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Marinus Boezem

Der Grundriss aus 178 Pappeln des Land Art-Projekts „De Groene Kathedraal" entspricht jenem der gotischen Kathedrale von Reims und steht für das Streben nach Erhabenheit und Dauerhaftigkeit.

erschienen in
Zuschnitt 24 vorläufig nachhaltig, Dezember 2006
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De Groene Kathedraal

Marinus Boezems »De Groene Kathedraal« zählt sicher zu den beeindruckendsten Beispielen begehbarer Land Art. Auch wenn die Ursprünge der Land Art-Bewegung in den späten sechziger Jahren liegen und das Projekt von Marinus Boezem 1978 zum ersten Mal konzeptuell entworfen wurde, dauerte es bis 1987, dass die ersten Pappeln im Süden von Almere in den Niederlanden gepflanzt wurden. Weitere zehn Jahre vergingen, bis »De Groene Kathedraal« der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden konnte. Das Konzept, das der Künstler seinem Land Art-Projekt zugrunde legt, besteht aus mehreren Ebenen, die sowohl zeitlich als auch räumlich architektonisch zu begreifen sind. Der Grundriss der grünen entspricht jenem der berühmten gotischen Kathedrale von Reims, die Boezem als Sinnbild menschlichen Strebens nach Erhabenheit und Dauerhaftigkeit in sein Werk eins zu eins einfließen lässt. Die Anordnung der 178 Pappeln entspricht exakt der Säulenordnung der Kathedrale von Reims, ein in den Boden eingelassenes Rastersystem aus Stein spiegelt die einzelnen Kreuzrippengewölbe des sakralen Bauwerks wider. Boezem schafft somit eine dauerhafte Kompilation unterschiedlicher räumlicher Dimensionen.

In unmittelbarer Nähe setzt der Künstler den gleichen Grundriss, diesmal als ausgesparte Fläche, umgeben von einem Eichenwald, ein, der als Negativform »De Groene Kathedraale« konzeptuell erweitern soll.

Eine der ursprünglichen Intentionen der Land Art-Bewegung, auch Earthworks genannt, war es, sich der Kunst als Konsumgut zu verweigern und Werke zu schaffen, die in keinem Museum, in keiner Galerie ausgestellt werden können, also weder transportabel noch käuflich noch von Dauer sind. Diesen Prinzipien entspricht auch »De Groene Kathedraal«, wenngleich dieses Werk, die Dauerhaftigkeit betreffend, eine doppelte Strategie verfolgt: Zum einen verfällt die spezielle Art der hier angepflanzten lombardischen Pappel, sobald sie ihre maximale Höhe von 30 Metern erreicht hat, langsam wieder, da sie sehr sensibel auf Umwelteinflüsse reagiert, andererseits wird die gegenüberliegende Negativform des Grundrisses durch den stetigen Wuchs des Eichenwaldes bestehen bleiben.

Es ist das Bleibende, das Nachhaltige, das Marinus Boezem in seinem Werk zum Ausdruck bringen will. Die Natur als Ursprung und Lehrmeister der Architektur und der Hinweis des römischen Architekten und Ingenieurs Vitruv (1. Jh. v. Chr.), dass der erste griechische Tempel aus Holz bestanden hat, waren Inspirationsquellen, die Boezem dazu veranlassten, ein Werk zu schaffen, das einen nachhaltigen Eindruck in der Landschaft, aber auch bei deren Bewohnern hinterlässt. Darüber hinaus ist der Glaube an den Fortschritt und das Spirituelle seinem Werk immanent. Die Wahl des Standorts war dabei nicht zufällig: Boezem hat bewusst eine durch technische Errungenschaft zurückgewonnene Landschaft ausgewählt. Das Gebiet, in dem »De Groene Kathedraal« steht, befindet sich in der jüngsten der zwölf niederländischen Provinzen, in Flevoland, einem durch so genannte Polder, d.h. durch Deichbau und Entwässerung dem Meer abgerungenen Siedlungsraum.

Marinus Boezem

geboren 1934 in Leerdam, NL 1954 Vrije Academie Artibus, Utrecht
1955 Vrije Academie, Den Haag

Einzelausstellungen (Auswahl)

  • 1999 Panorama De Vleeshal, Middelburg
    Mental map, ACHK-De Paviljoens, Almere
    Gotische reflecties, Stadsgalerij, Heerlen
  • 1998 Royal Institute of British Architects Gallery, London
    Architectural Leage, Urban Center, New York City
  • 1997 De verborgen stad, De Vleeshal, Middelburg
    10 Jours de L’ Art Contemporain, Toulouse

Kunst im öffentlichen Raum (Auswahl)

  • 1999 Landschapsculptuur, Kroondomein Het Loo Julianaplein, den Helder
  • 1998 Polaris & Octans, Brainpark II, Rotterdam
  • 1997 Inauguratie De Groene Kathedraal, Almere

Fotos

© Jannes Linders, Vincent Wigbeld


verfasst von

Stefan Tasch

Studium der Kunstgeschichte in Wien und Edinburgh, arbeitet als freier Kurator

Erschienen in

Zuschnitt 24
vorläufig nachhaltig

Unter nachhaltiger Entwicklung verstehen wir eine Entwicklung, die den Bedürfnissen der heutigen Generationen entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und ihren Lebensstil zu wählen. 

Aus dem Abschlussbericht der „Brundtland-Kommission“, 1987

8,00 €

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Zuschnitt 24 - vorläufig nachhaltig