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St. Nikolai im Sausal
Eine steinerne Gemeinde baut in Holz

erschienen in
Zuschnitt 46 Für die Öffentlichkeit, Juni 2012

Nein, das mit 2.200 Einwohnern kleine St. Nikolai im Sausal im Weststeirischen ist keine traditionelle Holzbaugemeinde. Holz findet sich in dieser sanft hügeligen Landschaft nur an untergeordneten Bauten – an Stadeln, in denen Heu gelagert wird, an Schuppen für allerlei Gerät oder am Blockbau der guten Stube bei den wenigen noch erhaltenen »Keuschen« früherer Kleinbauern, die hier ihr Leben äußerst karg fristen mussten. Natürlich ist auch jeder Dachstuhl des hier üblichen Satteldachhauses aus Holz, und Wand- und Deckenverkleidungen in Holz erfreuen sich ungebrochener Beliebtheit. Aber Holz als konstruktives Material für Repräsentationsbauten war unbekannt und galt auch dann noch als »ortsfremd«, als die Gemeinde beschloss, ihr neues Amtsgebäude in Holz zu bauen.

Pragmatik statt Ideologie

Von der Mehrheit in Gemeinderat und Bauausschuss wurde Holz akzeptiert, nur bei wenigen musste Überzeugungsarbeit geleistet werden. Diskussionen gab es über die ungewöhnliche Form des Daches. Er habe die glückliche Gabe, sagt Bürgermeister Kurt Kada, sich ein Bauwerk, das er nur von Plänen kenne, gut vorstellen zu können, und so konnte er das Projekt, das aus dem von der Gemeinde initiierten Wettbewerb siegreich hervorging, überzeugend vertreten. In einem war man sich von Anfang an einig: Eine bewitterte Fassade in Holz wollte man nicht, denn ließe man diese natürlich altern, wäre sie in dieser Gemeinde ganz sicher nicht akzeptiert, und hätte man sie mit einem Anstrich versehen, so müsste sie, wie die mit Holz verkleidete Leimbinderkonstruktion des Turnsaals aus den 1980er Jahren, immer wieder kostenintensiv renoviert werden. Die erste Entscheidung für Holz war eine pragmatische. Grund eins: Für Veranstaltungen wünschte man sich zum angrenzenden neu gestalteten Dorfplatz hin ein weit auskragendes Vordach.

Architekt Gerhard Mitterberger wollte visuelle Leichtigkeit und schlug eine Konstruktion in Holz vor. Grund zwei: Die Bauzeit war mit zehn Monaten sehr kurz bemessen – der hohe Vorfertigungsgrad und der Entfall der Austrocknungszeit sprachen für Holz. Der dritte Grund, mit dem der Bürgermeister den Gemeinderat überzeugen konnte, waren die niedrigen Folgekosten für die Erhaltung und den Betrieb eines gut gedämmten Leichtbaus. Spätestens bei der feierlichen Eröffnung waren auch die letzten Skeptiker überzeugt: Die Fassadenverkleidung – solide, witterungsresistente, kunststoffbeschichtete Platten –, die im Inneren wirksame Leichtigkeit der Konstruktion, atmosphärisch warme Oberflächen von Böden und Wänden, die feinen Steher der Bandfenster – all das begeisterte. Mit seinen in Sperrholzplatten ausgeführten Innenwänden hat das Gemeindeamt die Anmutung eines langlebigen Möbelstücks, dessen Wartung sich darauf beschränkt, von Zeit zu Zeit Bilder und Auszeichnungen neu zu hängen, damit das Holz gleichmäßig nachdunkeln kann.

Holz ist »salonfähig«

Wenn auch der Holzbau im Dorf seither »salonfähig« geworden ist, so blieb der Zugang der Gemeinde dazu pragmatisch, frei von Ideologie. Wenn zu annähernd gleichen Kosten in Holz gebaut werden kann, wird es als konstruktives Element dort angewandt, wo es technisch und bauphysikalisch möglich und sinnvoll ist. Im neuen Musikheim lagert die Konstruktion aus Brettsperrholzträgern und platten auf den Sichtbetonwänden auf. Sie ermöglichten erst, das kleine Bauwerk tief in den Hang mit dem schönen alten Baumbestand zu setzen. Einzig beim Schülerhort war Holz als Konstruktion nicht durchzusetzen. Der wurde nämlich direkt auf die gemeindeeigene neue Hackschnitzelheizanlage aufgesetzt, die in unmittelbarer Nachbarschaft zur Schule in den Hang eingeschnitten worden war. Der Vorteil größerer Effizienz (die kurze Leitungsführung eines zentralen Heizhauses) hatte Brandschutzauflagen zur Folge, die einen Holzbau zu kostspielig gemacht hätten. Aber – und da schmunzelt Bürgermeister Kurt Kada – wenn der Hort dereinst erweitert werden muss, wird ein Geschoss aufgesetzt, und das – wie sonst? – als Holzleichtbau. Vorausplanend hat der Langzeitamtierende bereits in die erste Baustufe ein Treppenhaus einbauen lassen.

Fantasie wurde den Entscheidungsträgern in der Gemeinde auch beim Erhalt eines kleinen Winzerhauses abverlangt, in dem mancher nicht mehr als einen abrissreifen Schandfleck am Rande des neu konzipierten Dorfplatzes erkennen konnte. Kurt Kada setzte wieder auf Überzeugungsarbeit und machte daraus eine Schaudestillerie, die nun im hochmodernen Anbau, den Architekt Mitterberger wie einen leichten Industriebau aus Holz konzipiert hat, Platz fand. Tradition und Modernität bilden in diesem kleinen touristischen Anziehungspunkt der Gemeinde ein sinniges Ganzes. Nicht der Blick zurück, nicht die (nicht vorhandene) Tradition des Holzbaus für repräsentative Bauten ist in diesem Ort das Motiv für neues Bauen in Holz, sondern im Gegenteil der Blick in die Zukunft. In St. Nikolai werden größere Zeithorizonte aufgespannt, in die die Betriebs- und Erhaltungskosten der gemeindeeigenen Häuser einbezogen werden. Sie sprechen, das weiß man hier mittlerweile aus eigener Erfahrung, für gut gedämmte Holzbauten und könnten auch Vorbild für den Bau neuer Einfamilienhäuser sein. Genügend Überzeugungskraft hätte der Bürgermeister.


verfasst von

Karin Tschavgova

studierte Architektur in Graz, seit langem freie Fachjournalistin und Architekturvermittlerin, Lehrtätigkeiten an der TU Graz

Erschienen in

Zuschnitt 46
Für die Öffentlichkeit

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Zuschnitt 46 - Für die Öffentlichkeit