Drei facettenreiche Statements – naturgemäß divergent aus dem
Blickwinkel von drei Forschern (und Anwendern) in unterschiedlichen
Professionen: ein Blick in die Zukunft des Holzes mit Ingo Marini,
Manfred Brandstätter und Gerhard Schickhofer.
Er war nicht nur Vorstand des Institutes für Verfahrenstechnik, Umwelt­
technik und Technische Biowissenschaften an der
tu
Wien, sondern auch
Leiter der Arbeitsgruppe Fasertechnik. In der Industrie galt das berufliche
Augenmerk des studierten Chemikers Ingo Marini der chemischen Ver­
wertung von Holz für Produkte, deren Grundsubstanz Zellulose ist, jene
bedeutende organische Verbindung, die aus Zellstoff gewonnen wird. Die
Ausbeute ­heute sind etwa
40
Prozent Zellulose, der Rest, Lignin, wird
beim Kochen verbrannt. Kein Wunder also, dass Marini von einem ­Rohstoff
Holz träumt, der mehr Alpha-Zellulose und weniger ­Lignin enthält. Wie
das gehen soll? Seine Antwort: mit gentechnischen Veränderungen am
Rohstofflieferanten Baum.
Hier hätte sich vermutlich Manfred Brandstätter eingeschaltet, wäre un­
ser Interview ein Round-Table-Gespräch gewesen. Der Geschäftsführer
der Holzforschung Austria hält die Kittsubstanz Lignin für ein höchst
spannendes Material, das weiterverwendet statt verbrannt werden sollte.
Lignin könnte als Klebstoff in Holzwerkstoffen verwertet werden, meint er
und ergänzt, dass schon lange dazu geforscht werde, ein Durchbruch al­
lerdings noch nicht gelungen sei.
Der Versuch, alles aus dem Rohstoff Holz heraus­zuholen und bis aufs
Letzte zu optimieren, sei eine Gratwanderung, bei der Aufwand und Er­
gebnis immer wieder in Relation gebracht werden müssten. „Die Prozess­
kette muss wirtschaftlich Sinn ergeben“, meint Brandstätter und ergänzt,
dass weder Prozesse noch Systeme zu komplex werden dürften. Als Bei­
spiel nennt er die Güte­klassen: Zu viele Güteklassen würden Planer eher
verwirren und abschrecken. Also besser weniger Klassen, aber dafür klare
und gut aufeinander abgestimmte Kennwerte. Das beginnt bei den Bau­
holzklassen und gilt auch für Brettschicht- und Brettsperrholz.
Die Suche nach wirklich neuen Produkten würde sich schon ­lohnen, etwa
nach Hybridbaustoffen, in denen nicht hölzerne Werkstoffe mit Holz oder
auch nur unterschiedliche Holzarten miteinander kombiniert werden. Im
Versuch, damit anwendungsbezogen Schwächen auszumerzen und Festig­
keit, Brandbeständigkeit oder Haltbarkeit zu verbessern, sei sicher noch
Potenzial gegeben. Ach ja, und – Thema Leichtigkeit – Materialeinspa­
rungen wären möglich. Im Brettsperrholz sei heute noch zu viel Material
in der Platte.
Grundsätzlich ist der Forscher der Meinung, dass man nicht alles zerlegen
und wieder zusammensetzen muss, weil das mit erheblichem Aufwand,
Energieeinsatz und oft mit Materialverlust verbunden ist. „Holz ist von Natur
aus ein hoch intelligentes, hoch komplexes Material – vielfältig und effizi­
ent einsetzbar –, das man so verwenden kann, wie es ist.“ Spätestens hier
wird deutlich, dass Brandstätter „mehr von der stofflichen Seite herkommt“.
Das gilt auch für Gerhard Schickhofer, der das Institut für Holzbau und
Holztechnologie an der Fakultät für Bauingenieurwesen der
tu
Graz lei­
tet. Stamm, Brett, Furnier, dann ist beim Bauingenieur, der Tragfähigkeit
braucht, Schluss. Sein Ansatz sei, betont Schickhofer mehrmals, die natür­
liche Ressource Holz in ihrer Vielfältigkeit zu verwenden und zu optimie­
ren, das im Holz ­liegende Potenzial ganz auszuschöpfen. Stichwort: intel­
ligente Ressourcennutzung.
Je höher der Zerlegungsgrad, desto geringer wird die Beanspruchbarkeit
des Einzelelements. Aber die Möglichkeit der Homogenisierung wird umso
größer, je höher der Zerlegungsgrad ist.“ Für den Ingenieur ist dies ein
wichtiger Punkt, denn durch Homogenisierung wird die Streuung der Mate­
rialkennwerte reduziert, ­etwa von Zug- und Biegefestigkeit. Das Material
wird berechenbar. Andererseits geht bei Platten Tragfähigkeit verloren.
Wie kann also der Materialnachteil – die hohe Streu­ung – reduziert und
zugleich die Tragfähigkeit erhalten werden? Schickhofer plädiert einer­
seits für eine gute Vorsortierung des Holzes und andererseits für Homo­
genisierung durch Systemwirkung – und für die Verbindung der beiden
Prozesse, um Werkstoffgrößen auf hohes Niveau zu bringen. Geschickter
Produktaufbau bedingt, was die Forscher des Grazer Institutes „serielles
Zusammenwirken“ nennen. Nicht ein einzelnes Produkt wirkt, sondern ein
System aus paralle­len Elementen nebeneinander. „Erst durch den Aufbau
von System­produkten reduziert sich die Streuung auf
10
bis
15
Prozent.“
An unserem fiktiven Round Table hätte Brandstätter der letzten Wortmel­
dung zumindest in einem Punkt zugestimmt. Auch für ihn steht die stoff­
liche Verwertung des Holzes an erster Stelle. Um zu sehen, wo Stärken
und Potenziale des Stamms liegen, müsse die Scanning-Technologie for­
cierter entwickelt und angewandt werden. Die Devise: Je früher, desto
besser, desto wirtschaftlicher. Was einmal falsch geschnitten wurde,
bleibt minderwertig.
Der Tenor ist ein gemeinsamer: Allein in optimierten Verwertungsprozes­
sen ließe sich schon viel mehr an Qualitäten des Holzes herausholen – bes­
ser: der vielen Holzarten. In Zukunft, meinen Brandstätter und Schickhofer
unisono, müsse man sich stärker mit der Vielzahl der Hölzer beschäftigen,
die in Österreichs Forsten stehen. Einige mehr könnten im Bau eingesetzt
werden. „Man kann eine Fichte nicht hochtunen“, meint Schickhofer, aber
in Laub­hölzern wie der Buche, der naturgewachsenen Pappel – in dem,
was man am Weg liegen lässt“ – liege ein enormes Potenzial. Die Zukunft
des Holzes liegt demnach in der Optimierung des Vorhandenen – in intel­
ligenter Ressourcennutzung eben.
Manfred Brandstätter
Geschäftsführer
der Holzforschung
Austria
Gerhard Schickhofer
Leiter des Institutes für Holzbau und Holz­
technologie an der Fakultät für Bauingenieur­
wesen der
tu
Graz
Ingo Marini
ehemaliger Vorstand des Institutes für Verfahrenstechnik,
­
Umwelttechnik und Technische Biowissenschaften an der
tu
Wien, ehemaliger Leiter der ­Arbeitsgruppe Fasertechnik
Karin Tschavgova
studierte Architektur in Graz, seit
­
langem freie Fachjournalistin und
­
Architekturvermittlerin, Lehrtätigkeit
an der
tu
Graz
Essay II
Was können wir aus, an und mit Holz besser
­
machen?
Karin Tschavgova