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Holz Beton Verbund
zuschnitt
45.2012
Holz-Beton-Verbund
Ausführungs-
möglichkeiten gestern und heute
Sieht man von den aus der Römerzeit überlieferten Versuchen zu zusammengesetzten „Holz-Verbundbau-
teilen“ ab, so wurden die ersten Untersuchungen an Holz-Beton-Verbundkonstruktionen in den
20
er und
30
er Jahren des
20
.
Jahrhunderts durchgeführt. Vor allem bedingt durch den Mangel an Bewehrungsstahl
zur Zeit des Zweiten Weltkrieges wurden alternative Tragkonstruktionen erforscht. So meldete Otto Schaub
im Jahre
1939
ein Patent auf Verbunddecken aus Holzrippen und einer Deckschicht aus Beton an. Schaub
setzte dabei Z- bzw. I-Profile aus Stahl als Schubverbinder ein. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges
rückte das Interesse an Holz-Beton-Verbundkonstruktionen (
hbv
)
zunächst wieder in den Hintergrund. Zur
Sanierung von Bestandsdecken wurde die Bauweise
1960
in Bratislava angewendet. In diesem Fall erfolgte
der Verbund über Nägel. Das Bauvorhaben wurde in den darauf folgenden Jahren während seiner Nutzung
begutachtet. Dabei wurden weder Schäden am Verbund (
1975
)
noch Feuchteschäden (
1988
)
festgestellt.
Ab Mitte der
1980
er Jahre setzte in Deutschland eine intensive Forschungstätigkeit ein. Neben der Ent-
wicklung von verschiedenen Schubverbindungsmitteln, Berechnungs- und Bemessungsverfahren wurden
die Anwendungsmöglichkeiten in den Folgejahren auch durch Arbeiten zur Optimierung von Betonzusam-
mensetzungen erweitert.
Ausführungs- und Anwendungsmöglichkeiten
Zunächst beschränkten sich die
hbv
-
Konstruktionen auf stabför-
mige Holzträger in Kombination mit flächigen Deckplatten aus
Beton. Durch die Verbundwirkung und die sich in der Betondecke
einstellende mitwirkende Breite erhält man einen Plattenbalken
mit nachgiebig miteinander verbundenen Querschnittsteilen.
Dies entspricht auch dem Tragsystem von Holzbalkendecken,
die unter Anwendung der
hbv
-
Bauweise saniert werden.
Die Weiterentwicklungen und steigenden Anwendungsmöglich-
keiten der Massivholzbauweise, wobei vor allem die Brettstapel-
bauweise zu nennen ist, ermöglichen den Einsatz von flächigen
Verbundkonstruktionen. Diese Systeme werden den im Hochbau
steigenden Anforderungen hinsichtlich des Brand- und Schall-
schutzes sowie des Schwingungsverhaltens gerecht.
Die bevorzugten Anwendungsgebiete der
hbv
-
Bauweise liegen in
der Altbausanierung, im Hochbau – hier ermöglicht es diese Bau-
weise, die hohen Anforderungen im mehrgeschossigen Wohn- und
Gewerbebau zu erfüllen – und im Brückenbau, wobei dies derzeit
noch eine untergeordnete Anwendungsmöglichkeit der
hbv
-
Bau-
weise ist.
Materialien
Es können sowohl Vollholz- und Brettschichtholzbauteile als auch
daraus gewonnene Bauprodukte wie Brettstapel- oder Brettsperr-
holzelemente für
hbv
-
Konstruktionen verwendet werden. Voll-
holzbauteile aus Nadelholz müssen mindestens der Sortierklasse
S10
entsprechen. Unterschiedliche Steifigkeitseigenschaften der
Materialien sind bei der Bemessung zu berücksichtigen.
An die eingesetzten Betone werden unterschiedlichste bauwei-
senspezifische Anforderungen gestellt. Die Betone sollten ein
möglichst geringes Eigengewicht, gute Verarbeitbarkeit (Pump-
fähigkeit und Verdichtbarkeit), geringes Kriech- und Schwindver-
halten sowie eine geringe Feuchtigkeitsabgabe aufweisen. Auf-
grund der Fortschritte der Betontechnologie können viele der
genannten Parameter durch Zusatzstoffe gezielt gesteuert werden.
Die allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassungen der unterschied-
lichen Verbundsysteme fordern die Verwendung von Betonen, die
mindestens der Festigkeitsklasse C
20
⁄ 25
entsprechen. Die erfor-
derliche Dicke der Betondeckschicht beträgt mindestens
60
mm
(
bzw.
70
mm für eingeklebte Lochbleche). Aus statischer Sicht ist
in der Regel keine Zusatzbewehrung erforderlich. Ab Plattenstär-
ken von
100
mm sind in Abhängigkeit von den Verbindern Schub-
bewehrungen anzuordnen. Generell ist jedoch eine Schwindbe-
wehrung vorzusehen, die mindestens einer Betonstahlmatte Q
131
(
bzw. Q
188
für eingeklebte Lochbleche) entspricht. Die Steifigkeit
der Verbundkonstruktionen hängt aber neben den Materialeigen-
schaften der Einzelkomponenten Holz und Beton entscheidend
von den Steifigkeitseigenschaften der Verbundfuge ab.
Ausblick
Entscheidende Bedeutung, um im mehrgeschossigen Wohnungs-
und Gewerbebau mit der Stahlbetonbauweise erfolgreich konkur-
rieren zu können, liegt in der Steigerung des Vorfertigungsgrades.
Die
hbv
-
Bauweise bietet die Möglichkeit vorgefertigte Decken-
elemente mit bereits ausgehärtetem Beton einzusetzen und damit
den Bauablauf wesentlich zu beschleunigen. Dieser Vorteil wird
bis dato nur selten genutzt. Um optimierte Lösungen anbieten zu
können, sind jedoch noch vereinzelte Detailfragen zu untersuchen.
Dies betrifft beispielsweise die Ausbildung der Elementfugen zur
Erzeugung aussteifender Deckenscheiben oder die Integration
von Installations- und Elektrosystemen.
Stefan Winter
Ordinarius für Holzbau und Baukonstruktion an der
tu
München
Mitinhaber eines Ingenieurbüros beratender Ingenieure
ö. b. u. v. Sachverständiger für Holzbau
Prüfingenieur für Baustatik – Fachrichtung Holzbau
Heinrich Kreuzinger
Extraordinarius i.R. des Fachgebiets Holzbau am Lehrstuhl für Holzbau und
Baukonstruktion,
tu
München
Peter Mestek
bis
2011
wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Holzbau und Baukonstruk-
tion,
tu
München, Projektleiter Teilprojekt
15
Dieser Beitrag ist eine gekürzte Fassung des Beitrages über Holz-Beton-Ver-
bundbauweise, erschienen in: Holzbau der Zukunft. Teilprojekt
15
.
Flächen aus
Brettstapeln, Brettsperrholz und Verbundkonstruktionen, herausgegeben von
der
tu
München, Lehrstuhl für Holzbau und Baukonstruktion.
Nachzulesen unter: