Zum Hauptinhalt springen

Yoshitomo Nara

Während seines 12-jährigen Aufenthalts in Deutschland empfand Yoshitomo Nara aufgrund der Sprachbarriere ein tiefes Gefühl der Isolation. Diese Erfahrung führte zu Naras unverwechselbaren Ästhetik.

erschienen in
Zuschnitt 43 Die Außenwand, September 2011
Sie besuchen eine Archiv-Seite. Möglicherweise sind nicht alle Darstellungen korrekt.

Die in Großbritannien und Nordamerika entstandene Pop Art der 1950er und 1960er Jahre bezog ihre Motive aus der Alltagskultur, der Werbung und den Massenmedien. Künstler wie Andy Warhol oder Roy Lichtenstein wollten sich vom Ballast des Elitären befreien und strebten nach einer Annäherung von Kunst und Alltag. In den 1990er Jahren griff eine ganze Generation junger japanischer Künstler diese westliche Bildsprache auf, um sie in ihre eigene Kultur zu übersetzen. Ihre Arbeiten, die von Manga, den japanischen Comics, von Anime, den japanischen Animationsfilmen, und der traditionellen japani­schen Druckgrafik beeinflusst sind, erzählen von gesellschaftlichen Missständen, sexuellen Fetischen und Fantasiewelten.

Zu diesen japanischen Künstlern zählt auch Yoshitomo Nara, in dessen Malereien und Zeichnungen auch Punkrock eine wichtige Rolle spielt. Er zitiert Textzeilen von den Ramones, Green Day oder The Starclub. Yoshitomo Nara ging 1988 nach Deutschland, schrieb sich an der Kunstakademie Düsseldorf ein und blieb dort zwölf Jahre. Aufgrund seiner mangelnden Sprachkenntnisse und der damit verbundenen Schwierigkeit zu kommunizieren, empfand Nara ein tiefes Gefühl der Isolation. Diese Erfahrung führte Nara zu jener Ästhetik, die ihn später unverwechselbar machen sollte: Einfache und reduzierte Bildinhalte beschleunigen die Kommunikation und stellen für Nara den direktesten Weg dar, sich zu artikulieren. Kinder mit weit aufgerissenen Augen und grimmigem Blick, die er bis heute in seinen Zeichnungen und Malereien darstellt, wurden zu seinem Markenzeichen.

Als Symbole für die Einsamkeit menschlicher Existenz innerhalb der Erwachsenenwelt und Verwundbarkeit aufgrund physischer Schwäche werden sie von Nara aber nicht als Opfer porträtiert, sondern als widerständige Kämpfer und anarchistische Protagonisten, die sich in einer feindlichen Umgebung behaupten. 2000 kehrte Nara nach Japan zurück und lernte dort 2003 Hideki Toyoshima kennen, der als Mitglied des Designkollektivs graf in Osaka arbeitete. Gemeinsam entwickelten sie unter yng (Yoshitomo Nara + graf) Ausstellungskonzepte, die den Besucher partizipativ in die Welt von Naras Imagination eintauchen lassen sollten. Die hier abgebildete Arbeit aus dem Jahre 2007, »Torre de Málaga«, wurde für die Ausstellung im cac Málaga (Zentrum für zeitgenössische Kunst in Málaga) entworfen.

Das aus wiederverwerteten Holzbauteilen errichtete Haus, das von den Besuchern betreten werden konnte, ist nachgebautes Künstleratelier und märchenhafter Turm zugleich. Nara und Toyoshima fanden die für den Bau verwendeten Materialien vor Ort. Das Besondere an diesem Turmbau ist nicht nur seine lockere und im Do-it-yourself-Verfahren errichtete Bauweise, sondern auch, dass er aus zwei eigenständigen Bau­kör­pern besteht. Ein kleines Häuschen an der Außenwand, ohne eigenen Eingang, aber durch ein Glas­fenster mit dem Innenraum verbunden, beherbergt eines von Naras wütenden Kindern. Auch hier geht es um die Unfreiheit kindlicher Existenz, die in einer Zelle, umgeben von Naras Zeichnungen, ihr Dasein fristen muss. Naras künstlerischer Ansatz veränderte sich über die Jahre und entwickelte sich von der isolier­ten Betrachtung seiner inneren Erlebniswelt hin zu einer offeneren Praxis, die die Menschen einlädt, an seiner Sicht der Welt teilzunehmen.

Yoshitomo Nara

geboren 1959 in Hirosaki, Japan
lebt und arbeitet in Tokio

Einzelausstellungen (Auswahl)

  • 2010 Ceramic Works, Tomio Koyama Gallery, Tokio
  • 2010 Nobody’s Fool, Asia Society, New York
  • 2009 Yoshitomo Nara +graf, ­Marianne Boesky Gallery, New York
  • 2009 Yoshitomo Nara +graf, Reykjavik Art Museum, Reykjavik
  • 2008/09 Blum & Poe, Los Angeles
  • 2008 BALTIC Centre for Contemporary Art, Gateshead/UK
  • 2008 Galerie Meyer Kainer, Wien
  • 2007 Yoshitomo Nara +graf,
  • 2007 CAC Málaga, Málaga, E
  • 2007 Yoshitomo Nara +graf, Berlin Baracke, Galerie Zink, Berlin

Gruppenausstellungen(Auswahl)

  • 2011 Bye Bye Kitty!!!: Between Heaven and Hell in Contemporary Japanese Art, Japan Society, New York
  • 2011 Creating the New Century: Contemporary Art from the Dicke Collection, The Dayton Art Institute, Dayton, Ohio/US
  • 2010 Trans-Cool tokyo, Singapore Art Museum, Singapore, Bangkok Art and Cultural Centre, Bangkok
  • 2009 Walking in My Mind, The Hayward Gallery, London
  • 2009 Rites de Passage, Schunck Glaspaleis, Heerlen/NL
  • 2009 The 6th Asia Pacific Triennial of Contemporary Art, Queensland Art Gallery, ­Brisbane/AU
  • 2008 The Masked Portrait, Marianne Boesky Gallery, Tokio
  • 2008 A Perspective on Contemporary Art 6: Emotional Drawing, The National ­Museum of Modern Art, Tokio
  • 2007 Disorder in the House, ­Vanhaerents Art Collection, Brüssel
  • 2007 Bernard Buffet Museum, Mishima/JP

 

Kuratiert vom Museum Moderner Kunst Stiftung Ludwig Wien

Fotos

© CAC Málaga


verfasst von

Stefan Tasch

Studium der Kunstgeschichte in Wien und Edinburgh, arbeitet als freier Kurator

Erschienen in

Zuschnitt 43
Die Außenwand

Ob stab- oder plattenförmige Elemente, ob Rahmen- oder Massivbau, Bauen mit Holz bietet eine große Vielfalt an Wandtypen. Allen ist gemeinsam, dass Holz den Innenraum vor Kälte, Hitze, Lärm und dem Wetter schützt, und das mit all seinen positiven Eigenschaften.

8,00 €

Zum Produkt   Download

Zuschnitt 43 - Die Außenwand