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Manfred Pernice

Die Arbeiten von Manfred Pernice wirken auf den ersten Blick verwirrend, aber zugleich auch faszinierend in Bezug auf ihre Dimension und Ausführung. Verschiedene Holzwerkstoffe bilden meist die Basis seiner Arbeiten.

erschienen in
Zuschnitt 31 Massiv über Kreuz, September 2008
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Skulptur und Handlung

Sowohl die Skulpturen als auch die Installationen von Manfred Pernice wirken auf den ersten Blick verwirrend, aber zugleich auch faszinierend in Bezug auf ihre Dimension und Ausführung. Fragmentarisch und unfertig stehen sie wie abgestellt im Raum und kreieren eine Atmosphäre, die an ein Depot erinnert. Verschiedene Holzwerkstoffe sowie Karton und Leuchtkästen bilden meist die Basis der Skulpturen und Rauminstallationen. Von teils bereits bestehenden Formen und Konstruktionen ausgehend baut Pernice Dosen, Rampen und Container, die er so verfremdet und erweitert, dass sie, obwohl ursprünglich der Ökonomie und dem praktischen Nutzen verpflichtet, zum Ausdrucksmittel des Widerstands gegen reine Funktionalität und ästhetische wie gesellschaftspolitische Gleichschaltung werden. Ergänzt werden diese modularen Konstruktionen wie auch die behälterartigen Formen mit eigenen Skizzen, Werbeanzeigen, Kopien und Zeitungsausschnitten. Pernice bezieht sich dabei immer wieder auch auf gebaute Architektur. In der für das Künstlerhaus Stuttgart entstandenen Arbeit »Fiat« (1997) nimmt er Bezug auf die Automobilwerke in Turin, die berühmt dafür sind, dass sich auf ihrem Dach eine Teststrecke befindet. Aber stattdessen baute er auf die 2,5 Meter hohe und 5,0 Meter lange Skulptur eine Kücheneinheit. So kommt es zur Verschränkung von Handlung und Skulptur, indem das Essen, ähnlich dem Auto auf dem Fabrikdach, vom Produzenten an den Konsumenten hinuntergereicht werden muss. »Fiat« wurde über mehrere Jahre auch an verschiedenen anderen Orten in abgewandelter und ergänzter Form ausgestellt und zeigt, dass manche Arbeiten unterschiedliche Entwicklungsstadien durchlaufen und keineswegs statisch sind. Pernice entwickelt die meisten seiner Arbeiten in den Ausstellungsräumen vor Ort und reagiert auf geschichtliche wie architektonische Gegebenheiten. Anlässlich der ersten Berlin Biennale 1998 entwarf er mit »Haupt- bzw. Zentraldose« eine seiner größten Skulpturen und reagierte so auf den temporären Ausstellungsraum, in dem einst Albert Speer seine megalomanen Entwürfe erarbeit hatte. Diese mehr als fünf Meter hohe Turmkonstruktion aus waagrecht geschichteten Spanplatten spielt aber auch mit der Hybris von Wladimir Tatlins »Denkmal für die III. Internationale« und dessen ideologischem Unterbau. Für Pernice ist die Form der Dose gleichbedeutend mit der uniformen und eingespielten Systematik, die nur scheinbar eine sinnstiftende Lösung für alle urbanen und gesellschaftspolitischen Probleme anbietet. Vielmehr ist es das Eingeständnis der eigenen Unzulänglichkeit, das die Arbeiten von Pernice so frei und ungezwungen erscheinen lässt. Es gibt in seinen Skulpturen keinen Anspruch auf absolute Perfektion, sondern lediglich den Versuch der individuellen Auseinandersetzung, wobei sich gerade die von ihm geschaffenen Raumwelten letztlich einer inhaltlichen Auflösung verschließen.

Foto
© Galerie Neu

Manfred Pernice

geboren 1963 in Hildesheim/Deutschland
1984 – 87 Studium Grafik/Malerei, Braunschweig
1988 – 93 Studium der Bildhauerei, HdK Berlin
1994 Meisterschüler, HdK Berlin
seit 2004 Professor an der Akademie der Bildenden Künste Wien
lebt und arbeitet in Berlin

Einzelausstellungen (Auswahl)

  • 2008 Manfred Pernice: neue Arbeiten, Galerie Neu, Berlin
  • 2007 Haldensleben ..., Museum Ludwig, DC-Saal, Köln
  • 2006 Escape, Regen Projects, Los Angeles
  • 2005 Konrad Fischer Galerie, Düsseldorf
  • 2004 U5, Galerie nächst St. Stephan – Rosemarie Schwarzwälder, Wien
  • 2003 Die Erfindung der Vergangenheit, Pinakothek der Moderne, München
  • 2002 Jeep, Annemarie Verna Galerie, Zürich

Gruppenausstellungen (Auswahl)

  • 2008 Vertrautes Terrain. Aktuelle Kunst in und über Deutschland, ZKM, Karlsruhe
  • 2007 Beziehungsweise – Papierarbeiten aus der Sammlung Holzer, Galerie Hubert Winter, Wien
  • 2006 2° Bienal Internacional de Arte Contemporáneo de Sevilla
  • 2005 Nolens Volens, 10 Jahre Galerie Neu, Galerie Neu, Berlin
  • 2004 Wer bietet mehr? – Fünfzehn Jahre Deichtorhallen Hamburg, Deichtorhallen, Hamburg
  • 2003 50th International Art Exhibition Venice Biennale/Biennale di Venezia, Venedig
  • 2002 Documenta 11, Kassel

verfasst von

Stefan Tasch

Studium der Kunstgeschichte in Wien und Edinburgh, arbeitet als freier Kurator

Erschienen in

Zuschnitt 31
Massiv über Kreuz

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Zuschnitt 31 - Massiv über Kreuz