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Vom Einzelmodul zur Serie
Die Entwicklung des Raummodulbaus

erschienen in
Zuschnitt 67 Raumstapel, September 2017

Seit der Erfindung von Brettsperrholz in den 1990er Jahren hat die Raummodul- bzw. Raumzellenbauweise kontinuierlich an Bedeutung gewonnen. Doch wie bei allen Konstruktionsarten gibt es auch hier Grenzen der Sinnhaftigkeit, die es auszuloten gilt.

Hubert Rieß, einer der Pioniere im Holzbau in Österreich, beschreibt, wie er gemeinsam mit der Firma Kulmer und dem Bauphysiker Heinz Ferk die ersten Raummodule entwickelte, um Holzbau im preislich gedeckelten sozialen Wohnbau konkurrenzfähig anbieten zu können. Das wurde durch die weitgehende Fertigung im Werk erreicht, bei zusätzlich höherer Präzision, besseren Arbeitsbedingungen, weniger Verkehr und kürzeren Bauzeiten. Das erste Bauwerk, das er in Raummodulbauweise errichtete, war jedoch schließlich ein dreigeschossiger Bürobau – das Impulszentrum in Graz-Reininghaus (2004), das bis heute ein gelungenes Beispiel für diese Bauweise ist. Schwierig gestaltete sich für ihn immer wieder die Zusammenarbeit mit den Produzenten, zugleich unterstreicht er jedoch die große Bedeutung von visionären und professionell arbeitenden Anbietern.

Ebenfalls von Anfang an mit dabei war neben Kaufmann 96 (Johannes Kaufmann und Oskar Leo Kaufmann) das Tiroler Architekturbüro Holzbox von Armin Kathan und Erich Strolz. Zwischen 2004 und 2008 entstanden unter anderem vier Ferien- und Jugendcamps, die aus drei beliebig kombinierbaren Einheiten bestehen. Auch heute noch arbeitet Armin Kathan mit Raumzellen. Er betont, dass sich die Raummodulbauweise aus seiner Sicht nur dann gut entwickeln wird, wenn sie sinnvoll und mit Augenmaß zur Anwendung kommt. Dazu gehören aus seiner Sicht der Verzicht auf Klebstoff, auf Verbundstoffe und auf chemischen Holzschutz sowie die Einhaltung von sinnvollen Höhen im vier- bis fünfgeschossigen Bereich. 

Seit vielen Jahren arbeitet Konrad Merz als Statiker mit Raummodulen, und auch er plädiert für eine differenzierte Sichtweise: Sinnvoll sei ihr Einsatz dort, wo es einzellige, kleinteilige Nutzungen gibt, die man bis hin zu den Installationen unter optimalen Bedingungen im Werk vorfertigen und im Stück transportieren kann, wie etwa bei Hotels, Studenten- und Seniorenheimen. Durch eine stetige Verlagerung von den Material- zu den Lohnkosten würde der damit verbundene Aspekt des effizienten Einsatzes von Arbeitskräften im Bau immer wichtiger. Bei Nutzungen, die aus Transportgründen nicht in einer Zelle abgebildet werden können, z. B. bei Klassenzimmern, sei es schon schwieriger, für die Raumzellenbauweise zu argumentieren, weil hier jeweils zwei oder drei Einheiten transportiert werden und – im Fall von drei Einheiten – eine davon zwei offene Seiten hat, also viel »Luft« zu befördern ist. Könne man aber mehrgeschossig und mit vielen Raumzellen bauen, in die Leitungen, Nasszelle, Küche etc. schon integriert sind, dann sei es günstiger, präziser, vielleicht etwas planungsintensiver, was jedoch durch eine deutlich kürzere Bauzeit kompensiert werden könne. Generell, so Merz, müsse man bedenken, dass die Raumzellenbauweise durch die Doppelung von Wänden und Decken materialintensiver als die Elementbauweise und die Konstruktion nur dann sinnvoll ist, wenn es sich um eine geradlinige Architektur handelt. Doch gerade bei den oben genannten Nutzungen sowie bei temporären Bauten oder vorübergehenden Ausweichquartieren sei diese Voraussetzung oft gegeben – und bei letzteren auch eine Wiederverwertung möglich.

Den Geschosswohnbau am ehemaligen Areal der Grazer Hummelkaserne plante Simon Speigner (sps÷architekten) ebenfalls in Raumzellenbauweise. Die rechtlichen Rahmenbedingungen, die das steirische Wohnbauförderungsgesetz bezüglich der Wohnungs- und Zimmergrößen vorgibt, führten jedoch dazu, dass das Bauwerk schließlich in herkömmlicher Massivholzbauweise ausgeführt wurde, weil die große Anzahl unterschiedlicher Raummodule zu kostenintensiv gewesen wäre. Auch Speigner schätzt die pro-duktionstechnischen und logistischen Vorteile der Raumzellenbauweise und arbeitet derzeit an mehreren derartigen Projekten. Die Grenzen des Systems sieht er dort, wo die Architektur Einschränkungen erfährt, wo Sonderwünsche der künftigen Nutzer zu berücksichtigen sind und Transportwege zu lang werden. Damit in Zusammenhang wünscht er sich mehr regionale Firmen, die den Markt versorgen, damit auch in Randlagen in Raummodulbauweise gebaut werden kann, wenn es sich anbietet.

Zusammenfassend kann gesagt werden, dass die Raumzellenbauweise sich zu einem etablierten System entwickelt hat und – wie jede andere Bauweise auch – dann zum Einsatz kommen sollte, wenn ihre Vorteile bestmöglich mit den Anforderungen der Bauaufgabe in Einklang stehen.


verfasst von

Eva Guttmann

ist Autorin, Lektorin und Herausgeberin im Fachbereich Architektur

Erschienen in

Zuschnitt 67
Raumstapel

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Zuschnitt 67 - Raumstapel

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