Holz und Beton erscheinen einem auf den ersten Blick als Gegen-
sätze; und vorschnelle Marktstrategen versuchen aus kurzatmigen
Gründen daraus sogar eine Feindschaft zu konstruieren. Auch die
herrschenden Vorurteile sehen Holz und Beton als Antipoden.
Holz wird für natürlich, warm und umweltfreundlich gehalten,
Beton dagegen für künstlich, kalt und gewaltsam. Umgekehrt gilt
Holz als wenig haltbar, feuergefährlich und provisorisch, während
Beton für Haltbarkeit, Widerstandsfähigkeit und Dauerhaftigkeit
steht. Alle diese Vorurteile, positive und negative, relativieren
sich bei genauerer Betrachtung und verkehren sich mitunter sogar
ins Gegenteil. Holz erweist sich bei richtiger Verwendung als
nahezu unbegrenzt haltbar. Holz zeigt im Brandfall große Wider-
standskraft und vor allem ein statisch kalkulierbareres und damit
weniger gefährliches Verhalten bei Bränden als so mancher
unbrennbare Baustoff. Beton ist mit dem relativ geringen Anteil
an (gebranntem) Zement wesentlich ökologischer als sein Ruf.
Beton lässt sich farblich und in seiner Oberflächenbeschaffenheit
einfach und vielfältig gestalten und kann dadurch auch warm
und weich wirken. Und Beton war (unbewehrt) auch schon ein
wichtiges Baumaterial im antiken Rom.
Unvoreingenommen betrachtet, hat jedes Material seine spezifi-
schen Stärken und Schwächen und damit Einsatzbereiche, für
die es besonders geeignet ist. Daraus können eine effektive und
logische Arbeitsteilung zwischen den einzelnen Materialien und
auch Grenzen für die Substitution eines Materials durch ein an-
deres abgeleitet werden. Beton ist für erdberührende, bei Bedarf
auch wasserundurchlässige Gebäudeteile unersetzbar. Er kann wie
kein anderes Material sehr große Lasten auf möglichst wenigen
Stützen und Wandscheiben tragen. Und mit Stahl bewehrt er-
möglicht uns Beton weit gespannte Flachdecken und imposante
Auskragungen. Holz ist dabei, durch neue Materialentwicklungen
wie das Brettsperrholz, durch einen hohen Vorfertigungsgrad
mit trockener und schneller Montage und große gestalterische
Möglichkeiten jenen Stellenwert im Baugeschehen zurückzuge-
winnen, den es in der Geschichte schon einmal hatte. Holz zu
verbauen, ist auch der weitaus wirksamste Weg zur Verbesserung
der CO
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Bilanz, weit besser, als Holz zu verbrennen oder in Treib-
stoff umzuwandeln. In einer Gebäudestruktur wird das Unter-
geschoss und ein offenes und flexibel nutzbares Erdgeschoss
sinnvoll aus Beton sein und allenfalls auch noch die Vertikal-
erschließung als Fluchtweg und Aussteifung des Bauwerks. Alle
übrigen Teile können aus Holz errichtet werden.
Doch die Möglichkeiten eines Zusammenwirkens von Beton und
Holz gehen weit über eine solche konstruktive Arbeitsteilung
hinaus. Beton ist ein Gussmaterial aus „Schotter“, der praktisch
überall vorkommt, gebunden mit Zement und Wasser. Beton ist
in Formen gegossener Stein, der schwer ist und fast nur auf
Druck beansprucht werden kann. Um Zugkräfte aufzunehmen,
muss Beton eine Verbindung mit einem auf Zug belastbaren
Material eingehen. Holz verdankt seine Stärken und Schwächen
seiner leichten, gewachsenen Faserstruktur, die vielfach in neuen
Hightech-Materialien imitiert wird. Durch diese Faserstruktur
kann massives Holz Druck und Zug gleichermaßen aufnehmen.
Nur hat die traditionelle Zimmermannskunst kaum Wege gefun-
den, Zugkräfte in Knoten und Auflager abzuleiten. Dadurch blieb
die Zugqualität des Holzes weitgehend unbewusst, obwohl sie
selbstverständlich auch für die im Verhältnis zu seinem Eigenge-
wicht enorme Tragkraft eines Deckenbalkens aus Holz an dessen
Unterseite notwendig ist. Die Faserstruktur des Holzes sorgt
auch für das warnende Knacken lange vor seinem Brechen.
Es entsteht durch sich unter entsprechender Last voneinander
lösende Fasern; und der Grad der Belastung einer Stütze offen-
bart sich in der Tonhöhe ihres Klangs, wenn sie angeschlagen
wird. Manche können sich vielleicht noch an das gespannte
Knistern oft nicht entrindeter Baumstämme erinnern, die lange
als hochbelastete Stützen zur Unterfangung ganzer Stadthäuser
dienten. So sind auch Holzstützen oder Wandscheiben aus Holz,
die eine Betondecke tragen, nur auf den ersten Blick absurd;
genauso wie etwa eine weit gespannte Betonfertigteildecke in
einem massiven Holzbau oder Unterzüge aus Ortbeton in einem
Hochhaus aus Holz.
Mit der Wahrnehmung des Holzes als Zugmaterial liegt auch ein
entsprechender statischer Verbund von Holz und Beton nahe.
Bei der Sanierung von alten Holztramdecken ersetzt ein mit den
Balken schubfest verbundener Aufbeton statisch und akustisch
wirksam den statisch kontraproduktiven Ballast der alten Schüt-
tungen. Und schon bei der frühesten Form der Holzfläche, der
Brettstapeldecke, wurde mit einem statisch wirksamen Aufbeton
experimentiert; dabei waren vor allem die Nässe des Betons bzw.
die offenen Fugen problematisch. Brettsperrholz und fortge-
schrittene Betonmischtechnologie machen diese Schwierig-
keiten obsolet. Und es scheint mehr als logisch, insbesondere
die Entwicklung von entsprechenden Holz-Beton-Fertigteilen
voranzutreiben.
Noch enger könnte die Verbindung von Holz und Beton werden,
wenn Holz als Zuschlagstoff und vielleicht auch als „Faserbeweh-
rung“ Eingang in die Betontechnologie findet. Die haptisch sehr
angenehmen Holzzementböden in alten Gewerbebauten und die
zementgebundenen Spanplatten sind Vorläufer in dieser Richtung.
Das Ergebnis könnte ein brauchbarer Leichtbeton sein, der als
Ortbeton und bei Fertigteilen Verwendung finden könnte.
Der scheinbare Gegensatz von Holz und Beton löst sich auf in
ein weites Feld von konstruktiven, materialtechnologischen und
gestalterischen Chancen, die sich aus einer intelligenten Zusam-
menarbeit und Verbindung der beiden Materialien ergeben.
Auf dem Weg liegen überraschende Lösungen von außerge-
wöhnlicher Qualität. Und selbst wenn vielleicht nur wenige Errun-
genschaften des Holz-Beton-Verbundes Eingang in die alltägliche
Baupraxis finden sollten, so bleibt auf jeden Fall die Erkenntnis
und Erfahrung, im richtigen Moment an das „andere“ Material
zu denken, statt in materialfixierten Krämpfen und Sackgassen
zu enden.
Wolfgang Pöschl
lebt und arbeitet als Architekt in Tirol
Essay
Holz und Beton