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Diskussion
Energiesparen und bauen: wer, wann, wo und wie?

Bei der Diskussion im Fachkreis ging es um Ökobilanzen, den Klimawandel, das Passivhaus, kurz um eine Architektur mit neuen gesellschaftspolitischen Aufgaben.

erschienen in
Zuschnitt 30 Holz bauen Energie sparen, Juni 2008
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Praktiker, Pragmatiker, Idealisten und Visionäre diskutierten als Teilnehmer eines von Franziska Leeb moderierten Gesprächs zum Thema Energiesparen und Bauen, wobei deutlich wurde, dass im Wesentlichen alle einer Meinung sind: Es muss und wird sich vieles verändern.

Franziska Leeb: Frau Bauer, wie beurteilen Sie als Vertreterin der gemeinnützigen Bauträger und damit als jemand, der die Energiefrage aus der Bauherrenperspektive betrachtet, die aktuelle Situation?

Eva Bauer: Verfolgt man die Diskussion in Österreich, dann hat man den Eindruck, dass die Wohnraumbeheizung besonders stark zu den CO2-Emissionen beiträgt. In Wirklichkeit machten die 2006 nur ca. 10 % des Gesamtvolumens aus und sind seit 1996 zurückgegangen, trotz eines Zuwachses an Haushalten. Jährlich bauen die Gemeinnützigen 15.000 neue Wohnungen, gleichzeitig werden ebenso viele thermisch saniert und dennoch soll die Wohnbauförderung als das Instrument zum Erreichen der klimapolitischen Ziele eingesetzt werden. Zukünftig sollen die eigentlich für Neubauten vorgesehenen Gelder zu einem großen Teil in die energetische Sanierung fließen. Zugleich wird gefordert, dass ab 2015 nur mehr Geschosswohnbauten in Passivhausstandard gefördert werden – und das, obwohl der Bedarf ständig steigt. Ich sehe hier eindeutig eine falsche Gewichtung.

Georg W. Reinberg: Aber diese Zahlen sind ja nicht richtig. Die Heizung macht ja nur einen Teil des Gesamtenergieaufwands aus. Man muss viel mehr Parameter miteinbeziehen. Die Beschränkung der Diskussion auf das Heizen ist auch deshalb falsch, weil z.B. im Bürobau Raumwärme eine untergeordnete Rolle spielt. Hier steht der Stromverbrauch für Geräte und Beleuchtung im Vordergrund. Es geht einfach immer um die Gesamtheit der Ökobilanz. So sind etwa die Materialfrage – und hier ist Holz eine gute Möglichkeit, Energie zu sparen – und der mit dem Bauwesen verbundene Transport ganz wichtige Parameter. In Wien spräche z.B. nichts dagegen, Baumaterial mit der Straßenbahn zu transportieren. Eine andere Problematik ist natürlich jene der Zersiedelung, der Einfamilienhäuser sowohl im Neubau als auch im Bestand. Hier stehen dramatische Veränderungen bevor, weil die Einfamilienhäuser parallel zu den steigenden Energiekosten – und diese Tendenz ist bereits merkbar, man denke nur an den Energieausweis – rapide an Wert verlieren werden.

Franziska Leeb: Wie immer man die Statistiken zu lesen hat – offensichtlich wehrt sich die Wohnbauwirtschaft gegen eine Koppelung der Förderungen an den Passivhausstandard, wie das ja in Vorarlberg bereits der Fall ist. Ist das Passivhaus wirklich das einzig Wahre oder gibt es Alternativen?

Christoph Chorherr: Es fühlt sich in dieser Situation immer jede Sparte angegriffen, anstatt die Klimadiskussion als Chance zu sehen. Die Bauwirtschaft müsste anerkennen, dass das Passivhaus zur Zeit der Standard ist und könnte das damit verbundene Know-how als Exportartikel der Sonderklasse entwickeln. Der Ölpreis wird bald bei 200, ja bei 300$ pro Fass liegen und dann wird sich jeder die Hände reiben, der in einem Haus wohnt, das fast keine Energie verbraucht.

Franziska Leeb: Wenn es aber nicht nur um Raumwärme und Heizenergie geht – gäbe es nicht auch Lowtech-Lösungen als Alternative zum Passivhausstandard?

Georg W. Reinberg: Die großen Probleme liegen eigentlich im Verkehr, der allerdings zur Hälfte baubedingt ist. Man muss das aber als Chance für die Architekten sehen, denn es geht hier um neue gesellschaftliche und technische Modelle, um Architektur mit neuen gesellschaftspolitischen Aufgaben und nicht um die Frage Lowtech oder Hightech. Dabei spielt natürlich auch die Ausbildung eine Rolle und daher ist berufsbegleitendes Lernen so wichtig. Denn die Studierenden, die jetzt in den Hochschulen sind, die bauen in zehn, fünfzehn Jahren und da wird das Klima schon gekippt sein. Und dann geht es darum, sturmsicher zu bauen, und so, dass die Häuser nicht weggeschwemmt werden – aber das ist ein anderes Thema.

Helmut Krapmeier: Richtig, und die gesellschaftspolitischen Aufgaben betreffen auch die soziale Sicherung. Denn gerade die Gemeinnützigen bauen für eine finanziell schwächere Zielgruppe und wenn aufgrund eines extrem gestiegenen Öl- oder Gaspreises die Heizungen stillstehen, dann frieren zuerst jene, für die im sozialen Wohnbau gebaut wird. In Passivhäusern wird das nicht der Fall sein. Dazu kommt, dass noch vor der Energieeffektivität die Energieeffizienz als Kernfrage steht, und wenn man weiß, dass in einem Staat wie Österreich 70 Prozent der Energie durch Ineffizienz verschwinden, dann ist das Bauwesen natürlich nur ein Teilaspekt.

Hermann Kaufmann: Ich verstehe die Diskussion darüber, wer jetzt wem wieviel wegnimmt, überhaupt nicht. Es geht doch darum, dass wir uns alle gemeinsam und engagiert bemühen, die Zukunft zu bewältigen. Derzeit ist das Passivhaus Stand der Technik. Hier haben wir zehn, fünfzehn Jahre Erfahrung und wissen, dass es ohne große Probleme funktioniert. Das sollte man positiv wahrnehmen. Ob das immer so bleiben wird, weiß ich nicht. Vielleicht bewegt sich in fünf Jahren die Diskussion in eine andere Richtung, vielleicht haben wir das Passivhaus dann überwunden, aber im Moment ist es die Technologie, die am weitesten entwickelt und am sinnvollsten ist. Passivhaus ist auch keine Frage von Hightech oder Lowtech, sondern von Qualität. Dass eine entsprechende Ausbildung an den Universitäten kaum vorhanden ist, das ist natürlich schon problematisch; da herrscht tatsächlich ein großer Handlungsbedarf. Wir brauchen eine fundierte Ausbildung in Energiefragen, denn hier reicht der Hausverstand leider nicht aus, da muss man genau wissen, worum es geht.

Franziska Leeb: Besteht für Architekten und Architektinnen überhaupt die Möglichkeit, im Bereich Energie aktiv zu handeln oder müssen die Rahmenbedingungen akzeptiert werden, wie sie sind?

Much Untertrifaller: Ich sehe schon Einflussmöglichkeiten, wobei es natürlich auch auf das Verhältnis zu Bauherren und Industrie ankommt. Was mich an der Diskussion aber stört ist, dass man alles über einen Grenzwert definiert. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es mit vernünftigem Einsatz – und hier spielt der Effizienzbegriff hinein – manchmal nicht möglich ist, einen bestimmten Wert zu erreichen, ohne andere Aspekte, die etwa die Architektur betreffen, zu vernachlässigen. Die Verantwortung von uns Architekten liegt im Abschätzen eines möglichst optimalen, effizienten Gesamtergebnisses, aber das sollte man nicht an einem Grenzwert festmachen.

Franziska Leeb: Einerseits ist das Wort Passivhaus in aller Munde, andererseits wissen viele Menschen nicht genau, was es bedeutet. Darüber hinaus wird oft mit einer anspruchsvollen Passivhaus-Planung begonnen, aber dann doch wieder auf Niedrigenergiestandard oder noch weiter heruntergestrichen. Ist »Passivhaus« nur ein Label?

Günter Lang: Passivhaus ist kein Label, sondern der einzige Standard, der überhaupt klar definiert wird, weshalb wir auch auf dem Grenzwert bestehen. Und es ist schon jetzt der kostengünstigste Baustandard, denn man muss ja auch berücksichtigen, welche mittelfristigen Energiekosten die Bewohner zu zahlen haben. Und wenn man dann noch dazu nimmt, dass die Regierung mit öffentlichen Geldern eine halbe Milliarde Euro für das Nichterreichen der Kioto-Ziele zahlt und in zwölf neue Gaskraftwerke investiert, um die Energieversorgung sicherzustellen, dann sind die Kosten für ein Passivhaus vielfach wettgemacht. Deshalb ist es auch nicht nachvollziehbar, warum die Interessensvertretung der Gemeinnützigen, die ja vielfach in Passivhausstandard bauen, sich so gegen eine flächendeckende Einführung sträubt.

Eva Bauer: Wir sprechen uns nicht gegen das Passivhaus aus, aber gegen ein Ungleichgewicht in der Diskussion und dagegen, dass die Zwangsmaßnahmen über die Wohnbauförderung nur den Wohnbau betreffen, nicht aber Bürobauten oder öffentliche Bauten. Hier nimmt man sich die Wohnbauförderung und den Endkonsumenten als bequeme Zahler. Der andere Aspekt ist, dass der verbindlich vorgeschriebene Passivhausstandard für geförderte Wohnbauten ab 2015 aus unserer Sicht aufgrund der Kosten, der Akzeptanz und der mangelnden Erfahrung nicht gerechtfertigt ist.

Günter Lang: Laut eu soll schon ab 2011 jedes Gebäude – egal ob Tankstelle, Büro oder Würstelstand – mindestens in Passivhausqualität gebaut werden. Da geht es nicht mehr um Förderungen, sondern um Mindeststandards und das ist nicht als Bestrafung zu sehen, sondern als wertsichernde Maßnahme. Darüber hinaus muss man natürlich auch an die Sanierung des Bestandes denken. Würde man in diesem Punkt schneller reagieren, könnte man sich neue Heizkraftwerke sparen.

Franziska Leeb: Mich würde interessieren, wie die Thematik von der Forschungsseite aus gesehen wird.

Peter Holzer: Unsere Vision ist, dass wir wegkommen von einer mutwilligen »entweder-oder«-Diskussion. Es geht um die Gestaltung unserer Zukunft, um die Erhaltung einer Kulturgesellschaft, wie wir sie gewöhnt sind, nicht aber um eine Auseinandersetzung darüber, wer seinen Prozentbalken um wie viel verkleinern soll. Jeder muss das Mögliche tun und jeder Planer sollte auf Grundlage der vorhandenen Mittel und Parameter das Beste machen. Ich bin gegen jeden Fanatismus, wenn damit andere essenzielle Bedürfnisse der Gesellschaft mit Füßen getreten werden, und es gibt sicher Situationen, in denen einzelne Qualitäten nicht erreichbar sind. Trotzdem sollte alles immer so optimal wie möglich sein und zugleich der Blick aufs Ganze nicht verloren gehen.

Christoph Chorherr: Da ist noch ein wichtiger Aspekt in diesem Zusammenhang: Es gibt Emissionszuwächse in Ländern, die einen viel geringeren Lebensstandard haben als wir, diesen aber ebenfalls anstreben. Zusätzlich kommen in den nächsten dreißig Jahren noch zweieinhalb Milliarden Menschen dazu und unter diesen Umständen müssen wir, die Industrieländer, vorbildliche Energiestandards in Bezug auf Wohnen, Arbeiten, Verkehr etc. setzen, die übernommen werden können. Dabei spielt auch die Materialwahl eine große Rolle und da gehören nachwachsende Rohstoffe wie Holz ganz massiv forciert und in die Rechnung miteinbezogen. Ich bin auch dagegen, dass ab 2015 der Passivhausstandard verbindlich vorgeschrieben wird – das müsste schon nächstes, spätestens übernächstes Jahr stattfinden, damit die Bauindustrie über diesen Druck gezwungen wird, ökologischer, auch industrieller und höher qualifiziert zu arbeiten.

Franziska Leeb: Vorher wurde von Erfahrungswerten gesprochen, die noch zu sammeln wären. Zugleich hören wir, dass seit zehn, fünfzehn Jahren ohne Probleme im Passivhausstandard gebaut wird. Worauf muss noch gewartet werden?

Eva Bauer: Es geht nicht nur um technische, sondern auch um soziale Aspekte und ich höre von unseren Mitgliedern, dass es nicht egal ist, wer in einem Passivhaus wohnt.

Es gibt Leute, die kommen schlechter damit zurecht – man muss sich ja zuerst mit dem System auseinandersetzen. Und es ist auch nicht so, dass es keine zusätzlichen Kosten gibt. Man muss das über einen längeren Zeitraum beobachten, auch wegen allfälliger Sanierungskosten, bevor man alles umstellt.

Helmut Krapmeier: Was Christoph Chorherr vorher angesprochen hat, lässt sich auch in Zahlen ausdrücken: Wir brauchen die 2000 Watt-Gesellschaft, das heißt, dass wir in Österreich unseren jährlichen pro-Kopf-Verbrauch von 5600 Watt auf 2000 Watt herunterbringen müssen, damit er in anderen Ländern ein bisschen angehoben werden kann. Und jetzt kommen die Bauträger und sagen, wir müssen warten, und bieten keine anderen Lösungen an.

Georg W. Reinberg: Es ist richtig, dass Wohnbau etwas ist, das sich sehr langsam entwickelt. Wir haben jetzt dreißig, vierzig Jahre Erfahrung im konventionellen Wohnbau und stellen fest, dass in mehr als der Hälfte der »klassischen« Wohnbauten Schimmelbildung nachgewiesen werden kann. Trotzdem lautet der Schluss aus diesen Erfahrungen, dass weitergebaut wird wie bisher. Das ist für mich nicht nachvollziehbar.

Hermann Kaufmann: Wir haben in Vorarlberg, wo die Zusammenarbeit mit den Gemeinnützigen ganz hervorragend ist, gesehen, dass die zwangsweise Einführung des Passivhausstandards die Baufirmen dazu gebracht hat, ganz schnell zu lernen, sich weiterzuentwickeln und die neuen Technologien anzuwenden. Ich habe vor zwölf Jahren die erste Passivhauswohnanlage gebaut und alles funktioniert nach wie vor einwandfrei. Wie kann man da von mangelnder Erfahrung sprechen?

Peter Holzer: Auch in der Forschung wurde die Frage gestellt, ob Passivhäuser nur für »besondere« Nutzer geeignet sind. Die Antwort lautet ganz eindeutig, dass dem nicht so ist. Wenn es Probleme gibt, dann immer deshalb, weil es im Bauprozess Halbherzigkeiten gegeben hat, weil gewisse Dinge nicht genau genug genommen werden, wodurch es zu Planungs- und Ausführungsfehlern kommt. Und in diesem Zusammenhang muss ich als Weiterbildner auch sagen, dass Ausbildung hilft. Eine gut ausgebildete Planer- und Bauträgerschaft, ein Mut machender Diskurs, die Übertragung individueller Erfahrungen in ein Kollektiv sind extrem hilfreich und wären in jeder Hinsicht wichtig.

Diskussion Energiesparen und bauen

»Es stehen dramatische Veränderungen bevor, weil die Einfamilienhäuser rapide an Wert verlieren werden.«
G. W. Reinberg

»Der Ölpreis wird bald bei 200, ja bei 300 $ liegen und dann wird sich jeder die Hände reiben, der in einem Haus wohnt, das fast keine Energie verbraucht.«
Ch. Chorherr

Diskussion Energiesparen und bauen

»Wenn aufgrund eines extrem gestiegenen Öl- oder Gaspreises die Heizungen still stehen, dann frieren zuerst jene, für die im sozialen Wohnbau gebaut wird.«
H. Krapmeier

»Passivhaus ist schon heute der kostengünstigste Baustandard.«
G. Lang

Diskussion Energiesparen und bauen

»Es geht doch darum, dass wir uns alle gemeinsam bemühen, die Zukunft zu bewältigen.«
H. Kaufmann

»Wir sprechen uns nicht gegen das Passivhaus aus, aber gegen ein Ungleichgewicht in der Diskussion.«
E. Bauer

Diskussion Energiesparen und bauen

»Die Verantwortung liegt im Abschätzen eines optimalen Gesamtergebnisses, aber das sollte man nicht an einem Grenzwert festmachen.«
M. Untertrifaller

»Als Weiterbildner muss ich schon sagen: Ausbildung hilft auch.»
P. Holzer

Teilnehmer

  • Mag. Eva Bauer, Österreichischer Verband gemeinnütziger Bauvereinigungen, Leiterin des Wohnwirtschaftlichen Referats
  • Mag. Christoph Chorherr, Grüner Gemeinderat und Landtagsabgeordneter in Wien
  • DI Peter Holzer, Fachbereichsleiter Architektur und Ingenieurwissenschaften, Donau Universität Krems
  • Univ.-Prof. DI Arch. Hermann Kaufmann, Architekt
  • Prof. DI Arch. Helmut Krapmeier, Energieinstitut Vorarlberg
  • Ing. Günter Lang, GF IG-Passivhaus
  • Prof. DI Arch. Georg W. Reinberg, Architekt
  • DI Arch. Much Untertrifaller, Architekt

verfasst von

Eva Guttmann

ist Autorin, Lektorin und Herausgeberin im Fachbereich Architektur

Erschienen in

Zuschnitt 30
Holz bauen Energie sparen

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