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Fragen an die Hersteller
Welche Zukunft hat das Bauen mit Raummodulen?

erschienen in
Zuschnitt 67 Raumstapel, September 2017

Wir haben mit den Geschäftsführern von fünf Holzbauunternehmen, die Raummodule aus Holzherstellen, gesprochen und sie nach den Gründen für die steigende Nachfrage nach Raummodulen aus Holz gefragt, nach den wirtschaftlichen und architektonischen Parametern und den Zukunftschancen dieser Bauweise. Die Hersteller kommen aus Italien, Deutschland, Österreich und der Schweiz. Bei jedem Interviewpartner verweisen wir exemplarisch auf ein von seiner Firma errichtetes Holzgebäude aus Raummodulen.

Seit wann und in welchem Ausmaß produziert Ihre Firma Raummodule?

Wir haben die WB Factory 2014 gegründet, nachdem ein multinationaler Konzern auf der Suche nach jemandem war, der seine Ideen ingenieurstechnisch umsetzen konnte. In der neuen Produktionsstätte arbeiten heute 200 Menschen.

Nach welchen Kriterien haben Sie den Standort für Ihre Modulfabrik gewählt?

Der Konzern, mit dem wir die WB Factory gegründet haben, wollte zu Beginn keine Produktionsstätten in Italien haben, wegen der hohen Arbeitskosten im Vergleich zu anderen europäischen Ländern. Unsere ingenieurstechnischen Fähigkeiten haben ihn überzeugt, doch in Italien zu investieren.

Was genau produziert die WB Factory?

Die WB Factory produziert alle konstruktiven Elemente für die Moxy Hotels in Europa. Wir garantieren Qualität bei reduzierten Produktionszeiten. Nachdem sich die Standorte der Hotels über verschiedene europäische Länder verteilen, werden die Raummodule an die jeweiligen normativen Vorgaben angepasst, architektonisch, strukturell sowie bei der Haustechnik. Die serielle Produktionsphase ist also an eine integrierte Planung gekoppelt.

Woraus setzt sich das Raummodul, das bei Ihnen produziert wird, zusammen?

Jedes einzelne dreidimensionale Modul, das wir im Werk herstellen, ist aus Brettsperrholz. Ein Modul, die sogenannte Wet Box, beinhaltet zwei Bäder, zwei Eingangszonen sowie einen Versorgungsstrang für immer zwei Zimmer. Die Innenausstattung der Box ist vollständig im Werk fertiggestellt, von den Oberflächen und Sanitäreinrichtungen bis zur Beleuchtung.

Wie viele dreidimensionale Module werden in der Fabrik produziert?

Die Jahresproduktion beträgt ca. 3.000 Zimmerausstattungen. Alle acht Stunden werden acht Zimmer bestückt.

Warum erlebt der Raummodulbau derzeit eine so große Nachfrage?

Das industrialisierte Bauen kann heutzutage mit Erfolg jede Vorgabe der Architektur, auch solche auf höchstem Niveau erfüllen. Die Frage, ob der fertige Bau Monotonie und Serialität ausstrahlt oder die Vielfalt und Freiheit in der Anwendung von vorfabrizierten Modulen aufweist, hängt allein von der Fähigkeit des Planers ab.

Moxy Hotels

Die WB Factory bei Brescia produziert für die Budgetlinie der Marriott Hotels, die Moxy Hotels, alle Decken und Wände in Elementbauweise sowie die Bäder. Diese Badmodule werden als vorgefertigte Raumeinheiten aus Brettsperrholz errichtet, komplett vorgefertigt und dann zur Baustelle transportiert. www.woodbeton.it

 

Warum erlebt die Raummodulbauweise derzeit eine so große Nachfrage?

Eine Vorfertigung im Werk gewährleistet neben linearen Produktionsprozessen und optimalen Qualitätskontrollen vor allem kürzere Bauzeiten.

Was muss der Architekt bei der Planung beachten?

Die architektonische Individualität darf unter der seriellen Fertigung nicht leiden, deshalb ist der Modulbau eine interdisziplinäre Aufgabe. Dabei sollten Architekt und Modulbauer frühzeitig gemeinsam im Team agieren.

Vor welche Herausforderung stellt die Modulbauweise Sie als Unternehmer?

Die oftmals in der Praxis angewendete baubegleitende Planung bei bereits begonnenen Baustellen ist beim Modulbau nicht möglich. Hier muss der Planungsprozess abgeschlossen sein, um den Gesamtprozess nicht zu gefährden. Das steht im Übrigen mit dem BIM-Gedanken im Einklang.

Welche Parameter bestimmen die Kosten eines Raummoduls? Ab welcher Stückzahl ist so eine Produktion wirtschaftlich?

Die kundenspezifischen Anforderungen entscheiden über die Wirtschaftlichkeit des Moduls, wir produzieren ab Losgröße eins. Bei einer hohen Wiederholung ist zudem der geringere Planungsaufwand entscheidend. Eine losgelöste vorkonfektionierte Nasszelle oder dergleichen ist nur der nächste Schritt der Industrialisierung, die in der Baubranche Einzug hält.

Welche weitere Entwicklung erwarten Sie im Bereich des Raummodulbaus für Ihre Firma bzw. generell?

Der Modulbau trifft den aktuellen Zeitgeist und wird deshalb einen hohen Marktanteil erreichen. Die Optimierung der Zeit, Qualität, Flexibilität und Produktionskosten sind Erfolgsfaktoren, die beim Modulbau zum Tragen kommen. Die Industrialisierung hält in der gesamten Baubranche Einzug und es wird sich zeigen, wie wandelbar die einzelnen Bauweisen sind.

 

Hotel Jakarta in Amsterdam

Für das 4-Sterne-Hotel mit 200 Zimmern konnte durch die Vorfertigung in der Fabrik das geforderte hohe Qualitätsniveau eingehalten werden bei zugleich kurzer Bauzeit. Die Raummodule aus Holz wurden inklusive Nasszellen und Balkon geliefert, der Rohbau stand in nur drei Wochen.

 

Warum erlebt die Raummodulbauweise derzeit eine so große Nachfrage?

Der moderne Modulbau ist eine effiziente und schnelle Bauweise, dauerhaft, komfortabel, wirtschaftlich und mobil. Dies bedeutet ein Höchstmaß an Flexibilität. Dies alles sind Gründe für die große Nachfrage. Natürlich wird der Markt auch durch äußere Einflüsse bestimmt, wie schnelles Bevölkerungswachstum oder die Flüchtlingswelle.

Was muss der Architekt bei der Planung beachten?

Meist dient ein gewisses Raster – eine Wiederholung und Standardmaße in Raumhöhe und Zellenbreite – als Planungsgrundlage. Zu beachten ist ebenfalls, dass in mehrgeschossigen Modulbauten jeweils zweischichtig ausgeführte Boden-Decken-Konstruktionen entstehen.

Vor welche Herausforderung stellt die Modulbauweise Sie als Unternehmer?

Eine Herausforderung ist der Platzbedarf für die Produktion. Denn die komplette Vorfertigung der Raumzellen heißt, dass auch alle Subunternehmer ihre Arbeiten unter unserem Dach erbringen. Eine weitere Herausforderung sind innovative Finanzierungsangebote wie Mietlösungen der Modulbauten für unsere Kunden. Dies bedeutet einen hohen Kapitalbedarf für uns.

Welche Parameter bestimmen die Kosten eines Raummoduls? Ab welcher Stückzahl ist so eine Produktion wirtschaftlich?

Die Wirtschaftlichkeit ist dann gegeben, wenn sich der Kunde für eine gewisse Standardlösung in Breite und Höhe entscheidet. Damit kann Planungs- und Fertigungsaufwand optimiert werden. Die Stückzahl ist aufgrund unserer modernen Produktionsanlagen und Prozesse nicht entscheidend. Vielmehr bestimmen Ausbaustandard und allenfalls die Geschossigkeit den Preis.

Welche weitere Entwicklung erwarten Sie im Bereich des Raummodulbaus für Ihre Firma bzw. generell?

Im Moment ist der Modulbau sehr gefragt und die Tendenz geht ganz klar in Richtung intelligente Vorfertigung im Werk. Übergeordnete Themen sind Rationalisierung, Automatisierung und Effizienzsteigerung im Bauwesen. In Kombination mit der kurzen Bauzeit auf der Baustelle sind Modulbauten eine gute Lösung, es wird jedoch auch weitere Entwicklungen geben.

 

Hotel Säntispark in der Ostschweiz

Die Erweiterung des Hotel Säntispark ist ein Holzbau in Elementbauweise mit vorgefertigten Badmodulen. Diese wurden in der Halle schon mit allen Installationen inklusive Spülkasten versehen. Die Bauzeit betrug dadurch nur acht Monate.

 

Warum erlebt der Raummodulbau derzeit eine so große Nachfrage?

Aufgrund der hervorragenden Bauqualität sowie der sehr kurzen Bauzeit steigt die Nachfrage. Ebenso großen Einfluss haben die verschiedenen Anwendungsbereiche sowie die gelungenen Referenzen – auch im mehrgeschossigen Bau.

Was muss der Architekt bei der Planung beachten?

Planung und Logistik entscheiden über Erfolg oder Misserfolg bei Modulbauten. Bei der Architektur muss darauf geachtet werden, dass das Raster einheitlich gehalten und auch der serielle Gedanke des Bauens von Anfang an berücksichtigt wird. Nur dann ist eine wirtschaftliche Fertigung möglich. Ein Paradebeispiel hierfür ist das Studentenwohnheim Woodie, geplant von Sauerbruch Hutton.

Vor welche Herausforderung stellt die Raummodulbauweise Sie als Unternehmer?

Ich gehe davon aus, dass die Nachfrage bei der Modulbauweise kurz- und mittelfristig stark steigt. Die Herausforderungen liegen primär in der Schaffung der Kapazitäten in der Fertigung und vor allem im Bereich Projektmanagement. Die Abwicklung solcher Projekte als Generalunternehmer wird vom Kunden künftig gefordert.

Welche Parameter bestimmen die Kosten eines Raummoduls? Ab welcher Stückzahl ist so eine Produktion wirtschaftlich?

Grundsätzlich ist die Konstruktion immer ident. Im Bereich der technischen Gebäudeausrüstung sowie der Ausstattung definieren sich die Unterschiede. Transportkosten haben auch einen Anteil – daher ist es wichtig, am Beginn der Planung die richtigen Parameter zu fixieren. Eine wirtschaftliche Fertigung ist aus meiner Sicht ab circa vierzig Modulen gegeben.

Welche weitere Entwicklung erwarten Sie im Bereich des Raummodulbaus für Ihre Firma bzw. generell?

Hotels, Seniorenwohnheime, Schulen, Studentenheime, Kitas et cetera haben wir bereits erfolgreich mit Modulen gebaut. Nun gilt es, sinnvolle Konzepte für den Wohnungsbau zu entwickeln. Mit dem Projekt Wohnen 500 haben wir erste Ansätze und Projekte realisiert. Der Wohnungsbau eröffnet neue Möglichkeiten und birgt eine große Chance.

 

Wohnen 500 in Mäder/Vorarlberg

Insgesamt zwanzig Wohnungen zu 65 m2 befinden sich in den zwei Wohnbauten. Jede Wohnung setzt sich aus drei Raummodulen zusammen. Die Anlage ist ein gelungener Beweis, dass mit dieser Bauweise schnell und kostengünstig Wohnbau mit hohem Qualitätsstandard errichtet werden kann.

 

Warum erlebt der Raummodulbau derzeit eine so große Nachfrage?

Die mit dem Thema Flüchtlingsunterkünfte verbundene Ansicht, mit Raummodulen kostengünstiger bauen zu können, hat einen Schub bewirkt. Zum anderen stellen wir in unserem Haus fest, dass Gebäude, die den Standort wechseln können, vermehrt nachgefragt werden.

Was muss der Architekt bei der Planung beachten?

Es gibt verschiedene Hersteller, deren »Boxen« für jeweils unterschiedliche Einsatzzwecke optimal geeignet sind. Aus unserer Sicht ist es daher sinnvoll, jenes Konzept zu wählen, welches den Anforderungen am besten entspricht, und dieses dann gemeinsam zu optimieren, um wirtschaftliche Lösungen zu erhalten und die Vorteile der Standardisierung nutzen zu können.

Vor welche Herausforderung stellt die Raummodulbauweise Sie als Unternehmer?

Im Vergleich zu konventionell vorgefertigten Holzbauten sind die wesentlichen Herausforderungen: der große Platzbedarf in Produktion und Lagerung, die Logistik und der Schallschutz.

Welche Parameter bestimmen die Kosten eines Raummoduls? Ab welcher Stückzahl ist so eine Produktion wirtschaftlich?

Eine größere Anzahl gleicher Boxen mit einer vorgefertigten Ausstattung dient der Wirtschaftlichkeit. Die Wirtschaftlichkeit eines Raummoduls kann jedoch auch ganz anderen Kriterien folgen: Wenn ganze Gebäude oder Teile übersiedelt werden, hat die Stadt minimierte stranded investments und eine maximale Wirtschaftlichkeit. Diese Idee ist jedoch noch nicht in vielen Köpfen präsent.

Welche weitere Entwicklung erwarten Sie im Bereich des Raummodulbaus für Ihre Firma bzw. generell?

Derzeit sind die klassischen Einsatzbereiche vor allem Hotels, mobile und temporäre Bauten. Wenn es gelingt, die Boxenbauweise auch in Bezug auf die Kosten im mehrgeschossigen Wohnbau zu etablieren, dann könnte sie aus der derzeitigen Nische heraustreten und in die Breite wachsen.

 

Studentenwohnheim in der Seestadt Aspern in Wien

Zwei Wohnhäuser für Studenten dürfen für fünf Jahre dieses Grundstück in der Seestadt Aspern in Wien zwischennutzen, dann werden sie versetzt. Sie bestehen aus zehn beziehungsweise zwölf Raummodulen in Holzrahmenbauweise.

 


verfasst von

Anne Isopp

ist freie Architekturjournalistin, -publizistin und Podcasterin in Wien. Sie war von 2009 bis 2020 Chefredakteurin der Zeitschrift Zuschnitt. In ihrem Architekturpodcast Morgenbau spricht sie mit Menschen aus der Baubranche über nachhaltiges Bauen.

Erschienen in

Zuschnitt 67
Raumstapel

So baut man heute: Komplett vor­ gefertigte Räume aus Holz werden zu Häusern aufgestapelt. Das geht schnell bei garantiert hoher Ausführungsqualität.

8,00 €

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Zuschnitt 67 - Raumstapel

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