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Gästezimmer in St. Gerold

erschienen in
Zuschnitt 74 Im Innenraum, Juni 2019

Daten zum Objekt

Standort

St. Gerold/AT Google Maps

Bauherr:in

Kloster Einsiedeln, Einsiedeln/CH, www.kloster-einsiedeln.ch

Architektur

Hermann Kaufmann+Partner zt GmbH, Schwarzach/AT, www.hkarchitekten.at

Statik

Merz Kley Partner, Dornbirn/AT, www.mkp-ing.comM+G Ingenieure, Feldkirch/AT, www.m-g.at

Holzbau

Kaspar Greber Holz- und Wohnbau GmbH, Bezau/AT, www.kaspargreber.at

Innenausbau (Giebelzimmer)

Burtscher Böden GmbH, Nüziders/AT, www.burtscherboeden.at (Boden), René Bechtold, Weiler/AT, www.rene-bechtold.at (Wände), Gottlieb Kaufmann Massivholz Tischlerei, Blons/AT, www.kaufmann-massivholz.at (Möbel)

Boden, Wand, Decke

Esche, Massivholz, sägerau

Fertigstellung

2017

Typologie

Innengestaltung

»Ein sägerauer Boden ist eine Bereicherung für die Sinne«

Die zum Benediktinerkloster Einsiedeln gehörende Propstei St. Gerold im Großen Walsertal in Vorarlberg kann auf eine fast tausendjährige Geschichte zurückblicken. Die historische Bausubstanz der Anlage wurde in unterschiedlichen Epochen und Stilen mehrfach erweitert und umgebaut, zuletzt in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Seit mehreren Jahrzehnten ist die Propstei ein beliebter Ort der Einkehr und eine offene Begegnungsstätte mit Bildungs- und Kulturzentrum, Herberge und Bio-Landwirtschaft. All diese Angebote bilden das betriebswirtschaftliche Fundament der Propstei. Um den Betrieb der über Jahrhunderte gewachsenen Anlage zu sichern, wurden umfassende Sanierungsmaßnahmen notwendig. In mehreren Etappen wird die Anlage nun nach Plänen von Hermann Kaufmann Architekten durch zeitgemäße wie zeitlose architektonische Eingriffe mit großem Respekt vor dem baulichen Erbe einfühlsam und unaufdringlich saniert. Schlichtheit und klare Linien kennzeichnen die bereits vollendeten Sanierungsschritte. Die hohe Wertigkeit sowohl bei der Materialwahl als auch bei der baulichen wie handwerklichen Umsetzung schafft eine langlebige und dadurch nachhaltige Architektur.

Im Zentrum der im Herbst 2015 abgeschlossenen ersten Etappe stand die Erneuerung und Zentralisierung der Gastronomie. Gäste werden nun in der ehemaligen Remise und dem einstigen Stallgebäude (heute Geroldstube) bewirtet. Die im Frühjahr 2017 fertiggestellte zweite Sanierungsetappe fokussierte auf die Adaptierung des Herbergstrakts an heutige Bedürfnisse. Dabei wurden neun bestehende Gästezimmer saniert und sechs neue Einzel- und Doppelzimmer im Dachgeschoss errichtet. Im Bereich des ehemaligen Klosterkellers wurden zudem neue Seminar-, Gruppen- und Aufenthaltsräume geschaffen.

Das Materialkonzept des Innenausbaus ist sehr schlicht und zurückhaltend auf wenige Materialien und Farben reduziert. Holz als natürliches, regionales Material mit seinen hervorragenden raumatmosphärischen Eigenschaften gelangt vielfältig zum Einsatz. Eindrucksvolle, 9 Meter lange, weitgehend astfreie Fichtendielen dienen als Boden der Geroldstube. Das Holz dafür stammt aus einem Waldstück, das die ETH Zürich als Lehr- und Forschungswald genutzt hatte. Fichtenlamellen bilden in den Speiseräumen eine schlichte Akustikdecke mit integrierter Beleuchtung und Lüftung. Alle weiteren Böden, Decken, Wandverkleidungen und Möbel sind aus Eschenholz, das zu 60 Prozent aus dem eigenen Propsteiwald stammt. Besonders bei der Ausgestaltung der neuen Gästezimmer spielt das in Rift bis Halbrift geschnittene Holz eine zentrale Rolle und findet großflächig Verwendung. Vor allem in den Dachzimmern wird man fast vollständig vom Eschenholz mit seiner ruhigen Oberflächenstruktur umschlossen – heimelig und geborgen fühlt sich das an. Vor dem Hintergrund des hellen, feinen Eschenholzes bilden die dunkleren und astreicheren Balken der historischen Dachkonstruktion im »Giebelzimmer« einen attraktiven Kontrast.

Die Holzböden in der Gastronomie und den Herbergszimmern sind allesamt sägerau und unbehandelt. Die Entscheidung dafür fiel nach ausgiebigen und kontroversen Diskussionen sowie Besichtigungen mehrerer Projekte im Bregenzerwald. Gespräche mit Nutzern und Reinigungskräften beseitigten anfängliche Zweifel. Auf einem sägerauen Probeboden wurden zudem Saucen-, Öl- und Weinflecken bewusst verursacht und über mehrere Wochen beobachtet, wie die Gerbstoffe im Holz diese herausarbeiteten. Schließlich brauchen unbehandelte Böden etwas Zeit, um eine natürliche Patina zu entwickeln, die jedoch mit den Jahren immer schöner wird. Propst Kolumban Reichlin unterstreicht die sinnlichen Qualitäten: »Ob alt oder neu – ein sägerauer Boden ist aufgrund seiner Natürlichkeit unersetzlich und eine Bereicherung für die Sinne. Jede Nassreinigung mit der Maschine ist gleichsam eine Offenbarung, wenn anschließend jeweils frischer Holzgeruch den Raum neu erfüllt.«

Decke – Unterkonstruktion

Unterkonstruktion/Installationen
Täferverschalung aus Esche 20mm

Innenwand zum Flur

Täferverschalung aus Esche 20mm
Unterkonstruktion 25mm
Gipskartonfaserplatte 12,5mm
Metallständerwand 50mm, dazwischen Wärmedämmfilz
Gipskartonfaserplatte 12,5mm
Luftraum 12,5mm
Metallständerwand 75mm,
dazwischen Wärmedämmfilz
Gipskartonfaserplatte 12,5mm
Gipskartonfaserplatte 12,5mm
Unterkonstruktion 25mm
Täferverschalung aus Esche 20mm

Boden

Riemenboden aus Esche 27mm
Streublindboden aus Fichte 20mm
Lattung 51mm, dazwischen Mineralwolle
Distanzfüße 100mm, dazwischen Mineralwolle
Holz-Beton-Verbunddecke 260mm
Federbügel-Abhängung 10mm mit Mineralwolle 50mm
Gipskartondecke 15mm


verfasst von

Julia Ess

geboren 1984 in Feldkirch, Studium der Architektur in Wien und Venedig, lebt in Berlin; freie Mitarbeiterin des vai Vorarlberger Architektur Instituts im Bereich der Architekturdokumentation und aktuell wissenschaftliche Mitarbeiterin im DFG-Graduiertenkolleg Kulturelle und technische Werte historischer Bauten der BTU Cottbus-Senftenberg.

Erschienen in

Zuschnitt 74
Im Innenraum

Im Innenraum ist Holz etwas Besonderes. Hier begegnen wir einem Material der Vielfalt, Nachhaltigkeit und Charakterstärke.

8,00 €

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Zuschnitt 74 - Im Innenraum