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Swisswoodhouse in Nebikon

erschienen in
Zuschnitt 65 Kreislauf Holz, März 2017

Daten zum Objekt

Standort

Nebikon/CH Google Maps

Architektur

System Bauart Architekten und Planer, Bern/Neuchâtel/Zürich/CH, www.bauart.ch

Statik

Pirmin Jung Schweiz AG, Rain/CH, www.pirminjung.ch

Holzbau

Renggli AG, Sursee/CH, www.renggli-haus.ch

Fertigstellung

2014

Typologie

Wohnbauten

Ökobilanz eines nachhaltigen Musterhauses

Das Swisswoodhouse ist ein nachhaltiges Musterhaus und ein Baukastensystem für den modernen Holzbau. Der Prototyp steht seit zwei Jahren in einer Kleingemeinde am Rande des Schweizer Mittellands; das längliche Wohnhaus hat vier Geschosse, eine großzügige Dachterrasse und wird von 18 Mietparteien bewohnt. Für Erstellung und Betrieb wurden die klimafreundlichsten und ressourcenschonendsten Baumaterialien und Technologien gewählt: Das Gebäude selbst besteht hauptsächlich aus dem nachwachsenden Baustoff Holz. Die Gebäudehülle ist hochwertig gedämmt. Strom und Wärme für den Eigenbedarf werden mit Erdwärme und Sonnenenergie lokal erzeugt.

Konstruktion und Struktur des industriell vorgefertigten Holzbaus sind State of the Art. Innovativ am Swisswoodhouse ist jedoch das einheitliche Raummodul mit einem quadratischen Grundraster von 4,32 x 4,32 Metern. Dieses lässt sich (fast) beliebig nutzen und zu flexibel abtrennbaren, kammerartigen oder offenen Wohnungen erweitern. Das Nutzungsprogramm im kompakten Prototyp ist daher erstaunlich vielfältig und beinhaltet Zweieinhalb- bis Fünfeinhalbzimmerwohnungen.

Stefan Graf von Bauart Architekten über das Swisswoodhouse und die Erforschung von langlebigen Raumstrukturen:

»Für Investoren, die an einer langfristigen Perspektive interessiert sind.«

»Das Swisswoodhouse blickt auf eine zehnjährige Entwurfs- und Entwicklungsgeschichte zurück. Anfänglich war ein nachhaltiges Gebäudekonzept gesucht, das gestalterisch hochwertig und einfach reproduzierbar ist, für die breite Anwendung taugt und zur attraktiven Verdichtung von Agglomerationsräumen beitragen kann. Unabhängig von Standort und Geometrie der Bauparzelle galt es, eine Architekturtypologie zu entwickeln, mit der ein Wohnhaus in allen Lebenszyklus-Phasen flexibel angepasst werden kann. Dabei interessierte man sich weniger für Bautechnik oder Materialökologie als für räumliche, geometrische und nutzungsbezogene Forschungsfragen: Lässt sich ein Gebäudeentwurf derart systematisieren, dass daraus vielfältige Varianten entwickelt werden können? Welcher einheitliche Zuschnittraster erlaubt eine möglichst flexible Raumnutzung? Und welche Flächen- und Ausstattungsstandards braucht es, damit sich möglichst viele Wohninteressenten dafür begeistern können?

Beim nachhaltigen Bauen ist die Auswahl an Baumaterialien und Energietechnologien mitunter eingeschränkt. Die architektonische und räumliche Umsetzung leidet oft darunter und schmälert den bestmöglichen Output in der nutzungsbezogenen sozialen Dimension. Das Swisswoodhouse ist deshalb ein leicht veränderbares Wohnhauskonzept, das entsprechend den jeweiligen Bedürfnissen der Bewohner, vor dem Bau oder im Betrieb, angepasst werden kann. Investoren, die nun das Swisswoodhouse entdecken sollen, müssen sich für die langfristige Perspektive interessieren. Da sich die Baukosten kaum von denjenigen konventioneller Konstruktionsvarianten unterscheiden, darf trotzdem ein realistisches Renditeniveau von über 4 Prozent erwartet werden. Ein weiterer Antrieb der Architekten war, das Swisswoodhouse aus dem gestalterischen Korsett des ‚Klötzli‘ zu befreien. Und nicht zuletzt ist es diesem fachübergreifenden Pilot- und Demonstrationsprojekt zu verdanken, dass der moderne Holzbau inzwischen mit rationellen, schlanken und schnellen Prozessen beeindrucken kann.«

2000-Watt-Gesellschaft: Ressourcenbilanz für Bau, Betrieb und Nutzung

Der ökologische Leistungsausweis des Swisswoodhouse wird unterschiedlich bilanziert: Die Energieeffizienz wurde konventionell nach den Regeln des Schweizer Gebäudelabels Minergie-P zertifiziert. Die graue Energie und die induzierte Mobilität wurden hingegen an den Vorgaben der 2000-Watt-Gesellschaft gemessen. Der Schweizerische Ingenieur- und Architektenverein (SIA) legt im »Effizienzpfad Energie« fest, wie genügsam der Primärenergiebedarf und wie gering der Treibhausgasausstoß eines »2000-Watt-tauglichen« Gebäudes ist. Dazu wird die Energiebilanz im Betrieb, die sich zumeist auf Raumklima, Warmwasser und Beleuchtung bezieht, mit Bedarfswerten für die Erstellung und die nutzerbezogene Mobilität ergänzt. Die verwendeten Baustoffe, der Gebäudestandort und die Erreich-barkeit mit dem öffentlichen Verkehr werden daher für den nachhaltigen Fußabdruck mitgezählt. Als Faustregel für die Gebäudeplanung gilt, dass der Konsum an endlichen Material- und Energieressourcen auf fast ein Zehntel des aktuellen Niveaus zu reduzieren ist. Die 2000-Watt-Bilanzierung wird für Wohnhäuser, Bürobauten und Schulgebäude durchgeführt und ist von Bauherrschaften, Behörden und der Planungs- und Baubranche inzwischen gleichermaßen akzeptiert. Unter anderem wird geschätzt, dass eine umfassende Energiebetrachtung vorgenommen wird und die ökologischen Standards flexibel umsetzbar sind. Dies hat dazu geführt, dass der ökologische Baustoff Holz inzwischen ebenso populär ist wie die Nutzung lokal verfügbarer Energiequellen.

Die 2000-Watt-Gesellschaft wurde Ende des 20. Jahrhunderts von Forschern der ETH Zürich als Vision dafür entworfen, wie ein global gerechter und nachhaltiger Ressourcenverbrauch aussehen könnte. Inzwischen haben sich der Bund, die meisten Schweizer Kantone, aber auch viele Städte entschlossen, die Vorgaben der 2000-Watt-Gesellschaft in energiepolitische Leitlinien zu übersetzen und einen eigenen Absenkpfad für den Energiekonsum in allen Alltagsbereichen zu skizzieren. Auch deutsche und österreichische Städte im Bodenseeraum machen sich inzwischen daran, die 2000-Watt-Ziele mithilfe von regionalen Energie-Sparkampagnen und freiwilligen Bürgerinitiativen umzusetzen. Parallel dazu ist »Bauen für die 2000-Watt-Gesellschaft« zu einem zentralen Motiv für die Gebäude- und Energieforschung in der Schweiz geworden.

Ökobilanz

  • Treibhauspotenzial: 16,4 kg CO2-equiv./m2EBFa
  • Primärenergie, nicht erneuerbar: 270 MJ/m2EBFa
  • Berechnung Ökobilanz: Implenia AG, Dietlikon/CH,www.implenia.com nach folgenden Richtlinien DIN EN ISO 14040 und DIN EN ISO 14045
  • Baudatenbank: www.ecoinvent.org

Gebäudekennwerte

  • Bruttogeschossfläche (BGF): 3.557 m2
  • Energiebedarfsfläche (EBF): 2.525 m2
  • Heizwärmebedarf: 13,1 kWh/m2EBFa
  • Stromerzeugung: Photovoltaikanlage, Liefervertrag für 100 % zertifizierte Wasserkraft

Konstruktion

  • Außenwand: Holzrahmenkonstruktion mit 28 cm Mineralwolldämmung und außen liegender Holzschalung
  • Wandstärke: 40,6 cm
  • U-Wert: 0,15 W/m2K
  • Dach: Holzrahmendecke mit Rippen und 14 cm Polyurethan-Wärmedämmung, Bitumenabdichtung, Extensivbegrünung
  • Dachaufbau: 54 cm
  • U-Wert: 0,10 W/m2K

verfasst von

Paul Knüsel

diplomierter Umweltnaturwissenschaftler ETH, Wissenschafts- und Fachjournalist, seit über zehn Jahren freie publizistische und journalistische Tätigkeit mit Themenschwerpunkt »Nachhaltiges Bauen«

Erschienen in

Zuschnitt 65
Kreislauf Holz

Bauen mit Holz trägt zu Klimaentlastung und Ressourcenschonung bei. Wie die Umweltwirkung von Gebäuden genau beurteilt werden kann, beleuchtet diese Ausgabe des Fachmagazins Zuschnitt.

8,00 €

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Zuschnitt 65 - Kreislauf Holz