In Hülle und Fülle
Produkte aus der Holzraffinerie
In einer Raffinerie wird – wie zum Beispiel bei der Verarbeitung von
­
Ro­höl – ein Rohstoff in seine Bestandteile aufgetrennt und separat ver­
wertet. Genau genommen geht es dabei um die Veredelung des je­
weiligen Rohstoffes. Wird Biomasse aufgetrennt, spricht man von einer
Bioraffinerie. Aus dem Rohstoff Holz beziehungsweise aus seinen Inhalts­
stoffen kann dabei eine Fülle an Produkten hergestellt werden. Die nach­
folgende Auflistung soll einen Überblick über die Produktvielfalt geben.
Dabei wird weder nach Aufschlussprozess noch nach Holzart unterschie­
den, da dies zu komplex geworden wäre. Viele Produkte aber ergeben
sich erst aus ganz bestimmten Kombinationen, für Tallöl zum Beispiel
muss Kiefernholz mithilfe des Sulfatverfahrens aufgeschlossen werden,
im Sulfitprozess wird aus Nadelholz das Lignin gewonnen, das dann in
einer weiteren chemischen Reaktion zu Vanillin umgesetzt wird. Buche
hat keine nennenswerten Extraktstoffe und wird daher in diesen Be­
reichen auch nicht verwertet.
Lignin
Anteil je nach Baumart:
10
bis
30
Prozent
Lignin ist ein Netzwerk aus aromatischen Verbindungen, das in der Natur
dem Holz als Gerüststruktur dient und ihm Schutz vor Fraßfeinden bietet.
Beim Holzaufschluss – zum Beispiel für die Zellstoff- und Papierherstel­
lung – wird dieses Netzwerk in kleinere Bruchstücke zerlegt, die dann in
der entsprechenden Prozessflüssigkeit vorliegen. Dabei ist zu beachten,
dass die verschiedenen Einzelbausteine des Lignins zwar eine große Ähn­
lichkeit aufweisen, aber eben nicht ganz gleich sind. Für hochpreisige An­
wendungen werden aber immer die gleichen Bausteine benötigt.
Für die Nutzung der beim Holzaufschluss gewonnenen Bruchstücke gibt es
verschiedene Möglichkeiten. Erstens können die Prozessflüssigkeiten mehr
oder weniger so verwendet werden, wie sie sind, zum Beispiel als Betonver­
flüssiger oder als Zusatz für Tierfutterpellets. Zweitens können Lignin­
bruchstücke chemisch verändert werden, indem zum Beispiel Stickstoff
eingeführt wird. Diese so genannten N-Lignine werden dann als Boden­
verbesserer und Langzeitdünger eingesetzt. Wird Lignin noch weiter ab­
gebaut, lässt sich daraus neben anderen Stoffen Vanillin als Aromastoff
gewinnen. Allerdings ist die Ausbeute von
5
bis
10
Prozent des Ausgangs­
materials bei diesem Verfahren gering. Eine letzte Variante der Ligninnut­
zung ist jene zur Energiegewinnung. Mit dieser Energie wird die Herstel­
lung von Zellstoff, Papier und Fasern betrieben.
Zellulose
Anteil je nach Baumart:
25
bis
50
Prozent, in der Baumwollkapsel
sogar
95
Prozent
Zellulose ist ein unverzweigtes Polysaccharid, das aus mehreren zehn- bis
hunderttausend Glukosebausteinen (Glukose = Traubenzucker) aufgebaut
und Hauptbestandteil der Pflanzen ist. In der Natur übernimmt Zellulose
in der Regel Stützfunktionen und kommt außerdem in Bakterien (Bakteri­
enzellulose) und Manteltieren (Tunicin), primitiven Meeresbewohnern, vor.
Für Zellulose sind im Gegensatz zur Hemizellulose viele Anwendungen eta­
bliert: Papier, Pappe, Karton, Fasern für Textilien, aber auch für Verband­
stoffe, Damenhygiene, Bettwäsche, Putztücher, Zellophan und vieles mehr.
Durch eine einfache chemische Reaktion kann Zelluloseäther oder -ester
hergestellt werden. Der bekannteste Zelluloseester ist das Zelluloseacetat,
das beispielsweise als Innenfutter für Textilien, aber auch für die Herstel­
lung von Brillengestellen eingesetzt wird. An diesem Beispiel lässt sich
ablesen, dass Zellulose und ihre Derivate, obwohl chemisch gleich, ganz
unterschiedliche Materialeigenschaften haben können: Wie in der Natur –
die Baumwolle besteht ebenso wie der Kaktusstachel aus Zellulose – rei­
chen sie von weich und fließend (Innenfutter) bis zu fest (Brillengestell).
Hemizellulosen
Anteil je nach Baumart:
15
bis
30
Prozent
Der Begriff Hemizellulosen beschreibt eine Gruppe von Verbindungen, die
aus verschiedenen Zuckerbausteinen aufgebaut sind. Darunter sind Zucker
wie Galactose und Mannose (so genannte Sechserzucker, weil sie sechs
Kohlenstoffatome haben), Arabinose und Xylose (Fünferzucker). Welche
dieser Zucker in welchen Mengen vorkommen, hängt von der Pflanzenart
ab. Hemizellulosen sind verzweigte Polysaccharide (Vielfachzucker), die in
der Natur der Zellwand als Kleb- und Stützstoff sowie als Reservestoffe
dienen. Kommerzielle Verwendung finden hier hauptsächlich Produkte aus
der Xylose (Einfachzucker) beziehungsweise aus Xylan (Polysaccharid).
Xylose kann als Nahrungsmittelzusatz oder nach Umwandlung in Xylit als
Zusatzstoff in Zahnpasta und Kaugummis eingesetzt werden. Xylit ist
antibakteriell und wirkt damit auch gegen Karies. Das Polysaccharid
Xylan wird nach Umwandlung in Xylansulfat als Mittel gegen Thrombose
eingesetzt.
Hedda Weber
Studium der Technischen Chemie an der
tu
Graz,
Doktorat mit Schwerpunkt bioorganische Chemie,
seit
2001
Leiterin des Bereichs Holz- und Zellulose­
chemie des Wood K plus.
Hedda Weber