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Aufstockung rauti-huus in Zürich

erschienen in
Zuschnitt 66 Dichter in Holz, Juni 2017

Daten zum Objekt

Standort

Zürich/CH Google Maps

Bauherr:in

Zurimo „b“ Immobilien/UBS Fund Management AG, Basel/CH, www.ubs.com

Architektur

spillmann echsle architekten, Zürich/CH, www.spillmannechsle.ch

Statik

Timbatec Holzbauingenieure Schweiz AG, Zürich/CH, www.timbatec.comHolzbau Zehnder Holz und Bau AG, Winterthur/CH, www.zehnder-holz.ch

Fertigstellung

2015

Typologie

Wohnbauten

Aus zwei mach drei

Nachdem der postindustrielle Strukturwandel in Zürich-West weit vorangeschritten ist, nimmt der Entwicklungsdruck auch im jenseits der Bahnlinie und weiter vom Zentrum gelegenen Stadtteil Albisrieden zu; Beleg hierfür ist beispielsweise die gerade ­abgeschlossene Transformation des früheren Zollfreilagers in ein Quartier mit tausend Wohnungen. Unweit des Freilagers steht das rauti-huus, das 1948 errichtet und 1952 sowie 1960 aufgestockt wurde. Ursprünglich als Fabrikationsgebäude für die ­Lüftungsfirma luwa genutzt, diente es bis vor kurzem als Bürogebäude mit einem biomedizinischen Labor als Hauptmieter. ­Allerdings füllte der unspektakuläre Bestandsbau mit seinen vier Vollgeschossen und der zurückgesetzten Attika das zulässige Gesamtvolumen nicht aus. Daher entschied sich der Eigentümer, ein Immobilienfonds der ubs, für eine bauliche Ergänzung in Form einer Aufstockung, die vom Zürcher Architekturbüro spillmann echsle realisiert wurde. Einfach ein Geschoss hinzuzufügen, ­erwies sich indes als nicht möglich: Dafür war der Bestand nicht belastbar genug. Die schwache Bausubstanz, die noch aus den von Mangelwirtschaft geprägten Nachkriegsjahren stammte, vereitelte aber auch das Abtragen der Attika und eine anschließende Aufmauerung um zwei Geschosse.

So kam es zu dem ­Konzept, auch das dritte Obergeschoss abzutragen und auf dem solchermaßen reduzierten Bestandsgebäude eine dreigeschossige leichte Holzkonstruktion aus präfabrizierten Elementen zu platzieren. Diese, so ergaben Berechnungen zur vorhandenen Tragkonstruktion sowie Analysen von Materialproben, konnte vom existierenden Tragwerk »verkraftet« werden. Allerdings bedurfte es dafür einiger technischer Kunstgriffe. Der bestehende Unterzug auf Höhe des dritten Obergeschosses in der Mitte des 60 Meter langen Gebäudes leitet die Hauptlast der Aufstockung in die 70 cm starken Betonstützen ab. Doch er musste mit Glasfaserarmierungen ummantelt und aufbetoniert werden. Ein Abfangrost aus Stahlträgern ist zwischen dem Unterzug und den Fassadenstützen aufgespannt. Aufgrund ihres geringen Querschnitts waren Letztere nur bedingt belastbar; daher ruhen die Träger auf Gummilagern, sodass die Kräfte möglichst gleichmäßig auf die Fassadenstützen verteilt werden.

Für den Holzbau sprachen nicht nur das geringe Gewicht, sondern auch die kurze Bauzeit aufgrund des hohen Grads an Vorfertigung. Die Aufstockung wurde bei laufendem Betrieb in den Geschossen darunter realisiert. Der dreigeschossige Aufbau, dessen untere Ebene sich hinter der wiederaufgemauerten Fassade verbirgt und daher von außen nicht erkennbar ist, umfasst 17 Wohnun­gen mit Flächen von 94 bis 140 m2. Sämtliche Wohnungen sind als Maisonetten konzipiert und werden vom Korridor im vierten Obergeschoss aus erschlossen. Dieser erfüllt die Funktion einer rue intérieure in einer Unité d’Habitation von Le Corbusier: Man betritt hier die Wohnküche und geht dann über eine private Treppe seitlich versetzt hinauf oder hinunter zu den übrigen Räumen; auf dieser Ebene erstrecken sich die Wohnungen über die gesamte Gebäudetiefe, besitzen also Fenster Richtung Nordosten und Südwesten. Innen ist die Holzkonstruktion mit Gipskartonplatten ausgekleidet, außen mit Faserzementplatten versehen – dies aus Brandschutzgründen, aber auch, um die Materialität dem muralen Charakter des Altbaus anzupassen und beide Teile trotz formal unterschiedlicher Gestaltung optisch zu homogenisieren. So bleibt die Tatsache, dass es sich um einen Holzbau handelt, nur an den Treppen im Inneren der Wohnungen ablesbar.


verfasst von

Hubertus Adam

ist freier Architekturkritiker, Architekturhistoriker und Kurator. Nach Jahren als Redakteur für Bauwelt in Berlin und archithese in Zürich leitete er von 2010 bis 2015 das S AM Schweizerisches Architekturmuseum in Basel. Er veröffentlichte zahlreiche Bücher und ist für diverse Medien im In- und Ausland tätig.

Erschienen in

Zuschnitt 66
Dichter in Holz

Wo mit Holz nachverdichtet wird, entsteht Qualität, werden Ressourcen geschont, wird präzise und effizient gebaut.

8,00 €

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Zuschnitt 66 - Dichter in Holz