Zum Hauptinhalt springen

Ein persönlicher Rückblick auf 25 Jahre Bauen mit Holz

erschienen in
Zuschnitt 60 25 Jahre (pro) Holz, Dezember 2015
Sie besuchen eine Archiv-Seite. Möglicherweise sind nicht alle Darstellungen korrekt.

Daten zum Objekt

Standort

Rapoldipark, Innsbruck/A

[auf Google Maps anzeigen]


Bauherr

bilding. Kunst und Architekturschule, Innsbruck/A, www.bilding.at

Planung und Ausführung

Studierende des ./studio3 – Institut für experimentelle Architektur, Universität Innsbruck (unter der Leitung von Prof. Volker Giencke), Innsbruck/A, www.studio3.me; Walter Prenner, Verena Rauch, Wolfgang Pöschl (Betreuung); Niklas Nalbach (Entwurf)

Statik

Alfred R. Brunnsteiner, Innsbruck/A, www.dibral.at

Fertigstellung

2015

Typologie

Bildung

Vom Stab zur Platte

Wenn ich auf meine persönlichen Erfahrungen mit Holz zurückblicke, ergibt sich ein recht gutes Bild der Entwicklung von Holz als Baustoff in den letzten 25 Jahren.

Ich bin als »Holzmensch« sozialisiert und hatte von Kindheit an einen leichten, alltäglichen Zugang zu Holz, ohne einer generationenlangen Familientradition verpflichtet zu sein. Mein Zugang war von Anfang an ein spielerischer und experimenteller. Beim Architekturstudium spielte Holz so gut wie keine Rolle.

In meinen Lehrjahren in einem bekannten Tiroler Architekturbüro gab es vorwiegend Kaltdächer – oft als komplizierte Holz-Stahl-Konstruktionen, wenn das geneigte Dach Teil der Raumhülle war. Für größere Bauten wurden sogenannte Leimbinder verwendet, die wegen ihrer behäbigen Dimensionen meist hinter Abhangdecken verschwanden. Der innovativste Impuls in Sachen Holz kam in dieser Zeit von den Selbstbau-Architekten in Vorarlberg. Ihre Projekte wurden wegen ihrer alternativen und grindigen Erscheinung von den etablierten Architekten in meinem Umfeld belächelt.

Bei meinem ersten größeren Bauwerk, dem MPreis Lienz (1991/92), setzte ich Leimbinder in einem Teil als Kaltdach mit Trapezblechdeckung und OSB-Untersicht und in einem anderen im Innenraum sichtbar mit einem Paneeldach ein. Ich versuchte, die Vielschichtigkeit der Holzkonstruktion um die Ebene der Sparren zu reduzieren, indem ich tragfähige Flächen wie Trapezbleche und Sandwich-paneele verwendete. Das Hauptdach ruhte auf den Fensterrahmen aus Stahlformrohren.
In dieser Zeit verfolgte ich interessiert und involviert die Emanzipation des Baustoffs Glas von einem ausfachenden (und stabilisierenden) Material in (überflüssigen) Rahmen zu einem eigenständigen Material und zum kostengünstigsten und vielseitisten Raumabschluss und beklagte den kartellhaft erstarrten Zustand der Leimbinderhersteller, die sich in ihrer Nebenrolle bequem eingerichtet zu haben schienen.

Beim zweiten MPreis in St. Johann (1993/94), jenem mit dem Wellendach, schaffte ich es nicht, die Welle in Holz zu konstruieren. Selbst waghalsigen Statikern war Holz damals viel zu suspekt, um ein Tragwerk aus Holz und Trapezblechen ernsthaft zu untersuchen.

Vielleicht war es der Aufstieg des Glases als eigenständige, raumabschließende Fläche, vielleicht war es die Gewohnheit, als Tischler Möbel aus Plattenmaterialen herzustellen, die mir die Vielschichtigkeit des Holzbaus verdächtig machte. Deshalb startete ich Mitte der 1990er Jahre eine Reihe von Projekten, die ich »Wohnmöbel« nannte: fünf Objekte – ein Büroraum auf dem Dach eines Autohauses, zwei Einfamilienhäuser, ein Bauernhaus und unser Büro/Garagen/Tagesklinikgebäude in Mils –, die wie Möbel konstruiert sein sollten. Die ersten zwei Projekte hatten horizontale, begrünte Brettstapelflächen als Dächer, die späteren bereits umgelegte Leimbinder, Brettschichtholzflächen. Vertikal tragend waren immer noch zarte Stahlformrohrrahmen oder von der Fassade abgesetzte Stahlprofile. Eine wichtige Errungenschaft für diesen direkten Umgang mit Holzflächen war das gefällelose, bituminöse, intensiv begrünte Umkehrdach. Zur Jahrtausendwende wurde Brettsperrholz verfügbar und wir setzten es gleich in mehreren Varianten beim Motorradgeschäft in Kolsass ein. Die Untersichten waren selbst für raue Ansprüche unakzeptabel und mussten zu unserer Enttäuschung verkleidet werden.

Nach den Anlaufschwierigkeiten erwies sich das Brettsperrholz als jenes universelle Bauelement, das mit geringem Bearbeitungsgrad direkt auf der Baustelle versetzt und zu einem offenen Raum gefügt werden konnte. Zu dieser Zeit verschwand der tragende Stahl fast ganz aus unserem Kanon konstruktiver Materialien, weil eine Tragstruktur aus Holz viel leichter direkt und rahmenlos verglast werden konnte, und die Fassade wandelte sich tendenziell zur bewohnbaren und funktionellen Zwischenzone, zum tragenden Möbel.

Mein Motiv, Holzflächen zu verwenden, lag auch im Wunsch, dort weiterzumachen, wo die Moderne mit dem Barcelona-Pavillon von Mies van der Rohe, mit den Bauten Richard Neutras und Rudolph Schindlers abgebrochen war. Der Reiz der Bauten eines Neutra liegt in den scharfen raumbildenden Flächen, in den dünnen horizontalen Dächern und der damit verbundenen radikalen Transparenz seiner Häuser. Ich habe noch die Architektenklage im Ohr, dass so etwas nur in schneelosen Breitengraden möglich wäre. Das traf auf traditionelle Balkenkonstruktionen oder auch auf amerikanisches Lattenwerk durchaus zu. Erst die konstruktiven Holzflächen machten die spielerisch und einfach zu realisierende räumliche Vielfalt möglich, wie sie die Moderne formal bereits vorgezeichnet hatte.

Holz ist jetzt ähnlich wie Glas ein höchst innovatives und spannendes Material, das vor allem auch die Umsetzung der Träume einer neuen Architektengeneration erleichtert. Ein Beispiel dafür ist das »bilding« der Kunst- und Architekturschule für Kinder und Jugendliche in Innsbruck. Jenseits des rechten Winkels und jenseits vertikaler/horizontaler Ausrichtung gehen Boden, Wand und Decke fließend ineinander über. Fortgeschrittene Abbundmöglichkeiten des Brettsperrholzes werden genutzt, um die Holzflächen zu einem komplexen Raumkontinuum zu verbinden, das zwar mit fortgeschrittener Software, aber mit überraschend einfachen Mitteln auf der Baustelle realisiert werden kann – im Falle des »bildings« als Wiederkehr des Selbst(holz)baus der 1970er Jahre mit digital-industriellen Mitteln, Autokran und Akkuschrauber.

Foto

©  Günter Richard Wett


verfasst von

Wolfgang Pöschl

lebt und arbeitet als Architekt in Tirol.

Erschienen in

Zuschnitt 60
25 Jahre (pro) Holz

Das Holz mit seinen Qualitäten und Nutzungsmöglichkeiten ist, was uns antreibt – und das seit 25 Jahren. Was hat sich getan im Holzbau? Wie ist es heute um den Wald bestellt? Wir bieten Rück- und Ausblicke.

8,00 €

Zum Produkt   Download

Zuschnitt 60 - 25 Jahre (pro) Holz