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Haus ohne Beton in Breitenfurt

erschienen in
Zuschnitt 87 Holz, Lehm, Stroh, Dezember 2022

Daten zum Objekt

Standort

Breitenfurt/AT

Bauherr:in

privat

Architektur

Andi Breuss, Wien/AT, www.andibreuss.at

Statik

Zehetgruber + Laister ZT GmbH, Zwettl/AT, www.zehetgruber-laister.at

Holzbau

Holzbau Simlinger GmbH, Jaidhof/AT, www.simlinger.at

Fertigstellung

2020

Typologie

Einfamilienhaus

Ein Einfamilienhaus aus Holz und Lehm

Mit bis zu fünfzig Personen hatte der Planer Andi Breuss gerechnet. Aber sicher nicht mit den knapp 400, die schlussendlich Mitte September kamen, um sich am Tag von „Open House“ das „Haus ohne Beton“ anzuschauen. Sie alle wollten wissen, wie man gänzlich ohne Beton baut. Das Einfamilienhaus steht in Breitenfurt, einer Gemeinde am Stadtrand von Wien. Von der Straße aus sieht man ein zweigeschossiges, mit Holz bekleidetes Haus, das sich trapezförmig, der Grundstücksgrenze folgend, zum hangabwärts liegenden Garten hin öffnet. In der Einfamilienhausgegend fällt das Haus schon allein wegen der Holzfassade angenehm auf. Dass es ein Holz- und Lehmhaus ist, erkennt allerdings nur, wer sich auch im Inneren des Hauses umschauen kann.

Das Interesse am Bauen mit Holz und Lehm ist groß. Wenn man sich dafür zu interessieren beginnt und googelt, stößt man schnell auf den Planer Andi Breuss. So war es auch bei dem jungen Paar aus Breitenfurt, das nicht nur mit Holz und Lehm bauen wollte, sondern am liebsten gleich ganz ohne Beton. Im Vorgespräch erzählten sie dem Planer, dass sie schon ein wenig dazu recherchiert hätten, wie man ein Haus ohne Fundament bauen kann. Ein Haus ohne Betonfundament, das wollte Andi Breuss schon lange machen. Deshalb steht das Einfamilienhaus in Breitenfurt nun auf Schraubfundamenten aus Stahl. Sie sehen aus wie übergroße Schrauben und werden an den vorgesehenen Stellen, der Lastangabe des Tragwerksplaners folgend, ins Erdreich gedreht. Zwischen Bodenplatte und Terrain gibt es einen Luftraum von etwa 30 cm. Damit die Hinterlüftung auch auf dem Hanggrundstück funktioniert, läuft um das Haus herum ein kleiner Graben. Auf den Schraubfundamenten liegt die Bodenplatte aus Brettsperrholz auf. Der Bodenaufbau besteht aus einer Perlitschüttung, einem Blindboden, einem Lehmestrich zwischen Polsterhölzern und einem Holzfußboden. Die Fußbodenheizung ist zwischen den Polsterhölzern im Lehm verlegt.

In den Details und Aufbauten dieses Hauses steckt viel Erfahrung des Lehmbauexperten, die er durch Experimente am eigenen Haus stetig ergänzt. Boden, Wand und Decken bestehen aus ­einer Holz-Lehm-Konstruktion. Es gibt in dem Haus keine Innenwände mit Metall- sondern nur mit Holzständern. Es gibt auch keine Folien und Abdichtungen. Verleimte Holzträger und -platten kamen nur zum Einsatz, wo nötig, wie zum Beispiel bei der Bodenplatte aus Brettsperrholz.

Das Haus in Breitenfurt steht auf leicht abschüssigem Terrain. Den Höhenunterschied im Erdgeschoss gleicht eine Rampe aus. Diese Rampe wird von einem offenen Holzregal begleitet, hinter dem sich die offene Wohnküche mit Zugang zur Terrasse befindet. Die Atmosphäre im Innenraum wird geprägt von den erdigen Tönen der Lehm- und Holzoberflächen an Wand und Boden sowie den schönen Ausblicken in Garten und Landschaft. Im Erdgeschoss gibt es ein Schlafzimmer mit Badezimmer, im oberen Geschoss drei Schafzimmer, einen Arbeitsraum und ein weiteres Badezimmer. Die Innenwände sind mit sägerauem Holz bekleidet, die Außenwände mit einer in drei Schichten aufgetragenen Lehmschicht. Da Lehm nicht brennbar ist, wirkt sie im Hinblick auf den Brandschutz wie eine Gipskartonplatte. Die Lehmschicht ist feuchtigkeitsregulierend und sorgt dank ihrer porösen und strukturierten Oberfläche für eine gute Akustik und ein angenehmes Innenraumklima. Damit die Außenwände auch eine gewisse Speichermasse haben, bestehen sie aus einer massiven, mit Holzdübeln verbundenen Brettstapelkonstruktion, einer Holzrahmenkonstruktion mit Holzfaserdämmung und einer Holzfassade. Die Decke ist eine Brettstapeldecke, das Dach ein Sparrendach mit einfacher Blechdeckung.

Damit die Bauteile bauphysikalisch wirksam sind, muss jede Schicht diffusionsoffen sein, erklärt Andi Breuss. Die Holzfassade ebenso wie der Bodenbelag sind nicht geölt, lackiert oder gestrichen, sondern sägerau und unbehandelt eingebaut. Wie bei der Außenwand kommen auch die Boden- und Deckenplatten ohne Abdichtung oder Folien aus. Lediglich im Badezimmer wollte der Bauherr zur Sicherheit eine EPDM-Folie im Boden haben. Dafür findet man hier im Badezimmer mit Holz verkleidete Wände aus Weißtanne. Die Wandbekleidung im Badezimmer ist hinterlüftet, damit das Holz richtig abtrocknen kann.

Das überlegte, ressourcensparende Planen und Bauen zeigt sich auf unterschiedlichen Ebenen. Beim Dach beispielsweise verzichtete Andi Breuss bewusst auf Brettschichtholz. „Wenn möglich, verwende ich keine Brettschichtholzträger, sondern einfaches Schnittholz“, erzählt er. Dafür nahm er eine zusätzliche Stahlstütze in Kauf.

Andi Breuss plante das Haus so, dass viel in Eigenleistung gemacht werden konnte. Der Zimmermann stellte das Haus auf und das junge Paar fertigte nach Anweisungen des Planers den kompletten Innenausbau inklusive der Außenwanddämmung und der Fassade aus gefälzter Weißtannenschalung.

Das ganze Haus kann man wieder auseinandernehmen, die Schraub­fundamente herausschrauben. Übrig bleibt dann ein kleiner Schacht, durch den das Haus mit Wasser, Elektrik und Internet versorgt wird. Dieser ist aus Beton – laut Andi Breuss hätte man auch hier darauf verzichten können.


verfasst von

Anne Isopp

ist freie Architekturjournalistin. Sie studierte Architektur an der TU Graz und TU Delft und Qualitätsjournalismus an der Donau Universität Krems. Sie war von 2009 bis 2020 Chefredakteurin der Zeitschrift Zuschnitt.

Erschienen in

Zuschnitt 87
Holz, Lehm, Stroh

Ideale Partner für klimaneutrales, ressourcenschonendes Bauen

8,00 €

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Zuschnitt 87 - Holz, Lehm, Stroh