Holz(an)stoß
Martin Boyce
2012
2011
2010
2009
2012
2011
⁄ 12
2011
2010
2009
Martin Boyce
geboren
1967
in Glasgow
lebt und arbeitet in Glasgow
Die Installationen des schottischen Künstlers Martin
Boyce erinnern oft an jene Traumsequenzen, in denen
die Grenzen zwischen Außen- und Innenraum wieder-
holt aufgehoben werden und das Gefühl für zeitliche
und räumliche Verortung verloren geht. In diesen
Situationen ist alles möglich, die Gravitation ist aus-
geschaltet, die Materialität und Aggregatzustände
der Dinge verändern sich und man bewegt sich in
einer Landschaft, die sich aus dem Unbewussten und
der Erinnerung zusammensetzt. Mit der Installation
„
Do Words Have Voices“ entwarf Boyce ein ähnlich
transzendentes Setting, dessen parkartiges Inventar
sich in seiner formalen Ausführung fast zur Gänze
auf die kubistischen Betonbäume der französischen
Designer und Bildhauer Jan und Joël Martel aus dem
Jahre
1925
bezieht. Für Boyce wurden diese Baum-
skulpturen, von denen nur noch Fotos existieren, ab
2005
zum Ausgangspunkt seines eigenen künstleri-
schen Schaffens, das vor allem auf die Architektur-
und Designikonen der Moderne sowie den uns um-
gebenden urbanen Lebensraum Bezug nimmt.
Ausgehend von kleinen dreidimensionalen Model-
len, die Boyce von den Martel-Skulpturen anfertig-
te, entwickelte der Künstler aus der formalen
Logik der Betonbäume ein repetitives Muster und
löste in weiterer Folge einzelne Formteile heraus,
um sie in seine eigenen Arbeiten einfließen zu
lassen.
Der in der Ausstellung gezeigte Tisch ist somit eine
zweckentfremdete Abwandlung des ursprünglich
von Jean Prouvé entworfenen Designs von
1951
.
„
Do Words Have Voices“,
baltic
Centre for Contemporary Art in Gateshead, Turner Prize,
2011
Kuratiert vom Museum
Moderner Kunst Stiftung
Ludwig Wien
Einzelausstellungen
(
Auswahl)
Scarecrows and Lighthouses,
Tramway, Glasgow
night terrace – lantern
chains – forgotten seas – sky,
The Modern Institute⁄ Toby
Webster Ltd, Glasgow
Through Layers and Leaves
(
Closer and Closer),
Massachusetts Institute of
Technology, Cambridge
A Library of Leaves, Galerie
Eva Presenhuber, Zürich
No Reflections, Dundee
Contemporary Arts, Dundee
No Reflections,
53
.
Biennale
Venedig, Venedig
Gruppenausstellungen
(
Auswahl)
The Spirit Level, Gladstone
Gallery, New York
Positions on Conceptual Art,
Galerie Rüdiger Schöttle,
München
The Sculpture Show, Scottish
National Gallery of Modern
Art, Edinburgh
Turner Prize
2011
,
Baltic Centre
for Contemporary Art,
Gateshead
Missing Beat, Sommer
Contemporary Art, Tel Aviv
Last Ride in a Hot Air Balloon,
The
4
th Auckland Triennial,
Auckland
Tonite, The Modern Institute⁄
Toby Webster Ltd, Glasgow
Material Intelligence,
Kettle’s Yard, Cambridge
Die asymmetrische Holzplatte in Form des kubisti-
schen Blattwerks fungiert dabei nur noch als for-
males Zitat zwischen der Natur und dem urbanen
Raum. Der Ausstellungsraum des Baltic Centre for
Contemporary Art in Gateshead im Nordosten von
England wird bei Boyce zu einem Ort der Gegen-
sätze, in dem der Künstler unterschiedliche und
vermeintlich fremde (Material-)Welten vereint. Der
modernistische Ansatz des stetigen Fortschritts und
die auf Massenproduktion angelegte Industrialisie-
rung, die in der Natur eine bloße Ressourcenquelle
sieht, wird in der Installation von Boyce einer kri-
tischen Revision unterzogen. Dabei spielt auch die
Sehnsucht nach einer notwendigen Koexistenz eine
große Rolle, die vor allem in den nicht fehlgeleiteten
Idealen der Moderne einen Lösungsansatz sieht.
Nicht nur die Architekten der Moderne wie zum
Beispiel Albert Kahn orientierten sich bei ihren for-
malen Lösungen an der Natur, auch Martin Boyce
bezieht die Betonpfeiler des Ausstellungsraumes in
seine naturalistischen Überlegungen mit ein und
verwandelt sie in Baumskulpturen mit stählernem
Blattwerk. In den an der Wand hängenden Schrift-
bildern verbindet Boyce darüber hinaus den indus-
triell gefertigten Baustoff Beton mit dem natür-
lichen Rohstoff Holz, da die Textur der Holzpaneele,
die als Gussform dienten, klar erkennbar bleibt.
Es ist letztlich eine symbiotische, poetische Land-
schaft, die den urbanen Raum mit der Natur verbin-
det und Platz schafft für Erinnerungen und in den
Hintergrund getretene Ideale.
Stefan Tasch
Studium der Kunstgeschich-
te in Wien und Edinburgh
Arbeit in verschiedenen
Museen und Galerien