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Holz Beton Verbund
zuschnitt
45.2012
Holzleichtbeton
Potenziale von
Holz-Zement-Mischungen
Holzleichtbeton ist ein Verbundmaterial aus Säge-
spänen, Zement, Wasser und gegebenenfalls Addi-
tiven. Der organische Zuschlagstoff – vor allem
Nadelhölzer wie Fichte und Tanne, teils auch Birke,
Esche und Linde – bedingt eine Reihe von funktio-
nalen und konstruktiven Vorteilen. So ist das Mate-
rial deutlich leichter als herkömmlicher Beton und
weist bessere wärme- und feuchtetechnische Eigen-
schaften auf – in Verbindung mit thermischen und
akustischen Anforderungen in raumumschließenden
Flächen. Ziele beim Holzleichtbeton sind einerseits
eine bessere Ausnutzung des (Baum-)Holzes, also die
Verwertung von Schwachholz und Holzreststoffen,
andererseits eine Optimierung baukonstruktiver und
bauphysikalischer Kenngrößen unter Beibehaltung
der positiven Eigenschaften des Holzes.
Das Material unterscheidet sich von herkömmlichen
Holzverbundwerkstoffen durch höhere Rohdichten,
typisches Sprödbruchverhalten, geringe hygrische
Längenänderung sowie Nichtbrennbarkeit (bei orga-
nischem Massenanteil <
15
Prozent). Wesentlichen
Einfluss auf Festigkeit und Verarbeitbarkeit von Holz-
leichtbeton haben der Wasser-Zement-Wert und
das Holz-Zement-Verhältnis. Bei Stoffzusammen-
setzungen mit Rohdichten um
800
kg⁄ m
3
können
Druckfestigkeiten bis
10
N⁄ mm
2
und Biegefestigkei-
ten bis
3
N⁄ mm
2
erzielt werden. Der Zuschlagstoff
Holz beeinflusst wesentlich die statischen Qualitäten
des Materials, das heißt, je größer der Holzanteil
ist, desto stärker nehmen die Festigkeitswerte ab.
Holzleichtbetone weisen einen höheren Zementge-
halt im Vergleich zu klassischen Betonmischungen
auf. Der verzögernde Einfluss des Holzzuckers auf
den Abbindevorgang lässt sich durch Vorbehandlung
der Holzpartikel mit Mineralisierungsadditiven oder
den Einsatz spezieller Schnellzemente unterbinden.
Holzleichtbeton verbessert die Wärmespeicherfä-
higkeit sowie das thermodynamische Verhalten des
Bauteils, er erreicht im Bereich von Gebäudefassa-
den bezüglich der Wärmeleitfähigkeit Werte, die
mit denen von Porenbeton vergleichbar sind. Auf-
grund seiner besonderen Eigenfarbigkeit und der
vielfältigen Möglichkeiten der Gestaltung eignet
sich Holzleichtbeton gut für sichtbare Anwendun-
gen, im Bereich der Fassade sowie des Innenraums
als Bekleidung von Decken oder Wandflächen. Die
bisherigen Untersuchungen zeigen, dass Bauteile
aus Holzleichtbeton als akustische Decken- bzw.
Wandabsorber die Nachhallzeiten reduzieren und
die Raumakustik verbessern können. Das Material
erreicht hinsichtlich des Brandschutzes die Bau-
stoffklasse A
2
und bietet dadurch insbesondere für
Innenräume Einsatzmöglichkeiten im baulichen
Brandschutz.
Bereits in der Mitte des
19
.
Jahrhunderts kombi-
nierte man die Reste aus der Holzbearbeitung mit
anorganischen Baurohstoffen und verwendete das
entstehende Material für Fußbodenestriche und
Putze. In den
1920
er Jahren, einer Zeit, in der Archi-
tekten vielfältig mit Materialentwicklungen experi-
mentierten, fanden Steinholzböden Eingang unter
anderen beim Bauhausgebäude in Dessau oder den
Laubenganghäusern in Dessau-Törten. Anfang der
1930
er Jahre wurden mit der Patentierung von ein-
schlägigen Verfahren die Grundlagen zur Herstellung
von „Holzspanbeton“ geschaffen, der sich vor allem
in Österreich unter den Produktnamen „Holzspan-
Mantelstein“ und „Holzspan-Mantelbetonplatte“
auf dem Baumarkt etablierte. In Deutschland arbei-
tete man nach dem Zweiten Weltkrieg aufgrund von
Baustoffmangel mit Holzwerkstoffen, die mit Zement
gebunden wurden, und Ende der
1960
er Jahre griff
man in der Deutschen Demokratischen Republik
diesen Ansatz für einen kostengünstigen Kleinwoh-
nungsbau sowie für landwirtschaftliche Bauten
zeitweise wieder auf.
Die Gewichtsersparnis (Wand- und Deckenkonstruk-
tion) und die Ressourcenverknappung (Sand, Kies)
führten dazu, dass man sich seit über einem Jahr-
zehnt wieder eingehender mit diesen Konzepten
beschäftigt. Darüber hinaus gewinnt das Komposit-
material durch eine weitreichende Recyclingkette
im Zuge der Neubewertung von Energie- und Stoff-
strömen an Bedeutung.
An der Georg-Simon-Ohm-Hochschule in Nürnberg
wird fakultätsübergreifend im Rahmen von aktuellen
Forschungsprojekten an verbesserten Material-
eigenschaften – Kombination mit Textilbewehrung –
und der Erweiterung des Einsatzspektrums des Holz-
verbundwerkstoffs gearbeitet. Neben der Optimie-
rung von Holzleichtbeton als Material für platten-
förmige Wand- und Deckenbauteile soll darüber
hinaus die Funktionsfähigkeit und Alltagstauglich-
keit dieses Verbundwerkstoffs im Rahmen von
Demonstrationsprojekten aufgezeigt werden. Die
bisherigen experimentellen Arbeiten belegen, dass
Holzleichtbeton hinsichtlich seiner funktionalen und
konstruktiven Eigenschaften gegenüber Konkurrenz-
produkten durchaus marktfähig ist und zusätzlich
ästhetische Vorteile bei der Gestaltung von hoch-
wertigen Oberflächen aufweist.
Roland Krippner
Maschinenschlosser und Architekt
seit
2008
Professor an der Georg-Simon-Ohm-Hochschule
Nürnberg
publizistische Tätigkeit, u. a. Wendepunkt(e) im Bauen. Von der
seriellen zur digitalen Architektur (
2010
),
Fassaden Atlas (
2004
)