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Haus St. Wunibald, Benediktinerabtei Plankstetten in Berching

erschienen in
Zuschnitt 87 Holz, Lehm, Stroh, Dezember 2022

Daten zum Objekt

Standort

Berching/DE Google Maps

Bauherr:in

Benediktinerabtei Plankstetten, Berching/DE, www.kloster-plankstetten.de

Architektur

hirner & riehl architekten und stadtplaner, München/DE, www.hirnerundriehl.de

Statik

Lerzer Ing+Plan, Neumarkt in der Oberpfalz/DE, www.lerzer-ip.de

Holzbau

Bogner Holzbau GmbH, Seubersdorf/DE, www.bognerholzbau.de

Fertigstellung

2022

Typologie

Gemischte Nutzung

Holz und Stroh im Kloster

Im bayerischen Plankstetten, einem Gemeindeteil der Stadt Berching in der Oberpfalz, liegt das derzeit größte Gebäude in Holzstrohbauweise Süddeutschlands. Das Haus St. Wunibald ist Teil des 900 Jahre alten historischen Benediktinerklosters ­Plankstetten und wurde im Zuge einer seit 1998 laufenden ­Gesamtsanierung der Abtei vom Münchner Büro hirner & riehl ­architekten geplant. Der Neubau dient als Gäste- und Tagungshaus mit dreißig Einzelzimmern und beherbergt darüber hinaus einen Kindergarten sowie die Büro- und Verwaltungsräume der Pfarrei.

Für den 60 Meter langen, dreigeschossigen Erweiterungsbau gab es seitens der Bauherren strikte Vorgaben. Neben der energetischen Einhaltung des Passivhausstandards sollten, soweit baukonstruktiv möglich, ausschließlich CO2-neutrale Baustoffe aus regionaler Herstellung zum Einsatz kommen. Die Mönche bringen mit diesen Anforderungen ihren Leitspruch „Schöpfung bewahren“ in einer profanen Interpretation zum Ausdruck. Sie leisten auch einen ganz konkreten und praxisbezogenen Beitrag: Die verwendeten 300 m3 Biostroh stammen vom 1,5 Kilometer entfernten klostereigenen Acker, knapp 400 m3 verbautes ­Fichtenholz kommen aus dem Klosterforst. Zum Einsatz kam das Material in Wänden und Decken, in der Dachkonstruktion, der Fassade und im Innenausbau.

 

Konkret handelt es sich um hundert Wandelemente in Form einer vorgefertigten Holzständerkonstruktion, die zur Dämmung mit gepressten Ballen aus langhalmigem Weizen- und Roggenstroh aus­gefüllt wurden, und um rund dreißig strohgefüllte Dachelemente. Zuvor musste das lokal gewonnene Stroh mit einer mobilen Presse entstaubt, geformt, verdichtet und so für bauliche Zwecke einsatzbereit gemacht werden.

Um den Anforderungen an den Brandschutz zu genügen, wurde aus jedem Geschoss ein Fluchtweg ins Freie geschaffen und eine Brandmeldeanlage installiert. Darüber hinaus waren konstruktive Maßnahmen notwendig, denn Stroh als normal entflammbarer Baustoff muss an der Unterseite des Dachs zusätzlich mit feuerhemmendem Gipskarton verkleidet werden. Die Außenwände sind innen durch einen mehrlagigen Lehmputz geschützt, dessen feuchteregulierende Eigenschaften zugleich ein behagliches Raumklima gewährleisten. An der Außenseite sorgt eine Beplankung mit Gipsfaserplatten für ausreichende Brandhemmung, die äußerste Schicht bildet eine Fassadenverkleidung aus unterschiedlich breiten Fichtenholzlatten. Eine graue Lasur dieser ­Latten in den Fensterlaibungen und der Vertikallamellen vor den Öffnungsflügeln strukturiert das Erscheinungsbild des Neubaus.

Auf besondere Art sichtbar sind 500 Baumstämme, die aus hauseigenen Beständen geschlagen, im Sägewerk zugesägt und vor Ort getrocknet wurden. Sie wurden im zweiten Obergeschoss als nebeneinanderliegende Deckenbalken „Mann an Mann“ verlegt (leimfrei, mit Hartholzdübeln und Spannstählen verbunden) und bilden mit Aufbeton eine Hybriddecke. Deren Untersicht verleiht den Gästezimmern im ersten Obergeschoss ihre charakteristische Erscheinung.

Aufgrund der Hanglage ragen an der Ostseite alle drei Geschosse, an der Westseite nur das oberste aus dem Gelände. Diese topografische Gegebenheit bedingt den Einsatz mineralischer Baustoffe an der Rückseite und im Untergeschoss. Hier sichern Wände aus Stahlbeton den instabilen Hang und die Standfestigkeit des ­Gebäudes, der unterirdisch gelegene Trakt stellt die Verbindung zum Bestandsgebäude her. Alle oberirdischen Gebäudeteile sind mit Ausnahme der Holz-Beton-Verbunddecken rückbaubar und entweder zur Wiederverwendung oder zum Recycling geeignet. Ökologisch nachhaltig sind nicht nur die Herkunft eines großen Teils des Materials und die Konstruktionsweise, sondern auch die regionale Herkunft und die lokale Bearbeitung der Materialien. Sie begünstigen durch kurze Transportwege die CO2-Bilanz des Gebäudes und tragen dazu bei, dass die Wertschöpfung zum ­großen Teil bei den ausführenden Firmen der unmittelbaren Umgebung bleibt.

Mit dem Haus St. Wunibald entstand ein herausragendes Beispiel für nachhaltiges Bauen in gelungener Materialpartnerschaft. Der Vorzeigebau für strohgedämmte Gebäude wurde als Partner im europäischen Forschungsprojekt Up Straw gefördert und in diesem Rahmen bestens dokumentiert. Die konsequente Herangehensweise in Aufgabenstellung, Planung und Umsetzung im Sinne einer energieeffizienten und ökologisch nachhaltigen Bauweise und zukunftsweisenden Baukultur wurde mit dem Förderpreis Nachwachsende Rohstoffe 2021 und dem Bayerischen Klimaschutzpreis 2022 bedacht.


verfasst von

Christina Simmel

leitende Redakteurin der Zeitschrift Zuschnitt

Erschienen in

Zuschnitt 87
Holz, Lehm, Stroh

Ideale Partner für klimaneutrales, ressourcenschonendes Bauen

8,00 €

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Zuschnitt 87 - Holz, Lehm, Stroh