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Nachgefragt
Wie steht es um die Holzbau-Ausbildung?

erschienen in
Zuschnitt 78 Ausbildung Holzbau, September 2020

Österreich

Wie schaut die ideale Holzbau-Ausbildung aus?

… an den Universitäten

Tom Kaden Oft entwickeln Architekten zuerst ihre materialunspezifischen Entwürfe und gehen erst dann zum Tragwerksplaner und zum Brandschutzplaner. Das ist der falsche Weg. Wir sollten von Anfang an mit allen zukünftig am Bau Beteiligten zu tun haben. Deshalb laden wir bei uns im Masterstudio an der tu Graz auch von Anfang an die Ingenieure ein – sowohl die Professoren als auch die Studierenden. Das Gleiche gilt für den Brandschutz und die Haustechnik. Wir zeigen den Studierenden, dass wir schon für die erste Skizze sehr viel wissen müssen. Wie könnte der bauliche Brandschutz aussehen? Über welche Materialität, welches System reden wir? Wir zeigen den Studierenden, warum man im Holzbau alle technologischen, architektonischen Fragen und Details schon in der Planungszeit und eben nicht erst auf der Baustelle klären kann. Das ist für uns das A und O für die HolzbauPlanung und für die Ausbildung.

… in der Weiterbildung

Helmut Dietrich Das Wunderbare am Holz ist, dass die Zugänge zum Material unendlich vielfältig sind. Die Frage, wie man richtig mit Holz konstruiert, ist umfassender zu beantworten als beispielsweise bei Beton. Die Sorge der meisten, Fehler zu machen, ist berechtigt. Um das zu vermeiden, braucht es das Know-how eines professionellen Planungsteams. Das Wichtige am Lehrgang überholz ist deshalb, dass er sich nicht nur an Architekten und Bauingenieure richtet, sondern auch an Fachleute aus dem Holzbau. Bei überholz wird im interdisziplinären Team geübt, wie man im Holzbau richtig entwirft, konstruiert und baut. Dafür steht eine ganze Bandbreite an Experten zur Verfügung: Tragwerksplaner, Architekten, Holzbauer, Bauphysiker und Haustechniker. Wichtig ist, dass alle die Sprache des anderen verstehen. Hier braucht es immer wieder den Austausch zwischen denen, die entwerfen, denen, die konstruieren, und denen, die die Bauphysik beurteilen können.

… im Handwerk

Johann Blinzer Diese Frage kann ich nicht eindeutig beantworten, hierzu ist eine differenzierte Betrachtung erforderlich. Die Entwicklung und Weiterentwicklung von durchdachten Bausystemen, deren Anwendung mit möglichst hohem Vorfertigungsgrad und die rasche und konkurrenzfähige Bauabwicklung werden wettbewerbsentscheidend sein. Dazu zählen bim-Lösungen und vor allem die rationelle Fertigungsorganisation vom Rohstoff bis zum fertigen Objekt. Hier sehe ich eine wesentliche Herausforderung für die Ausbildung an Fachschulen, htls und Fachhochschulen sowie für die Weiterbildung, zum Beispiel unsere Werkmeisterausbildung. Daneben bleibt die klassische Hochbau-⁄ Holzbau-Ausbildung wichtig. Das Bauen selbst bleibt bei den Zimmerern und Holzbauern. Die Aufwertung der Polier- und Meisterausbildung war und ist uns ein wichtiges Anliegen. Die Weiterbildung, auch gemeinsam mit htls, Fachhochschulen und Universitäten, muss in diesem Bereich eine ganz zentrale Bedeutung behalten.

Wo liegen die Defizite in der derzeitigen Ausbildung?

… an den Universitäten

Tom Kaden Es fehlt den Studierenden logischerweise an Grundwissen zum Thema Holzbau. Um dies zu ändern, können wir ab nächstem Semester die Studierenden schon zu Beginn des Studiums mit Fragen rund um den Holzbau konfrontieren: Wo kommt der Werkstoff her? Wie entwickelt er sich vom Stamm zur vorkonfektionierten Tafel? Wir stecken also mehr Zeit in die Grundausbildung, um dann am Ende im Diplom oder im Masterstudium nicht mehr über verwirrende Begrifflichkeiten sprechen zu müssen. Je früher wir positiven Einfluss gewinnen, umso besser können wir die Ausbildung in den späteren Semestern spezifizieren.

… in der Weiterbildung

Helmut Dietrich Viele haben das Gefühl, dass sie mit der Ausbildung, die sie an der Universität bekommen haben, nicht befähigt sind, einen Holzbau zu konstruieren und zu planen. Die Ausbildung an den Architekturschulen ist grundsätzlich nicht sehr materialspezifisch. Vielfach wird der Holzbau nur am Rande gestreift. Nun hat aber sowohl auf der Bauherrenseite als auch bei Planenden der Holzbau einen neuen Stellenwert bekommen, und sie wollen dieses fehlende Wissen erlernen. Die Zimmerleute hingegen wissen zwar von der praktischen Seite her vieles. Sie kommen zu überholz mit dem Bedürfnis, verstehen zu wollen, wie Planer denken, um professionell mit ihnen arbeiten zu können.

… im Handwerk

Johann Blinzer Die derzeitigen Defizite ergeben sich aus den Ausführungen zur Ausbildung. Die dynamische Entwicklung des Holzbaus insgesamt und der Bedarf an Fachkräften erfordert vermehrte Anstrengungen in allen Ausund Weiterbildungsbereichen. Die Ausund Weiterbildung von Fachleuten wird entscheidend sein für die nachhaltige Entwicklung des Bauens mit dem genialen Werkstoff Holz.

Tom Kaden, Professor an der TU Graz, Institut für Architektur und Holzbau, www.tugraz.at

Helmut Dietrich, Architekt und Lehrgangsleiter von überholz, einem Masterlehrgang für Holzbaukultur an der Kunstuniversität Linz, www.ueberholz.ufg.ac.at

Johann Blinzer, Schulleiter HTL und Fachschule am Holztechnikum Kuchl, www.holztechnikum.at

Deutschland

Wie schaut die ideale Holzbau-Ausbildung aus?

… an den Universitäten

Manfred Stieglmeier Wie beim konventionellen Bauen ist auch im Holzbau ein ineinandergreifendes Planen von Architektur und Ingenieurwesen notwendig – ein Team, das idealerweise bereits zu Beginn in den Planungsprozess eingebunden ist. Für die Ausbildung der Studierenden wäre daher ein interdisziplinärer Lehr- und Forschungsverbund unter Einbindung der Holztechnik ideal, um den hohen baukulturellen und bautechnischen Ansprüchen des Holzbaus gleichermaßen gerecht zu werden.

Wo liegen die Defizite in der derzeitigen Ausbildung?

Manfred Stieglmeier Das Angebot der jeweiligen Lehrstühle für Entwerfen und Konstruieren in der deutschen Hochschullandschaft hängt stark von den jeweiligen Lehrstuhlinhabern ab. Je nach ihrer Neigung und Expertise fließt das Fachgebiet des Holzbaus mal mehr, mal weniger in die Lehre ein. Eine Ausnahmestellung hat hier die Professur von Hermann Kaufmann für Entwerfen und Holzbau an der TU München. Der vorgefertigte Holzbau fordert bereits in der Vorplanung umfangreiche Kenntnis im Brandschutz und der Bauphysik sowie der Elementierung der Bauteile. Diese Expertise fließt meist durch spezialisierte Tragwerksplaner oder Holzbauingenieure ein. Die Ausbildung zum Holzbauingenieur nach dem Schweizer Modell vereint das Wissen aus den Fachrichtungen der Holztechnik und der Tragwerksplanung.
In der deutschen Hochschullandschaft sind dies in der Regel zwei unterschiedliche Studiengänge. Aus diesem Grund konnte sich das Berufsbild des Holzbauingenieurs als Fachingenieur bisher in Deutschland kaum etablieren. Bauingenieure mit Schwerpunkt Holzbau werden universitär vorrangig am Lehrstuhl von Stefan Winter für Holzbau und Baukonstruktion an der TU München ausgebildet. Im Bereich der Hochschulen nimmt neben Biberach und Hildesheim die Technische Hochschule Rosenheim eine Vorreiterrolle ein. Hier werden traditionell der Holzbau und die Holztechnik, mit allen Belangen der Vorfertigung, sowie die Bauingenieurausbildung mit Schwerpunkt auf nachhaltigem Holzbau und Energieeffizienz angeboten. Im Bereich der berufsbegleitenden Weiterbildung hat die  TH Rosenheim darüber hinaus einen Masterstudiengang Holzbau und Energieeffizienz im Repertoire.

Manfred Stieglmeier, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Professur Entwerfen und Holzbau der TU München

Schweiz

Wie schaut die ideale Holzbau-Ausbildung aus?

… im Handwerk

Hans Rupli Das Bildungssystem der Holzbaubranche soll die Betriebe und deren Mitarbeitende befähigen, den aktuellen und künftigen Marktanforderungen gerecht zu werden und sich attraktiv auf dem Arbeitsmarkt zu positionieren. Nicht zuletzt gehören zukunftsfähig ausgebildete und leistungsmotivierte Mitarbeitende auf allen Stufen zu den relevantesten Erfolgsfaktoren eines Unternehmens.

Im Vergleich zu Österreich sind die Schweizer Betriebe bereit, markant höhere Investitionen in die Bildung zu tätigen. Zur Steigerung der Bildungsrate investieren die verbandlich organisierten Betriebe jährlich 0,8 Prozent ihrer Lohnsumme – ca. 4,5 Mio. CHF (ca. 4,18 Mio. Euro) pro Jahr – in einen Bildungsfonds. Bilden die Betriebe ihre Mitarbeitenden aus und weiter, bekommen sie ihr Geld anteilsmäßig in Form von subventionierten Bildungsangeboten zurück. Zur Pflege und Weiterentwicklung des Bildungssystems durch Holzbau Schweiz investieren alle schweizerischen Betriebe zusätzlich jährlich 72,– CHF (ca. 67,– Euro) pro Mitarbeitenden in einen weiteren Bildungsfonds. Bei innovativen Bildungsprojekten mit »Leuchtturmcharakter« kann teilweise auch noch eine staatliche Förderung erfolgen. Diese Finanzierungsbasis erlaubt, das Bildungssystem professionell zu pflegen und weiterzuentwickeln. Dafür ist Holzbau Schweiz als nationale Branchenorganisation zuständig. Basis für das Bildungssystem sind eine marktorientierte Branchenstrategie zur Definition der angestrebten Kompetenzprofile und ein systemisches Bildungsmodell mit einem Karriereplan Holzbau. Die Kompetenzprofile orientieren sich an den Anforderungen des Marktes, an den individuellen Anforderungen der Betriebe, der sozialen Anerkennung der Berufe und ihrer Karriereoptionen sowie an der regionalen Baukultur. Der Karriereplan beinhaltet zwei eigenständige Grundausbildungen mit einer zwei- respektive vierjährigen Bildungszeit und Fortbildungsmöglichkeiten zum/zur Holzbau-Vorarbeiter/-in, Holzbau-Polier/-in, Holzbau-Techniker/-in, Holzbau-Meister/-in und Holzbau-Ingenieur/-in mit Bachelorabschluss. Der Karriereplan ist durchgängig gestaltet unter dem Motto »kein Abschluss ohne Anschluss«. Die Holzbau-Ingenieure leisten einen wesentlichen Beitrag zur stärkeren Marktdurchdringung des mehrgeschossigen Bauens mit Holz. Auch für die Entwicklung der Lehrmittel in den Bereichen Grundbildung und höhere berufliche Bildung ist Holzbau Schweiz zuständig. Dazu gehört auch der Aufbau einer elektronischen Bildungsplattform Holzbau. Diese soll ergänzend zum Präsenzunterricht an Schulen die Bildung zu den Mitarbeitenden bringen und ihnen zeit- und ortsunabhängig Weiterbildung ermöglichen. Die Wissensvermittlung erfolgt durch unabhängige, regionale Bildungsinstitutionen. Hingegen werden die Abschlussprüfungen in den Bereichen Grundbildung und höhere berufliche Bildung durch Holzbau Schweiz und seine Sektionen national einheitlich organisiert und durchgeführt.

Investitionen in Bildung gehören zu den wesentlichsten Investitionen in die Zukunft. Dieses Bekenntnis zeichnet die schweizerischen Betriebe aus und bildet die Basis für ihren betrieblichen Erfolg und das Ansehen der Holzbaubranche in der Öffentlichkeit. In Anbetracht der mannigfaltigen Herausforderungen und Zukunftschancen der Holzbaubranche auch in Österreich sollten die organisatorische Zuständigkeit, die Zukunftsfähigkeit des Bildungssystems und deren Finanzierung diskutiert und optimiert werden. Denn dem Holzbau gehört die Zukunft.

Hans Rupli, Ehrenpräsident von Holzbau Schweiz, www.holzbau-schweiz.ch

Erschienen in

Zuschnitt 78
Ausbildung Holzbau

Vom Brett bis zum Haus, vom Handwerk bis zur hoch industrialisierten Fertigung – die Jobs im Holzbau sind vielfältig, spannend und modern.

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Zuschnitt 78 - Ausbildung Holzbau