibt es große Anstrengungen, die Behandlungsmittel und -verfahren immer verträglicher zu machen. Insgesamt ist hier der Vergleich mit anderen Baustoffen sehr wichtig und eine öffentliche Diskussion darüber, wie nachhaltig Konkurrenzmaterialien sind, würde aufzeigen, dass Holz trotz möglicher Einschränkungen mit Abstand am besten abschneidet.

Wald

Wald

Wald

Der Österreichische Walddialog

Seit Anfang 2003 gibt es den „Österreichischen Walddialog“, der vom Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft ins Leben gerufen wurde. Um die vielfältigen Interessen an der Nutzung des Waldes in Zukunft miteinander zu vereinbaren, wurden Walddialogs war es, bis Ende 2005 ein umfassendes Waldprogramm zu entwickeln, das konkrete politische Handlungsvorschläge für alle wichtigen Waldthemen enthält. Dieses Waldprogramm liegt nun vor und kann auch als Beitrag zur Umsetzung der österreichischen Nachhaltigkeitsstrategie im Rahmen eines internationalen forstpolitischen Dialogs betrachtet werden. www.walddialog.at/filemanager/list/16026/

Forstgesetz 1975 in der gültigen Fassung

I. Abschnitt / Wald, Allgemeines / Nachhaltigkeit §1. (1) Der Wald mit seinen Wirkungen auf den Lebensraum für Menschen, Tiere und Pflanzen ist eine wesentliche Grundlage für die ökologische, ökonomische und soziale Entwicklung Österreichs. Seine nachhaltige Bewirtschaftung, Pflege und sein Schutz sind Grundlage zur Sicherung seiner multifunktionellen Wirkungen hinsichtlich Nutzung, Schutz, Wohlfahrt und Erholung. (2) Ziel dieses Bundesgesetzes ist 1. die Erhaltung des Waldes und des Waldbodens, 2. die Sicherstellung einer Waldbehandlung, dass die Produktionskraft des Bodens erhalten und seine Wirkungen im Sinne des § 6 Abs. 2 nachhaltig gesichert bleiben und 3. die Sicherstellung einer nachhaltigen Waldbewirtschaftung. (3) Nachhaltige Waldbewirtschaftung im Sinne dieses Bundesgesetzes bedeutet die Pflege und Nutzung der Wälder auf eine Art und in einem Umfang, dass deren biologische Vielfalt, Produktivität, Regenerationsvermögen, Vitalität sowie Potenzial dauerhaft erhalten wird, um derzeit und in Zukunft ökologische, ökonomische und gesellschaftliche Funktionen auf lokaler, nationaler und globaler Ebene, ohne andere Ökosysteme zu schädigen, zu erfüllen. Insbesondere ist bei Nutzung des Waldes unter Berücksichtigung des langfristigen forstlichen Erzeugungszeitraumes und allenfalls vorhandener Planungen vorzusorgen, dass Nutzungen entsprechend der forstlichen Zielsetzung den nachfolgenden Generationen vorbehalten bleiben.

Zertifizierung

Zertifizierungsprozesse gewährleisten, dass das eingesetzte Holz für Holz- und Papierprodukte aus ökologisch, ökonomisch und sozial verantwortlicher Waldbewirtschaftung kommen. Sie sind aus nationalen bzw. regionalen Organisationen für Herkunftsnachweise hervorgegangen und definieren Rahmenbedingungen, die national, regional oder von einzelnen Bewirtschaftern erfüllt werden müssen. Österreichs Waldfläche von 3,96 Millionen Hektar ist in zertifizierte PEFC Regionen aufgeteilt, die allen Waldbesitzern die Teilnahme ermöglichen. 5039 ha Wald sind in Österreich FSC-zertifiziert.

Zertifizierungssysteme
• PEFC (Programme for the Endorsement of Forest Certification Schemes), 1999 als Pan European Forest Certification gegründet, ist heute global tätig

• FSC (Forest Stewardship Council), 1993 gegründet, global tätig

• CSA (Canadian Standards Association), 1973 vom kanadischen Normenrat akkreditiert; Zertifizierungsschema in Kanada

SFI (Sustainable Forestry Initiative), 1995 gegründet, Zertifizierungsschema für die USA und Kanada

CSA und SFI stehen in gegenseitiger Anerkennung mit PEFC International.

Die angeführten Schemata gelten als die am weitesten entwickelten. Daneben gibt es entsprechende Organisationen unter anderem in Australien, Chile, Brasilien und Malaysia.

 

Kontakt

Sektionschef DI Gerhard Mannsberger
BM für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft, Sektion IV, Forstwesen
Stubenring 1, A-1012 Wien,
T +43 (0)1/71100-7301
gerhard.mannsberger(at)lebensministerium.at
www.forstnet.at

Fotos
© Hertha Hurnaus

Erschienen in

Zuschnitt 24
vorläufig nachhaltig

Unter nachhaltiger Entwicklung verstehen wir eine Entwicklung, die den Bedürfnissen der heutigen Generationen entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und ihren Lebensstil zu wählen. 

Aus dem Abschlussbericht der „Brundtland-Kommission“, 1987

8,00 €

Zum Produkt   Download

Zuschnitt 24 - vorläufig nachhaltig