Es antworten Tom Kaden, Professor an der TU Graz, Institut für Architektur und Holzbau, Helmut Dietrich, Architekt und Lehrgangsleiter von überholz, einem Masterlehrgang für Holzbaukultur an der Kunstuniversität Linz, Johann Blinzer, Schulleiter HTL und Fachschule am Holztechnikum Kuchl
Österreich
Wie schaut die ideale Holzbau-Ausbildung aus?
… an den Universitäten
Tom Kaden Oft entwickeln Architekten zuerst ihre materialunspezifischen Entwürfe und gehen erst dann zum Tragwerksplaner und zum Brandschutzplaner. Das ist der falsche Weg. Wir sollten von Anfang an mit allen zukünftig am Bau Beteiligten zu tun haben. Deshalb laden wir bei uns im Masterstudio an der TU Graz auch von Anfang an die Ingenieure ein – sowohl die Professoren als auch die Studierenden. Das Gleiche gilt für den Brandschutz und die Haustechnik. Wir zeigen den Studierenden, dass wir schon für die erste Skizze sehr viel wissen müssen. Wie könnte der bauliche Brandschutz aussehen? Über welche Materialität, welches System reden wir? Wir zeigen den Studierenden, warum man im Holzbau alle technologischen, architektonischen Fragen und Details schon in der Planungszeit und eben nicht erst auf der Baustelle klären kann. Das ist für uns das A und O für die Holzbau-Planung und für die Ausbildung.
… in der Weiterbildung
Helmut Dietrich Das Wunderbare am Holz ist, dass die Zugänge zum Material unendlich vielfältig sind. Die Frage, wie man richtig mit Holz konstruiert, ist umfassender zu beantworten als beispielsweise bei Beton. Die Sorge der meisten, Fehler zu machen, ist berechtigt. Um das zu vermeiden, braucht es das Know-how eines professionellen Planungsteams. Das Wichtige am Lehrgang überholz ist deshalb, dass er sich nicht nur an Architekten und Bauingenieure richtet, sondern auch an Fachleute aus dem Holzbau. Bei überholz wird im interdisziplinären Team geübt, wie man im Holzbau richtig entwirft, konstruiert und baut. Dafür steht eine ganze Bandbreite an Experten zur Verfügung: Tragwerksplaner, Architekten, Holzbauer, Bauphysiker und Haustechniker. Wichtig ist, dass alle die Sprache des anderen verstehen. Hier braucht es immer wieder den Austausch zwischen denen, die entwerfen, denen, die konstruieren, und denen, die die Bauphysik beurteilen können.
… im Handwerk
Johann Blinzer Diese Frage kann ich nicht eindeutig beantworten, hierzu ist eine differenzierte Betrachtung erforderlich. Die Entwicklung und Weiterentwicklung von durchdachten Bausystemen, deren Anwendung mit möglichst hohem Vorfertigungsgrad und die rasche und konkurrenzfähige Bauabwicklung werden wettbewerbsentscheidend sein. Dazu zählen BIM-Lösungen und vor allem die rationelle Fertigungsorganisation vom Rohstoff bis zum fertigen Objekt. Hier sehe ich eine wesentliche Herausforderung für die Ausbildung an Fachschulen, HTLs und Fachhochschulen sowie für die Weiterbildung, zum Beispiel unsere Werkmeisterausbildung. Daneben bleibt die klassische Hochbau-/Holzbau-Ausbildung wichtig. Das Bauen selbst bleibt bei den Zimmerern und Holzbauern. Die Aufwertung der Polier- und Meisterausbildung war und ist uns ein wichtiges Anliegen. Die Weiterbildung, auch gemeinsam mit HTLs, Fachhochschulen und Universitäten, muss in diesem Bereich eine ganz zentrale Bedeutung behalten.
Wo liegen die Defizite in der derzeitigen Ausbildung?
… an den Universitäten
Tom Kaden Es fehlt den Studierenden logischerweise an Grundwissen zum Thema Holzbau. Um dies zu ändern, können wir ab nächstem Semester die Studierenden schon zu Beginn des Studiums mit Fragen rund um den Holzbau konfrontieren: Wo kommt der Werkstoff her? Wie entwickelt er sich vom Stamm zur vorkonfektionierten Tafel? Wir stecken also mehr Zeit in die Grundausbildung, um dann am Ende im Diplom oder im Masterstudium nicht mehr über verwirrende Begrifflichkeiten sprechen zu müssen. Je früher wir positiven Einfluss gewinnen, umso besser können wir die Ausbildung in den späteren Semestern spezifizieren.
… in der Weiterbildung
Helmut Dietrich Viele haben das Gefühl, dass sie mit der Ausbildung, die sie an der Universität bekommen haben, nicht befähigt sind, einen Holzbau zu konstruieren und zu planen. Die Ausbildung an den Architekturschulen ist grundsätzlich nicht sehr materialspezifisch. Vielfach wird der Holzbau nur am Rande gestreift. Nun hat aber sowohl auf der Bauherrenseite als auch bei Planenden der Holzbau einen neuen Stellenwert bekommen, und sie wollen dieses fehlende Wissen erlernen. Die Zimmerleute hingegen wissen zwar von der praktischen Seite her vieles. Sie kommen zu überholz mit dem Bedürfnis, verstehen zu wollen, wie Planer denken, um professionell mit ihnen arbeiten zu können.
… im Handwerk
Johann Blinzer Die derzeitigen Defizite ergeben sich aus den Ausführungen zur Ausbildung. Die dynamische Entwicklung des Holzbaus insgesamt und der Bedarf an Fachkräften erfordert vermehrte Anstrengungen in allen Aus- und Weiterbildungsbereichen. Die Aus- und Weiterbildung von Fachleuten wird entscheidend sein für die nachhaltige Entwicklung des Bauens mit dem genialen Werkstoff Holz.
Tom Kaden, Professor an der TU Graz, Institut für Architektur und Holzbau, www.tugraz.at/arbeitsgruppen/iat-holz/professur
Helmut Dietrich, Architekt und Lehrgangsleiter von überholz, einem Masterlehrgang für Holzbaukultur an der Kunstuniversität Linz, www.ueberholz.ufg.ac.at
Johann Blinzer, Schulleiter HTL und Fachschule am Holztechnikum Kuchl, www.holztechnikum.at