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Verwaltungsgebäude und Betriebshof in Neustadt in Holstein

erschienen in
Zuschnitt 88 Reuse und Recycling, März 2023

Daten zum Objekt

Standort

Neustadt in Hollstein/DE Google Maps

Bauherr:in

Stadtwerke Neustadt in Holstein, Holstein/DE, www.swnh.de

Architektur

IBUS Architektengesellschaft mbH, Berlin, Bremen/DE, www.ibus-architekten.deArchitekten Rissmann & Spieß, Neustadt in Holstein/DE, www.risp-architekten.de

Statik

Drewes + Speth Beratende Ingenieure PartGmbB, Hannover/DE, www.drewes-speth.de

Holzbau

Brüggemann Holzbau GmbH, Neuenkirchen/DE, www.brueggemann-holzbau.de

Fertigstellung

2018

Ein Neubau mit recycelten und wiederverwendeten Materialien

Für die Stadtwerke Neustadt in Holstein planten IBUS Architekten ein Ensemble aus Verwaltungs- und Betriebsgebäuden. Dabei entstanden drei Massivholzgebäude, die sich um einen in den Hang integrierten Betriebshof gruppieren. Im Fokus des Projekts stand das Thema Kreislaufwirtschaft. Mit der Baumaßnahme verfolgten die Stadtwerke nicht nur das Ziel, mehr Büroflächen, bessere Arbeitsbedingungen sowie flexibel anpassbare und gestalterisch angemessene Räumlich­keiten zu schaffen. Im Vordergrund der Aufgabenstellung stand ein detailliertes Nachhaltigkeitskonzept, das die Gesichtspunkte Klimaneutralität, CO2-Abdruck – in der Betriebs- wie in der ­Herstellungsphase –, Materialverbrauch und Abfallaufkommen beinhaltete. Im Detail umfasste das Konzept vier Punkte: die ­Wiederverwendung gebrauchter Bauteile, den Einsatz von Recycling­baustoffen, einen großflächiger Einsatz nachwachsender Rohstoffe sowie Energieeffizienz im Betrieb. Zudem sollte das technische Konzept sowohl zukunftsweisend sein als auch mit einfachen Mitteln einen optimierten Aufenthaltskomfort ­ermöglichen. Bei der Umsetzung dieser Ziele wurde das Vorhaben von der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) gefördert.

Wiederverwendbare Bauteile, Recyclingprodukte, nachwachsende Rohstoffe

Die Bürotrennwände wurden direkt aus einem Abbruchobjekt erworben: Die Elemente waren zuvor in einem Hochhaus in Hamburg gestanden. Das wiederverwendbare Bausystem wurde vom Abbruchunternehmen zerstörungsfrei demontiert und in Holstein mit einer Anpassung an die Raumhöhe wieder eingebaut. Das Gebäude wurde außerdem so geplant, dass die Flurtrennwände keine Brandschutzanforderungen erfüllen mussten und keine Bauteilzulassung erforderlich war. Weniger anspruchsvoll war der Wiedereinsatz von Kacheln z. B. in den Toiletten ebenso wie der repräsentative Einsatz einer historischen Säule als Reuse-Element im Eingangsbereich. Direkt von der Industrie angeboten wurden etwa auch Teppichböden, die aus alten Fischernetzen gefertigt werden, oder aus Altglas hergestellter Schaumglasschotter. Die Fassaden des Bauwerks bestehen aus alten Eichenbalken aus Abbruchgebäuden. Dazu wurden Angebote bei Altholzlieferanten eingeholt. Das Fassadenmaterial wurde vorkonfektioniert auf die Baustelle geliefert, von einer Zimmerei angepasst und an der Fassade montiert.

Holz als nachwachsender Rohstoff bildet auch die Basis des Ensembles: Es kam sowohl konstruktiv als auch in Form von Holzfaserdämmung zum Einsatz. Zwischen den Schichten wurden keine Folien eingesetzt, sondern Baupapier. Akustikabsorber entstanden aus Seegras. Im Sinne eines umfassenden Nachhaltigkeitskonzepts ist das Gebäude zudem energetisch am Passivhausstandard orientiert. Eine reversible Erdreich-Wärmepumpe liefert Umweltwärme. Ein kleines Blockheizkraftwerk produziert Warmwasser und unterstützt die Heizung. Die Kühlung erfolgt passiv über das Erdreich und über eine Nachtauskühlung. Photovoltaikanlagen auf dem Dach produzieren Strom. Dezentrale Lüftungsanlagen mit Wärmerückgewinnung und ein nachhaltiges Beleuchtungskonzept mit Tageslichtsteuerung reduzieren den Energieverbrauch im Alltag. 

Regenwasserretention und Grauwassernutzung ergänzen das ökologische Konzept. Die Bilanz des in Holstein angewendeten Kreislaufkonzepts erwies sich als äußerst positiv. Für das Engagement und den nachhaltigen Umgang von der Formulierung der Bauaufgabe bis zur Umsetzung wurde das Projekt mit einer Nominierung für den Deutschen Nachhaltigkeitspreis Architektur gewürdigt und erhielt eine Auszeichnung im Rahmen des Ideenwettbewerbs EnEff.Gebäude.2050 in der Kategorie „Konzepte für zukunftsweisende Gebäude und Quartiere“ und den Holzbaupreis Schleswig-Holstein/Hamburg 2020 in der ­Kategorie Neubau.


verfasst von

Christine Ryll

ist Architektin und Fachredakteurin. Sie schreibt hauptsächlich über Themen im Bereich Bau, Architektur, Immobilien, IT und Digitalisierung (vor allem im Baubereich), Green Building, Innenausbau und Design.
www.rylltext.com

Erschienen in

Zuschnitt 88
Reuse und Recycling

Wiederverwendung und Verwertung von Bauteilen und ­Baustoffen, ergänzt durch den Einsatz nachhaltiger Materialien, stehen für eine neue Praxis in der Architektur.

8,00 €

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Zuschnitt 88 - Reuse und Recycling