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Gutes Holz, böses Holz
Weinwerdung und Whiskeyreifung mit Eichenholz

Während Weißeiche ausgeprägt parfümierte Aromen an den Fassinhalt abgibt, gilt das Holz der Traubeneiche als das beste für die Lagerung von Wein.

erschienen in
Zuschnitt 39 Täglich Holz, September 2010
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Die guten Onkels kamen in unseren Biografien immer aus Amerika, während die Böhsen Onkelz bekanntlich irgendwo aus dem deutschen Mittelgebirge stammen. Logisch also, dass es sich beim Holz ganz ähnlich verhält und die guten Geister – Feen, Elfen, Naturgeister aller Art, also auch Phenole, aromatische Säuren, Isoprenoide, Carotinoide, Polysaccharide u. Ä. – sich eher in der amerikanischen Weißeiche (Quercus alba) finden als in der harzig-bitteren Quercus robur, der Stieleiche deutschen Ursprungs. 

Aber das sind nur die Extreme. An dieser Stelle können wir ein wenig patriotisch werden, auf den im Alpenvor- und im Alpenhinterland so geschätzten goldenen Mittelweg einbiegen und uns die Quercus petraea vornehmen. Während die Weißeiche einen sehr deutlichen Holzton und ausgeprägt parfümierte Aromen an den Fassinhalt abgibt (und darum vor allem beim amerikanischen Whiskey zum Einsatz kommt), gilt das Holz der Traubeneichen, das vornehmlich aus den Wäldern des Limousin, des Allier, der Tronçais und der Vogesen stammt, als das beste Holz für die Lagerung von Wein.

Jedenfalls haben die französischen Weinmacher mit ihren kleinen 225-Liter-Fässern, den klassischen Barriques aus Bordeaux, die Texturen ihrer Weine in einem Ausmaß verändert (und auch verbessert!), dass kein anderes Holz diesen Vorsprung auch nur annähernd ausgleichen kann.

Langjährige Traditionen und die daraus gewonnenen Erfahrungen können auch durch sorgfältige Untersuchungen und wissenschaftliche Expertisen nicht ersetzt werden. Allerdings bieten Arbeiten wie jene der Universität für Bodenkultur und des Instituts für Holzforschung, die den Einfluss von Eichenholz auf den Wein Schritt für Schritt analysiert haben, ausgesprochen wertvolle Erkenntnisse. Bei der Erstbefüllung von Allier- bzw. Limousinbarriques geben die Fässer wesentlich mehr herb schmeckende Phenole an den Wein ab als andere Hölzer. Um diese adstringierenden Eigenschaften in den Griff zu bekommen, muss der Winzer freilich Geduld aufbringen. Erst durch den längerfristigen Kontakt mit Sauerstoff (Oxidation) werden diese Eigenschaften abgemildert, abgerundet und mit den Extraktionen der Holzsubstanzen so weit verestert, dass sich daraus ein »großer Wein« ergeben kann (wobei es natürlich auch – eigentlich vor allem – auf die Qualität des Rebensaftes ankommt – aber das ist ein eigenes Thema).

Für die Weinbauern jedenfalls sind diese Forschungen ausgesprochen nützlich, könnten sie sich damit doch einiges an Experimentierzeit und Fehlversuchen ersparen. Viele Weinmacher gingen trotzdem den Weg des »try and error« und bescherten uns friedfertigen Weintrinkern häufig derart seltsame Weine, dass dahinter absichtliche aggressive Anschläge auf unsere Geschmackspapillen vermutet werden. 

Ein trauriges Kapitel bei der Weinbereitung ist auch die Entwicklung hin zur so genannten »internationalen Stilistik«, die dem unerfahrenen Konsumenten den kultigen Barriquegeschmack durch getoastete Eichenchips vorgaukelt. 

Dazu genügt es, eine Handvoll billiger, mehr oder weniger stark getoasteter Chips aus wenig wertvollem Eichenholz in große Stahltanks zu werfen, und heraus kommt ein glatt gestriegelter Wein ohne Sortencharakter, ohne Tiefgang und ohne Individualität. Aber – weiß die renommierte Weinjournalistin Luzia Schrampf – es gibt auch jene, die diesen Geschmack lieben und suchen. Die gute Seite der Chips ist, dass sie den erwünschten Holzgeschmack wesentlich kostengünstiger an den Wein abgeben. Und dies in einer Qualität, die auch önologische und organoleptische Fachleute daran scheitern lässt, einen Unterschied zu im Holzfass gereiften Weinen festzustellen.

Trotzdem gilt für Traditionalisten weiterhin das Fass als Ursache des Guten. Und speziell der Einsatz von Limousin- bzw. Weißeiche ist für die Wein- und die Whiskeyreifung ein kulturhistorisch wertvoller Beitrag, der uns und der Welt wunderbare, einzigartige und großartige Getränke beschert.

Voraussetzung ist gekonnte handwerkliche Arbeit, und die beginnt bei der Auswahl des Holzes und der Herstellung des Fasses. Da die Lagerung und Trocknung des Rohholzes ein zeit- und damit auch kostenintensiver Faktor ist, streiten sich zwei Schulen um die richtige Methode. Nachdem die traditionelle Lufttrocknung bis zu drei Jahre dauern kann (bei Lagerung des Holzes im Freien), geben kostenbewusste Hersteller der künstlichen Holztrocknung den Vorzug. Freilich hat das Einfluss auf die Weinqualität, weil die Weine aus solchen Fässern adstringierender und bitterer sind als Weine, die in Fässern aus natürlich getrocknetem Holz gelagert werden. Durch die Art des Toastings können diese Unterschiede allerdings wieder überdeckt und vordergründig ausgeglichen werden. Ganz generell ist das Ausbrennen der Fässer der entscheidende Arbeitsschritt bei der Herstellung von Barriques. Die spezifischen Aromaattribute eines Weines – oder eines Bourbon-Whiskeys zum Beispiel – werden ausschließlich durch das Toasting bestimmt. Je nach Intensität des Toastings – leicht: 1 mm, mittel: 2 mm, stark: 3 bis 4 mm – ergeben sich zarte Holzaromen mit leichtem Vanilleton oder würzige Holzaromen mit deutlichen Vanille-, Kaffee- und Schokotönen bis hin zu gebrannten Aromen mit einer Karamellnote.

Welches Holz mit welchem Toasting eingesetzt wird, entscheidet also signifikant über den Charakter des Produkts. Nachdem Holz aber von Natur aus weder gut noch böse ist, sind es die Wein- und Geldmacher, die über solche moralischen Attribute entscheiden. Gleichzeitig können aber auch wir Konsumenten ein wenig mitbestimmen. Entscheidend ist dabei die Frage, ob wir uns plakativ »hergerichtete« Weine und Spirituosen aufs Auge drücken lassen oder ob wir die Marketingwinzer und die Wein-on-demand-Macher in die Schranken weisen. Um aber auch als Weintrinker und Spiritsliebhaber ein Experte in dieser Angelegenheit zu werden, sind Investitionen in Weine und Spirituosen sowie viel Arbeit mit dem Trinken dieser Dinge verbunden. Aber, wie sagte schon der Holzfäller: Ohne Schweiß kein Preis. Stimmt doch, oder?

Literatur
Barrique – vom Baum zum Wein
Lignovisionen Schriftenreihe des Institutes für Holzforschung am Departement für Materialwissenschaften und Prozesstechnik, Band 7, Universität für Bodenkultur Wien, 2006


verfasst von

Vene Maier

  • Kulinarik-Journalist, Bücher und Beiträge über Schnaps, Spirituosen, Käse und kulinarische Reisen

Erschienen in

Zuschnitt 39
Täglich Holz

Aufgrund seiner physikalischen Struktur und seiner Inhaltsstoffe ist Holz sehr vielseitig einsetzbar und belebt dabei noch unsere Sinne: Holz kann man riechen, fühlen, sehen, hören und schmecken. Aber kann man es auch essen?

8,00 €

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Zuschnitt 39 - Täglich Holz