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und er fuhr noch nie nach einem Plan
Am San Lugano Pass stehen ein Bahnhofsgebäude und ein Umspannwerk.
Doch schon lange hat hier kein Zug mehr gehalten. Seit vielen Jahren schon
nutzt die Katholische Jungschar das Umspannwerk. Im Zuge einer Renovierung
des Jungscharhauses lagerten die Südtiroler Architekten Pardeller Putzer
Scherer die Schlafplätze aus dem Haupthaus aus und errichteten dafür einen
neuen Bau. Da die ehemalige Bahnstrecke im örtlichen Bebauungsplan als
Umfahrungsstraße eingezeichnet ist, durfte an dieser Stelle kein richtiges
Gebäude erstellt werden. Gegen ein temporäres Bauwerk aber hatte die Bau-
behörde nichts einzuwenden. So verlegte man aufs Neue
50
Meter Schienen,
setzte fünf aneinandergekoppelte Waggonunterteile darauf und ließ fünf
Aufbauten in Holzbauweise darauf errichten. Die Holzkonstruktion aus mas-
sivem Lärchenholz wurde vorfabriziert und innerhalb einer Woche vor Ort
zusammengebaut. Die Fassade mit den grau gestrichenen Fichtenbrettern
verleiht dem Gebäude die nötige temporäre Leichtigkeit.
Vier der fünf Waggons sind mit jeweils zehn Schlafplätzen, einem Bad und
einem Schrankraum ausgestattet, der fünfte Waggon dient als Materiallager.
Im Inneren sind die Wände, Decken und Fußböden aus
osb
-
Platten, deren
Oberfläche geschliffen und geölt ist. Die Materialwahl und die raumökono-
misch knappe Ausnutzung lassen eine Raumatmosphäre wie in einem echten
Eisenbahnabteil aufkommen.
Seitenware
Standort
Karerseestraße, Welschnofen⁄ I
Planung
Walter Angonese, Kaltern⁄ I
Mitarbeit Manfred Rauch
und Theo Gallmetzer, Bozen⁄ I
Statik
Herbert Mair Ingenieure, Bozen⁄ I
Holzbau
Zimmerei Martin Vieider
Karneid Gummer⁄ I
Fertigstellung
Juli
2009
Struktur-Angleichung
Beim Besucherzentrum am Karersee sind Holz und
Beton die beiden vorherrschenden Materialien. Aber
was ist hier nun Holz und was Beton? Vor Ort ist das
noch einfach zu unterscheiden: Wer vom Parkplatz
kommt, auf das Besucherzentrum zugeht und den
unterirdischen Gang passiert, um auf der anderern
Straßenseite das Seepanomara zu genießen, der be-
gegnet erdberührten Betonwänden, die in Holz fort-
gesetzt werden, einer großen Holzschiebetür in
einer Betonwand ebenso wie einem Betonüberzug,
der eine Holzdecke trägt. Die beiden hier eingesetz-
ten Materialien sind dank ihrer Farbe und Haptik gut
voneinander zu unterscheiden. Wie aber ist es auf
Fotografien? Auf einem Schwarz-Weiß-Bild ist der
Betrachter eigentlich verloren. Die raue Oberflächen-
struktur des Betons ist ein Spiegelbild der rauen
Fichtenbretter, mit denen die Holzständerwände
verkleidet sind. Die Bretter stammen allesamt aus
dem nahe gelegenen Sägewerk – für Walter Ango-
nese ein wichtiger Grundgedanke der regionalen
Nachhaltigkeit bei diesem Projekt. Je mehr das Holz
vergraut, desto mehr werden sich auch vor Ort die
beiden Materialien in ihrer Erscheinung angleichen.
Standort
Fleimstaler Straße, San Lugano⁄ I
Bauherr
Katholische Jungschar Südtirols, Bozen⁄ I,
Planung
Architekten Pardeller Putzer Scherer, Bozen⁄ I,
Holzbau
Holzbau Saurer, Höfen⁄A,
Fertigstellung
2002