Nachgefragt
Der Holz-Beton-Verbund
aus der Sicht des Ingenieurs
An einen Holzbau, der neue Einsatzgebiete erobern
soll, etwa urbane Dichten und Funktionsbereiche
wie Büro- und Schulbau, werden immer komplexere
Ansprüche gestellt. Die Ideologie des reinen Holz-
baus ist damit einer Pragmatik gewichen, die in der
Hybridbauweise und damit auch im Holz-Beton-Ver-
bund adäquate Antworten findet. Ob, wann und
wie weit der Einbau von Holz-Beton-Verbunddecken
im Holzbau als sinnvoll angesehen wird, beantworten
die Tragwerksplaner Jürg Conzett, Lothar Heinrich,
Pirmin Jung, Konrad Merz und Kurt Pock.
Einigkeit zum Einsatz von Holz-Beton-Verbund be-
steht bei der Sanierung und Ertüchtigung von ober-
sten Geschossdecken bei Dachgeschossausbauten.
Sollen Tragfähigkeit und Schallschutz erhöht werden,
spricht nichts gegen das Aufbringen des schweren
Materials Beton – vorausgesetzt, die alten Decken
sind in gutem Zustand, das Holz hat einen geeig-
neten Querschnitt und die Lastabtragung ist ge-
währleistet.
„
Für die Sanierung gibt es anerkannte Rechenverfah-
ren. Beim Holz-Beton-Verbund verändert sich der
Spannungszustand des Holzes, das dann nur mehr
Zug aufnimmt.“ (Heinrich)
Wo und wann die Verwendung von Holz-Beton-Ver-
bunddecken in Neubauten Sinn ergibt, hängt sehr
stark von den Randbedingungen des jeweiligen
Projekts ab (Merz), nicht zuletzt jedoch auch vom
ästhetischen Anspruch an die Deckenuntersicht.
„
Man muss diese Decken wollen, weil sie konzeptio-
nell in einen Bau gut hineinpassen. Und weil sie
eine besondere Atmosphäre schaffen.“ (Conzett)
Für Holz-Beton-Verbunddecken sprechen größere
Projekte, deren Mehrgeschossigkeit, Deckenspann-
weiten über
7
Meter in Verbindung mit hohen An-
forderungen an Schallschutz (Masse!), Brandschutz
und stützenfreie Grundrisse. Wer mit wenigen Fix-
punkten für die Gebäudeaussteifung auskommen
muss und daher ausgedehnte Deckenscheiben
braucht, wird sie wählen (Merz). Bei Punktlasten
dient der Beton als Lastverteiler. Holz-Beton-Ver-
bunddecken können kostengünstiger sein als reine
Holzdecken, wenn man sie einfach konzipiert
(
Jung). Im Vergleich zu Betondecken kann mit
geringerem Gewicht gepunktet werden, was sich
positiv auf die Fundierung auswirkt (Conzett).
Flach- versus Rippenverbunddecken
Wer nach Baugesetzen wie in der Schweiz planen
muss, wo Bruttogeschosshöhen mit
2,9
Metern
limitiert sind, und dennoch möglichst große Raum-
höhen generieren will, der wird flächige Verbund-
decken aus Brettschichtelementen mit Aufbeton
konzipieren. Geringe Konstruktionshöhen sprechen
für einen schlanken Holz-Beton-Verbund. Mit flachen
Decken lässt sich kompakter und somit in Hinblick
auf die Gesamtbaukosten kostengünstiger bauen
als mit höheren, argumentiert Pirmin Jung, der
mit seinem Schweizer Ingenieurbüro seit
15
Jahren
Decken im Holz-Beton-Verbund plant. Weitere
Vorteile sieht er in der schönen Untersicht der
Massivholzelemente, die Feuchte aufnehmen und
abgeben und sogar „akustisch“ bearbeitet werden
können.
Bei größeren Spannweiten setzt Lothar Heinrich
Hohlkastenträger ein – „mit Betonauftrag zur
Vermeidung von Schwingungen“ –, die zwar eine
größere Konstruktionshöhe aufweisen, aber auch
Leitungen aufnehmen können. Obwohl die Frage
nach dem Deckensystem immer ein „Spiel der
Optimierung“ sei, sieht Heinrich im Holzgeschoss-
bau das Ziel darin, reine Holzdecken einzubauen
und die Schalldämmung mit leichten Materialien
zu erreichen.
Trittschall braucht unbedingt Masse, betonen hin-
gegen die Befürworter des Holz-Beton-Verbunds,
Merz, Conzett und Jung.