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Studentenwohnheim in Hamburg

erschienen in
Zuschnitt 67 Raumstapel, September 2017

Daten zum Objekt

Standort

Hamburg/DE Google Maps

Bauherr:in

Primus Developments, Hamburg/De, www.primus-developments.de

Architektur

Sauerbruch Hutton, Berlin/DE, www.sauerbruchhutton.de

Statik

Merz Kley Partner, Dornbirn/AT, www.mkp-ing.com

Holzbau

Kaufmann Bausysteme GmbH, Reuthe/AT, www.kaufmannbausysteme.at

Fertigstellung

2017

Typologie

Wohnbauten

Am laufenden Band

Das neue Studentenwohnheim im Hamburger Stadtteil Wilhelmsburg nennt sich Woodie. Auf einer Sockelkonstruktion aus Stahlbeton sind 371 Mini-Apartments aus Vollholz zu einem sechsgeschossigen Wohnhaus übereinandergestapelt. Die Treppenhäuser steifen die Konstruktion als Stahlbeton-Kerne aus. Zusätzlich ist jedes einzelne Raummodul mit der Tragstruktur verankert, um auch dem stärksten Wind standzuhalten. Ganze 100 Meter lang ist das Wohnheim.

Entworfen wurde es vom Berliner Architekturbüro Sauerbruch Hutton, ebenso wie das benachbarte Behördengebäude. Die Architekten entwickelten den Grundriss und die Möbel der Studentenzimmer bis ins kleinste Detail, optimierten gemeinsam mit dem Hersteller Kaufmann Bausysteme die Ausführungspläne innerhalb von knapp zwei Monaten und überprüften sie dann in einem Mustermodul. Die Außenmaße betragen 6,8 mal 3,3 Meter. Die Bauherren wollten mit Holz arbeiten, weil es sich sehr gut für den seriellen Raummodulbau eignet und weil sie die ökologischen und bautechnischen Eigenschaften in Kombination mit dem angenehmen Raumgefühl, das Holz vermittelt, überzeugen.

Das Besondere an Woodie ist die industrielle Vorfertigung: Auf einer komplett automatischen Förderanlage werden täglich rund vier Raummodule gefertigt. Die Gewerke arbeiten sauber nacheinander an einer Fertigungsstraße, wie man sie vom Autobau kennt. Vom ersten Zusammenbau der Rohkonstruktion bis zur fertigen Wohnung sind es 17 Stationen. Möglichst viel im Werk bauen und möglichst wenig auf der Baustelle – das ist der Kerngedanke. Und so werden 80 Prozent des Gebäudes in Österreich gefertigt und per Tieflader angeliefert. Nur rund 20 Prozent werden vor Ort auf der Baustelle hergestellt. Das Stapeln der fertigen Raummodule geht äußerst schnell. Daher reduziert sich die Bauzeit um die Hälfte. Begonnen wurde der Bau im Dezember 2016, fertig wird er im September 2017. Die reinen Baukosten sind allerdings um rund 15 Prozent höher als bei der konventionellen Bauweise.

Ab Oktober können die ersten Bewohner einziehen. Städtebaulich fügt sich das Gebäude sehr gut ein, die Ausführung der Raummodule hat ein hohes Niveau. Befremdlich aber sind die auf ein Minimum reduzierten und identischen Apartments. Die effektive Herstellung führt zum effektiven Wohnen. Hier findet das Leben moderner Studenten statt: Sie studieren in Modulen und leben in Modulen.

Matthias Sauerbruch von Sauerbruch Hutton über das Bauen mit Raummodulen aus Holz und das Studentenwohnheim Woodie

Woher stammt die Idee, Raummodule aus Holz zu bauen?

Holz versuchen wir immer wieder einzusetzen. Es ist unschlagbar gut als Baumaterial, weil es mehr CO2 bindet, als es freigibt. Ich war einmal mit meinen Studierenden bei Kaufmann Bausysteme vor Ort im Werk, und da haben wir ein ähnliches Projekt gesehen. Aufgrund des zellulären Grundrisses beim Woodie, das ganz und gar aus Ein-Zimmer-Apartments aufgebaut ist, drängte es sich dann mehr oder weniger auf, mit solchen Modulen zu bauen.

Worin liegt der besondere Reiz beim modularen Bauen?

Dieser Modulbau ist fabrikationstechnisch noch fortschrittlicher, effizienter, schneller als System-Holzbau. Die Fertigungsstraße als Methode der Herstellung ist ein interessanter Gedanke. Sagen wir so: Während die Industrie über »Industrie 4.0« nachdenkt, ist die Architektur allmählich bei der »Industrie 2.0« angekommen.

Wie gestaltet sich der Planungsprozess?

Kaufmann Bausysteme hat einen Prototypen für uns gebaut, an dem wir alles entschieden haben. Da beim Modulbau alles bis ins letzte Detail durchdacht werden muss, bevor mit der Produktion begonnen wird, hat sich die Planungszeit gegenüber anderen Bauweisen verlängert. Der Aufwand, im Nachhinein noch Änderungen vorzunehmen, wäre gigantisch.

Können Sie sich vorstellen, diese Bauweise in Zukunft weiterzuverfolgen?

Ja. Das Modulare passt aber nur für bestimmte Aufgaben. Deswegen sollte man es sich offenhalten, auch über Systembau nachzudenken, der nicht auf die strenge Wiederholung ausgelegt ist.


verfasst von

Kerstin Kuhnekath

geboren 1977, Tischlerlehre in Düsseldorf, Architekturstudium in Köln und Valencia, ein Jahr freie Autorin in Berlin, u. a. für Bauwelt und Baunetz, mehrere Jahre im PR- und Marketingbereich für Architekturbüros. Sie arbeitet als freie Autorin und Beraterin in Berlin.

Erschienen in

Zuschnitt 67
Raumstapel

So baut man heute: Komplett vor­ gefertigte Räume aus Holz werden zu Häusern aufgestapelt. Das geht schnell bei garantiert hoher Ausführungsqualität.

8,00 €

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Zuschnitt 67 - Raumstapel

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