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oder: Warum fühlt sich Holz warm an?

Der schlechte Wärmeleiter Holz entzieht der Hand bei Berührung nur langsam die Wärme. Daher empfindet man Holzoberflächen angenehmer als metallene mit gleicher Oberflächentemperatur.

erschienen in
Zuschnitt 39 Täglich Holz, September 2010
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Jetzt ruht die Hand auf dem Tisch. 200 Millisekunden, nachdem die Fingerkuppen und der Ballen die Tischplatte berührt haben, nimmt der Mensch den Kontakt und damit die Eigenschaften der Oberfläche wahr. Ist diese warm oder kalt? Rau oder glatt? Eine Tischoberfläche aus Metall wird er als kälter empfinden als die eines Plastik- oder Holztisches. Aber wie kann es sein, dass sich bei gleicher Raumtemperatur Metall kälter anfühlt als Holz oder Plastik? In einem Raum müssten ja alle Objekte die gleiche Oberflächentemperatur haben. Die haben sie auch, aber sie besitzen unterschiedliche Wärmeleitfähigkeiten. Berührt man mit der Hand eine Oberfläche, dann fließt so viel Energie vom warmen zum kalten Körper, bis beide die gleiche Oberflächentemperatur angenommen haben. Bei Materialien mit höherer Wärmeleitfähigkeit wie zum Beispiel Metall entsteht ein höherer Wärmestrom. Sie entziehen der Hand schneller die Wärme und fühlen sich deshalb kälter an. Genau genommen nimmt man also nicht die Oberflächentemperatur wahr, sondern die Stärke des Wärmestroms. Holz ist ein schlechter Wärmeleiter, es entzieht der Hand nur langsam die Wärme und man empfindet seine Oberfläche – egal, ob es die einer Parkbank im Winter oder die eines Küchentisches ist – als angenehmer.

Die Wärmeleitfähigkeit unterscheidet sich von Holzart zu Holzart sowie von der Quer- zur Längsrichtung. Sie ist quer zur Faser größer und steigt mit der Zunahme der Holzfeuchtigkeit und der Rohdichte des Holzes, ist also bei Buche (712 kg/m3) größer als bei Fichte (441 kg/m3). Diese Unterschiede sind jedoch gefühlt so gering, dass sie bei der Auswahl der Holzart keine wesentliche Rolle spielen. Da gibt es Eigenschaften, die viel relevanter sind, wie die Festigkeit, die Härte oder die Rauheit einer Holzart. Wer eine Schneeschaufel einkaufen will, kann meist zwischen einem Stiel aus Buche und einem aus Esche wählen. Beide Hölzer weisen eine gute Bruchfestigkeit auf und sind deshalb gleich gut für diesen Einsatz geeignet. Der Stiel aus Buche wird preislich etwas günstiger sein, aber auch schneller Schwielen an den Händen verursachen als der aus Esche. Ein Blick auf die mikroskopischen Querschnitte hilft zu verstehen, warum das so ist: Beim Hirnholzschnitt einer Esche kann man mit bloßem Auge die Poren erkennen, in denen früher das Wasser floss. Die Esche ist ein grobporiges Holz, und je grobporiger eine Holzart ist, desto rauer fühlt sie sich auch an.

Was am Ende des Stieles oder eben beim Hirnholzschnitt die Poren, sind an den Längsflächen des Stieles bzw. beim Tangentialschnitt die feinen Rillen. Sie hinterlassen bei grobporigen Hölzern trotz Schleifen eine gewisse Rauheit, man nennt dies auch Nadelrissigkeit.

Sind die Poren so klein, dass man sie mit bloßem Auge nicht mehr sehen kann wie bei Hainbuche, Ahorn oder Birnbaum, dann bezeichnet man das Holz als feinporig: Die Gefäße sind gleichmäßig verteilt, ihr Durchmesser ist gering. Die Buche ist zwar ein feinporiges Holz, hat aber ausgeprägte Holzstrahlen, das sind feine, strahlenförmige Zellen, die zur Markröhre gerichtet sind und bei Feuchteschwankungen quer zu den Poren schwinden und quellen.

Das führt trotz der Feinporigkeit zu einer sehr rauen Oberfläche, die die Haut aufreiben kann. Ein Stiel aus Hainbuche dagegen, ein feinporiges Holz mit kleinen Holzstrahlen, liegt glatt und gut in der Hand. Hainbuchenholz aber ist nur in geringen Mengen verfügbar und wird lediglich für kurze Stiele wie die einer Hacke verwendet.

Nicht nur das Auge kauft mit

Die Gefäßgrößen der Hölzer variieren zwischen 0,02 und 0,1 mm. Das menschliche Auge kann einen Zelldurchmesser von bis zu 0,1 mm erkennen. Mit dem Finger kann man dagegen weit mehr differenzieren, man kann Zellen von bis zu 0,04 mm wahrnehmen, beim Abtasten mit dem Fingernagel sogar bis zu 0,01 mm. Der Tastsinn ermöglicht damit eine weit differenziertere Wahrnehmung einer Oberfläche als das Auge. Kein Wunder, dass nicht nur das Auge, sondern ebenso der Tastsinn beim Kauf eines Autos oder eines Möbelstückes mithilft. Diese Einsicht ist trivial und doch wurde die haptische Komponente von Objekten lange Zeit unterschätzt. Schon in der Antike bezeichnete man den Tastsinn als den niederen Sinn, da er im Gegensatz zu den anderen Sinnen keinem einzelnen Organ zugeordnet werden kann. Inzwischen aber hat man die Bedeutung des Tastsinnes entdeckt, allen voran die Automobilbranche. In so genannten Haptik-Labors werden die haptischen Qualitäten des Innenlebens von Fahrzeugen weiterentwickelt.

Im Zuge eines Forschungsprojektes an der Fachhochschule Salzburg untersuchten Günter Berger, Hermann Katz und Alexander Petutschnigg, inwieweit der Mensch mit der Hand und dem Fuß die haptischen Qualitäten von Holzoberflächen wahrnehmen kann. 136 Testpersonen mussten mit verbundenen Augen barfuß über drei verschiedene Holzböden gehen sowie ebendiese mit der Hand abtasten. Dabei handelte es sich um einen unbehandelten, geölten Holzboden, einen Parkettboden mit lackierter Oberfläche und einen Laminatboden. Die Forscher interessierte dabei die Frage, wie genau die Testpersonen die Temperaturunterschiede, die Rauheit und die Härte der Oberflächen bestimmen konnten, und schlussendlich, welche der Oberflächen sie bevorzugten.

Auf einer Skala von 1 bis 5 gaben die Testpersonen die gefühlte Temperatur, Glätte und Härte des jeweiligen Bodens an. »Die Personen konnten erstaunlich gut die Unterschiede erkennen, wobei es kaum Unterschiede zwischen dem Versuch mit der Hand und dem mit dem Fuß gab«, erzählt Alexander Petutschnigg. Der Boden mit der natürlichen, geölten Oberfläche wurde als warm, rau und ziemlich weich empfunden, der Laminatboden dagegen als kalt, glatt und hart und der lackierte Parkettboden lag in Bezug auf das Temperaturempfinden dazwischen. Die meisten gaben dem Boden mit der natürlich belassenen Oberfläche den Vorzug. »Weitere Untersuchungen dieser Art könnten wichtige Hinweise für Verkaufsstrategien liefern«, so Petutschnigg.

Schon jetzt aber sitzt man selbst viel lieber auf einer Parkbank aus Holz als aus Metall. Und dann sucht die Hand wie selbstverständlich den Kontakt.


verfasst von

Anne Isopp

ist freie Architekturjournalistin, -publizistin und Podcasterin in Wien. Sie war von 2009 bis 2020 Chefredakteurin der Zeitschrift Zuschnitt. In ihrem Architekturpodcast Morgenbau spricht sie mit Menschen aus der Baubranche über nachhaltiges Bauen.

Erschienen in

Zuschnitt 39
Täglich Holz

Aufgrund seiner physikalischen Struktur und seiner Inhaltsstoffe ist Holz sehr vielseitig einsetzbar und belebt dabei noch unsere Sinne: Holz kann man riechen, fühlen, sehen, hören und schmecken. Aber kann man es auch essen?

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Zuschnitt 39 - Täglich Holz