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Waldbewirtschaftung in Zeiten des Klimawandels
Was die Fichte für die Industrie, ist die Buche für die Ökologie

erschienen in
Zuschnitt 64 Laubholz, Dezember 2016
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Es heißt, der Klimawandel macht dem Wald schon seit Längerem zu schaffen und ist für die Waldbewirtschaftung eine Herausforderung. Doch woran erkennt man den Klimawandel?

»Einfach gesagt, den Klimawandel kann man im Wald daran erkennen, dass es vermehrt frisch abgestorbene Bäume gibt. Wenn der Toleranzbereich der Bäume in Bezug auf Umwelteinflüsse überschritten ist, dann werden sie von Schädlingen befallen oder sterben direkt ab.« Manfred Lexer, Professor am Institut für Waldbau der Universität für Bodenkultur in Wien, beschäftigt sich mit den Auswirkungen des Klimawandels auf die Waldbewirtschaftung. Diese Veränderungen durch den Klimawandel sind auch für Nichtexperten offensichtlich. Die meisten aber passieren, so Lexer, eher schleichend und sind schwer erkennbar: Bei Stresseinwirkung werden die Jahrringe schmäler, die Benadelungs- und Belaubungsdichte wird geringer – das ist mit bloßem Auge aber in der Regel nicht zu sehen.

Lange Zeit wurden Fichtenwälder aus wirtschaftlichen Gründen forciert, schließlich ist die Fichte der Brotbaum der Holzindustrie. Früher folgten Forstwirte der Bodenreinertragslehre, sie pflanzten bis in die Tieflagen Fichte, um so einen möglichst hohen Ertrag zu erzielen. In der Forstwirtschaft ist man längst zu der Einsicht gekommen, dass, wer sich an die natürlichen Standortansprüche von Baumarten hält, stabilere Wälder bekommt. Gerade tiefer gelegene Regionen wie der Osten und Südosten Österreichs, Täler wie das Klagenfurter Becken und einige inneralpine Becken sind laut Lexer am stärksten von vermehrten Trockenperioden betroffen. Vor allem die Nadelwälder, die dort nicht heimisch sind, sind dann anfällig für Stürme und Borkenkäfer. Lexer kennt zwei Typen von Waldbesitzern, den abwartenden und den proaktiv handelnden. Doch je öfter Waldbesitzer mit Kalamitäten zu tun haben, je höher der Leidensdruck wird, desto eher sind sie bereit, das eigene Bewirtschaftungskonzept zu überdenken.

Günter Kleinszig gehört zu den proaktiven Waldbesitzern: Er besitzt 2,7 Hektar Wald im Bezirk St. Veit an der Glan. Sein Wald liegt auf 450 bis 600 Höhenmetern. In den Jahren 1991 und 1996 brachten ihm Schneebruch und ein intensiver Borkenkäferbefall so viel Schadholz, dass er begann, die Lücken nicht mehr mit Fichten, sondern mit Rotbuche, Eiche, Tanne und Lärche aufzuforsten. Mit diesen für seinen Standort geeigneten Baumarten hoffte er, ein ökologischeres Gleichgewicht zu erzielen und damit einen stabileren Wald zu bekommen. In der -Zwischenzeit ist er davon überzeugt, dass sich die Fichte ganz aus seinen Höhen-lagen zurückziehen wird. Früher bestand sein Wald zu 98 Prozent aus Fichte, heute hat das Laubholz schon einen Anteil von 30 Prozent. Bis die ersten Laubbäume hiebreif sind, also geerntet werden können, werden allerdings noch Jahrzehnte vergehen. Und doch rückt der ökonomische Aspekt zunehmend in sein Blickfeld: »Nun ist der Zeitpunkt gekommen, zu dem ich die ökologischen mit den ökonomischen Belangen in Einklang bringen muss«, sagt Kleinszig, der nun für seinen Betrieb einen Masterplan erstellen wird. Für eine Nachfrage nach seinem Buchenholz hofft er auf die neuen Industrieprodukte wie Buchen-Furnierschichtholz, deren Entwicklung er genau mitverfolgt.

Baumartenverteilung in der DACH-Region

Angebot und Nachfrage

Hohe Preise kann man mit Laubhölzern wie Walnuss, Erle, Kirsche oder Eiche erzielen. Doch die breite Masse an Buche ist kein Wertholz. Martin Pollak ist Leiter des Forstbetriebs Lockenhaus, einer Fürst Esterházy’schen Privatstiftung im Burgenland. Seit mehr als dreißig Jahren baut man hier keine neuen Fichtenpflanzen mehr an, sondern setzt fast ausschließlich auf Naturverjüngung und damit auf die natürlichen Waldgesellschaften und jene Baumarten, die auch ohne Zutun des Menschen hier wachsen würden. »Es ist einfach, im Nadelholz die gefragten Qualitäten zu erreichen, beim Laubholz ist das hingegen aufwendiger«, sagt Pollak.

Die Baumqualität – vor allem der gerade Wuchs und wenige Asteinschlüsse – bestimmen später den Preis: Deshalb ist es wichtig, die richtigen Bäume großzuziehen. Welche das sind, zeigt mir Martin Pollak auf dem Weg durch den Forstbetrieb Lockenhaus: Wir stehen mitten im Wald, um uns herum die gen Himmel aufragenden Buchenstämme. Die eine Buche hat einen sogenannten Chinesenbart – einen dicken Asteinschluss – und ist somit minderwertigere Ware. Die Buche daneben hingegen ist gerade gewachsen und hat über 10 Meter keine Äste, diesen Baum wird man großziehen, erklärt Pollak.

Muss man dafür die Äste händisch entfernen? Entastung ist beim Laubholz durchaus gängig, Pollak aber hält das bei Buchen für viel zu aufwendig und teuer. Er zeigt mir einen extrem dünnen und langen Buchenast. Der Ast war auf der Suche nach Licht, hat sich gereckt und gestreckt und ist, weil er im Schatten der großen Bäume nicht genug Licht bekommen hat, bereits abgestorben und wird bald abfallen. So passiert die Entastung auf natürlichem Weg.

Der Forstbetrieb Lockenhaus hat eine Größe von knapp 5.800 Hektar und – mit derzeit 52 Prozent – einen hohen Laubholzanteil. Er liefert schon seit Jahrzehnten mehr als die Hälfte seines -Buchenholzes als Sägerundholz an die Möbelindustrie. Etwa 35 Prozent gehen an die Faser- und Zellstoffindustrie und nur knapp 10 Prozent werden als Brennholz oder Biomasse (Hackgut) verkauft. An diesen Herbsttagen findet man am Wegesrand Baumstämme in unterschiedlicher Dicke, Länge und Qualität liegen – ganz auf den Kundenwunsch zugeschnitten. Bald wird man dieses Holz dann in Form eines Tisches oder Stuhles oder als Zellulosefasern wiederfinden. Dass in Österreich im Durchschnitt zwei Drittel des jährlich eingeschlagenen Buchenholzes energetisch genutzt werden, kann sich Pollak gar nicht vorstellen. Doch es liegt wohl daran, dass es erstens nicht an allen Standorten in Österreich möglich ist, qualitativ hochwertiges Buchenholz zu erzeugen, dass Buchenholz zweitens aufgrund seines hohen Brennwerts als Brennholz gefragt ist und dass drittens die Forschung nach möglichen alternativen Anwendungen im Vergleich zu Nadelholz noch relativ jung ist.

Holznutzung in Österreich

  • Sägerundholz (63% Nadelholz, 10% Laubholz)
    Holzwerkstoffe (Sperrholz, Span- und Faserplatten, Isolationswerkstoffe, Engineered Wood Products, z. B. Sandwichplatten, Formteile aus Holz)Holzbau, MöbelMassivholzprodukte (Profilholz, Balken, Konstruktionsholz, Massivholzplatten, Brettschichtholz, Brettsperrholz, Parkett, Furnier)
  • Industrieholz (16% Nadelholz, 24% Laubholz)
    Papierzellstoffe (Papiere, Kartone, Pappen)Chemiezellstoffe (Zellulosefaser für Textilien, Nonwoven-Anwendungen)Holzinhaltsstoffe (Harze, Tallöl, Fette, Wachse, Gerbstoffe, Farbstoffe, Aromastoffe, Nahrungsbestandteile wie Essigsäure, Süßstoffe)
  • Energieholz (21% Nadelholz, 66% Laubholz)
    Holzkohle, Pellets, Kraftstoffe, Chemikalien, Wärme, Strom, Holzgas

Stoffliche Nutzung

Die Zahlen in Deutschland und der Schweiz sind ähnlich: »Wir haben die Situation – so wie alle anderen europäischen Länder auch –, dass die bisherigen Märkte für Buchenholz zusehends verschwinden oder stark zurückgehen und die energetische Verwertung scheinbar übrig bleibt«, schreibt Alfred Kammerhofer, Sektionschef des Schweizer Bundesamtes für Umwelt. Er hat an den offiziellen Strategien »Ressourcenpolitik Holz« und »Waldpolitik 2020« der Schweizer Bundesregierung mitgearbeitet. Darin heißt es, dass die Kaskadennutzung zu forcieren ist und in Bezug auf das erhöhte Aufkommen von Laubholz neue Verarbeitungs- und Vermarktungswege gesucht werden müssen. In Deutschland bemüht sich der bundesweite Laubholz-Innovationsverbund ins Leben gerufen von der Initiative Forst und Holz in Bayern – um eine vermehrte stoffliche Verwendung von Laubholz.

Auch Gerhard Mannsberger, Sektionschef der Abteilung Forstwirtschaft im Ministerium für ein lebenswertes Österreich, betont, dass die stoffliche Nutzung von Laubholz zu intensivieren ist: »Durch den Anbau von qualitativ hochwertigen Bäumen und eine intensive Pflege soll der Nutzholzanteil erhöht werden. Dieser Ansatz wird durch ein breites Angebot an Schulung und Beratung für die Waldbesitzer unterstützt. Der andere geht in Richtung Weiterentwicklung der Holzverarbeitung. Durch Forschung und Innovation sollen Holzsortimente, die bisher für stoffliche Verwendungen nicht geeignet waren, ‚nutzholztauglich‘ gemacht werden.«

Auf die Frage, wie die Holzindustrie sich auf das sich ändernde Rohstoffangebot vorbereitet, sagt er: »Es ist davon auszugehen, dass genügend Zeit für eine Anpassung gegeben ist. Seitens der öffentlichen Hand gibt es Unterstützung. Aus Mitteln der Forstsektion werden beispielsweise die Forschungsprogramme ‚Europäische Laubhölzer für den Baubereich‘ und ‚Materialeigenschaften und Nutzungspotential des Götterbaums‘ mitfinanziert.«

Der Götterbaum hat sehr gute Holzeigenschaften, wird jedoch in der Forstwirtschaft kontrovers diskutiert, weil er eine invasive Baumart ist und sich damit konkurrenzstark gegenüber den Baumarten der natürlichen Waldgesellschaften verhält. Mannsberger verweist auf die kürzlich verabschiedete Waldstrategie 2020+, in der es heißt, dass man sich im Rahmen der Naturverjüngung verstärkt an der natürlichen Waldgesellschaft orientieren soll, dass aber bewährte Gastbaumarten wie die Douglasie kein Tabu sind. Um der Nachfrage der Industrie nach Nadelholz gerecht zu werden, wird hierzulande die ausfallende Fichte vor allem durch andere Nadelholzarten wie Lärche, Tanne und Douglasie ersetzt. Auch Rudolf Freidhager, Vorstand der Österreichischen Bundesforste AG, betont: »Die Österreichischen Bundesforste werden diese Fichtenlücken jetzt nicht mit Laubholz aufforsten.« Die Österreichischen Bundesforste bewirtschaften 15 Prozent des österreichischen Waldes und damit Waldgebiete in allen denkbaren Höhenlagen. »Die Kunst des Waldbaus ist es«, so Freidhager, »auf dem jeweiligen Waldstandort so viele ökonomische Baumarten zu haben wie möglich und so viele ökologische wie erforderlich.« Dies sei ein Gleichgewichtsspiel, bei dem mit der zunehmenden Klimaerwärmung das Verhältnis der ökonomischen und der ökologischen Baumarten immer wieder neu austariert werden müsse. Doch auch im Portfolio der Österreichischen Bundesforste findet man zunehmend Laubhölzer, und »wenn wir Laubholz sagen, meinen wir Buche«, bestätigt Freidhager. Er sieht die zukünftige Verwendung des Buchenholzes eher in der chemischen Industrie als im Sägerundholz, weil hierzulande nicht genug Buchen in guter Qualität wachsen: »Wir haben nicht so viele Standorte, die für Buchenwertholz geeignet sind. Deutschland hat mit Sicherheit um zehn Mal größere Flächen als wir, auf denen gute Buchenhölzer stehen.«

Auch wenn keiner die weitere Entwicklung vorhersagen kann, allein eine Klimaerwärmung um 2 °C heißt, dass die Waldgrenze weiter nach oben wandert und der Laubholzanteil weiter ansteigt. Es ist nur die Frage, was wir damit machen.

 

Natürliche Waldgesellschaften in Österreich

Laubholz/Nadelholz; Baumartenverteilung in Europa in %

Foto:

© Benedikt Pollak


verfasst von

Anne Isopp

ist freie Architekturjournalistin, -publizistin und Podcasterin in Wien. Sie war von 2009 bis 2020 Chefredakteurin der Zeitschrift Zuschnitt. In ihrem Architekturpodcast Morgenbau spricht sie mit Menschen aus der Baubranche über nachhaltiges Bauen.

Erschienen in

Zuschnitt 64
Laubholz

Nutzen, was im Wald vermehrt wächst: Mit den Laubbäumen kommen neue konstruktive und ästhetische Möglichkeiten für den Holzbau.

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Zuschnitt 64 - Laubholz