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Holz Beton Verbund
zuschnitt
45.2012
So entstand die etwas merkwürdige Idee,
eine dicke Betonplatte von Eichenstehern
tragen zu lassen“
Walter Angonese und Rainer Köberl
im Gespräch mit Arno Ritter
Was hat euch dazu geführt, beim Pavillon im Wein-
gut Manincor das Holz als tragendes Element einzu-
setzen?
Köberl
Der ganze „Weinkeller“ wurde betoniert und
eigentlich war auch der Pavillon für den Weinverkauf
als betoniertes Gebäude, als eine Betonauffaltung
konzipiert. Wir wollten ursprünglich bei einem Ma-
terial bleiben und keinen Materialwechsel vollzie-
hen. Den Bauherren war diese Lösung aber zu hart,
sie wollten an dieser Stelle etwas „Weicheres“, nicht
so Extremes. Es ging dann eine Weile hin und her,
wir versuchten noch mit einigen Betonvarianten
die Bauherren zu überzeugen, aber irgendwann
verlangte die „Stimmungslage“ zwischen uns nach
einer anderen Lösung. Aber einfach nur ein hölzer-
nes Gebäude am Eingang in den Keller zu platzieren,
um damit einen Kompromiss zu formulieren, aber
letztlich das grundlegende Entwurfskonzept zu bre-
chen, schien uns nicht die richtige Antwort zu sein.
So entstand recht spontan die etwas merkwürdige
Idee, eine dicke Betonplatte von Eichenstehern
tragen zu lassen, und wie gaben ihr den Arbeitstitel
Tempietto“. Diese Betonplatte ohne eigentliche
Dachhaut war für uns die logische Weiterführung,
die einzig mögliche Reaktion auf den großen „Be-
tonriesen“ unter der Erde. Dass man vom histori-
schen Ansitz Manincor über das Dach des Tempietto
hinweg auf den Kalterer See schauen kann, ließ bei
den Bauherren den Wunsch aufkommen, eben nicht
irgendein Flachdach zu gestalten.
Ich hatte in dieser Zeit den Lebensmittelmarkt
MPreis in Wenns im Pitztal fertiggestellt, bei dem
man im Vorbeifahren auf ein großes Foliendach
schaut. Eines Tages, nach einem Regen, erlebte
ich dieses Dach nass. Schön wäre, dachte ich mir,
würde man vom vorbeifließenden Bach eine Leitung
hinauflegen, denn dann wäre das Dach immer eine
spiegelnde Fläche in der Landschaft. Dieses Bild
führte verwandelt zu der pragmatischen Lösung,
die dicke Betonplatte am Tempietto als spiegelnde,
ganz leicht bewegte, dauernd gespeiste Wasser-
fläche zu gestalten, über die die Gräfin zum See
schauen kann, und damit ihre Bedenken bezüglich
eines Flachdachs zu besänftigen.
Angonese
Irgendwann kam die Idee auf, Eichen-
holz ins Spiel zu bringen, das auch bei den Weinfäs-
sern verwendet wird. Wie wir das Holz einsetzen
wollten, wussten wir anfänglich nicht. Dann tauchte
bei mir auch ein Bild aus der Erinnerung auf, und
zwar von der Verwendung stehender Kanthölzer am
Bau in Italien, bevor die Stahlstützen auf den Bau-
stellen Einzug hielten. Diese beiden Bilder haben
uns interessiert, wobei die Ingenieure durch diesen
Paradigmenwechsel zuerst natürlich etwas irritiert
waren. Unsere Holzbaufirma Raffeiner hat dann
Ingo Gehrer konsultiert, der das statische Thema
gelöst hat. Uns ist damals noch zugute gekommen,
dass zu jener Zeit für Holzbauten in Italien kein
statischer Nachweis erforderlich war, weswegen
diese „schräge“ Sache sicher auch möglich wurde.
Übrigens tragen die Holzstützen das Dach nicht
ausschließlich, denn in einem Bereich gibt es eine
betonierte Wandscheibe, die für einen kleinen
Wasserfall errichtet wurde. Dieser entstand, weil
wir, wie Rainer schon sagte, mit dem kleinen See
am Dach die Ängste der Bauherren besänftigen
konnten. Später kam noch die Idee dazu, die Wand
als Regal auszubilden, was dazu führte, dass das
Dach im Innenraum auf den Weinregalen aufzulie-
gen scheint.
Wenn Holz Beton trägt
Weingut Manincor
Die Weinkellerei Manincor in Kaltern liegt größtenteils unter der Erde. Bis auf den
historischen Bestand schauen aus dem Erdhügel nur eine Gaupe und das kleine,
feine Verkaufsgebäude hervor, das gleich neben der Eingangsrampe eine Art Emp-
fangs- oder Torsituation schafft. Dieser leicht konisch zulaufende Verkaufs- und
Degustationsraum ist umgeben von einem hölzernen Stabwerk, auf dem eine Beton-
decke aufliegt. Hierfür wurden vor Ort erst zwei Steher der dreiteiligen Holzstützen
aufgestellt, danach die Bewehrungseisen durch die in die Stützen eingeschlitzten
Stahllaschen gefädelt, die Holzstützen mit Nylon abgedeckt und schließlich die
Decke betoniert. Die Zwischenräume sind mit Glas oder Holzpaneelen gefüllt.
Standort
St.Josef am See
4
,
Kaltern⁄ I
Planung
Walter Angonese, Kaltern⁄ I,
, Rainer Köberl, Innsbruck⁄ A,
,
Silvia Boday, Innsbruck⁄ A,
Bauherr
Michael Graf Goëss-Enzenberg, Kaltern⁄ I,
Statik
(
Holzbau) Ingo Gehrer, Höchst⁄ A,
, Ingenieurteam Bergmeister, Vahrn⁄ I,
Holzbau
Raffeiner
kg
,
Eppan an der Weinstraße⁄ I,
Fertigstellung
2004