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Der Container
Eine kurze Geschichte

erschienen in
Zuschnitt 67 Raumstapel, September 2017

Was machte den Warenbehälter Container zum Wohn- und Bürobau? Parallel zur Entwicklung des Frachtcontainers in den 1930er Jahren kam in den USA die Idee der Raumzelle auf. Die Vorstellung von einer individuellen, unabhängigen Erholung mit den aerodynamischen »trailer coaches« fand in den USA in den späten 1920er und den 1930er Jahren unter den aufbruchbereiten Amerikanern viel Zuspruch. Doch schon die Große Depression machte die Hälfte aller gekauften Wohnwagen zur permanenten Behausung für Arbeitslose.

Auch das Weimarer Bauhaus setzte mit seiner »Wohnmaschinen«-Idee entwurfsgeschichtlich eine wichtige Wegmarke für die Entwicklung der Raumzellenbauweise. Walter Gropius zielte mit der Typisierung von Einzelraumkörpern bereits 1923 auf eine größtmögliche Variabilität der Grundrisse. Doch da Wabenbau versuchsweise in Beton realisiert wurde, blieb das unrentabel, bevorzugt wurden bald Paneele aus Holz oder Metall.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war man in Industriestaaten wie der Sowjetunion, Schweden oder Japan ebenfalls bemüht, Raumzellen industriell in Serie zu produzieren. Seit den frühen 1950er Jahren experimentierten Ingenieure in der Sowjetunion und anderen sozialistischen Ländern mit der Raumzellenbauweise für den Massenwohnungsbau. Als Alternative zum Großplattenbau konnten sich Raumzellen jedoch nicht durchsetzen, weil die Module für den Transport zu schwer waren und ihre Einrichtung auf dem Weg zur Baustelle oft beschädigt oder gestohlen wurde. Erst die seit den 1970er Jahren greifende Praxis, nach dem Modell der genormten Seefrachtcontainer auch stahlgerahmte transportable Wohn- und Bürozellen herzustellen, beflügelte die Entwicklung von Raumzellengebäuden erneut.

Seit den 1970er Jahren verdrängten Container viele andere temporäre und provisorische Gebäudeformen. Auch Baracken werden inzwischen kaum noch produziert. Dabei sind viele wichtige mittelständische Unternehmen, die heute in Deutschland Wohn-, Büro- und Lagercontainer produzieren und zur Miete anbieten, aus Holzbaufirmen hervorgegangen. Die Säbu Holzbau GmbH zum Beispiel, eine Unternehmensgruppe für Raumsysteme, hat ihre Ursprünge im 1924 gegründeten Sägewerk Buchen im Bergischen Land. Die Produktpalette wurde um Baracken für die seit 1955 angeworbenen »Gastarbeiter« und Ende der 1950er Jahre um Bauwagen mit Holzaufbau ergänzt. Ganz ähnlich verlief die Entwicklung der Firma Kleusberg. Die 1948 gegründete Bau- und Möbelschreinerei hatte zunächst Baracken hergestellt und sich in den 1950er Jahren auf Wohnwagen spezialisiert. Hauptabnehmer waren Bauunternehmen und Schausteller. Es war die Zeit, in der der standardisierte Seefrachtcontainer das Transportwesen grundsätzlich veränderte. Auch Kleusberg und Säbu stellten seit Anfang der 1970er Jahre ISO-Container als Raumzellen her, anfangs vor allem für Baustellen: zunächst als Materialcontainer zur Lagerung von Werkzeugen und Maschinen, bald aber auch als Unterkunft und Büromodul.

Der gegenwärtige Systembau ist bemüht, jede Assoziation zum »billigen Container« durch camouflierende Verblendung, Putzanstriche und raffiniertere Innenausstattung zu vermeiden. Der »Systembau« verbesserte nicht nur die Oberflächenwirkung, sondern optimierte auch das Innenleben. Flexibel, mobil und langlebig lautet das Versprechen wie einst bei der Baracke. In Zeiten von Krisen, Krieg und Eventkultur erlaubt solche »Architektur ohne Eigenschaft« je nach Ausrüstung multifunktionale Nutzung: als Asyl für Flüchtlinge oder Krankenhaus, Kaserne oder Kindergarten, Schule, Studentenwohnheim oder Bürogebäude.

Seit einigen Jahren setzt die Modulbau-Branche wieder verstärkt auf Holz. Schneller Aufbau, passgenaue Lösungen und gutes Preis-Leistungs-Verhältnis sind relativ bekannte Argumente für industrielle Vorfertigung, dazu kommt ökologische Nachhaltigkeit. Der Naturbaustoff macht das Versprechen von Gemütlichkeit und Heimatgefühlen auch plausibler als bei der Bewerbung von Blechkisten. Politisch bleibt dennoch die Frage zu stellen, ob Bewohner beim Einzug eine Alternative hatten und welche Erfahrungen Menschen mit dem Leben und Arbeiten in Raumzellen machen.


verfasst von

Axel Doßmann

geboren 1968, Historiker, Akademischer Rat am Lehrstuhl für Geschichte in Medien und Öffentlichkeit an der Universität Jena

Erschienen in

Zuschnitt 67
Raumstapel

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8,00 €

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Zuschnitt 67 - Raumstapel