Durch ambitionierte Forschung und visionäres Unternehmertum konnte der Holzbau ein brillantes Comeback feiern. Nachdem Holz als Baumaterial in der Moderne scheinbar vergessen worden war, gelangte es in den letzten Jahrzehnten insbesondere durch engagierte und verstärkte Entwicklung und Innovation zu einer beispiellosen Renaissance. Findige Köpfe aus Wissenschaft, Unternehmertum und Planung erfassten dabei das große Potenzial des Baustoffs: leicht und trotzdem extrem tragfähig, nachwachsend und mit guter Dämmwirkung, ist es prädestiniert für eine industrielle Vorfertigung im Werk, die eine deutlich bessere Qualitätssicherung unter Ausschluss widriger Wetterbedingungen, den anschließenden Transport und die schnelle Montage auf der Baustelle ermöglichen. Dabei entwickelte sich der Holzbau vor dem Hintergrund einer drohenden Klimakrise und der Endlichkeit unserer Ressourcen zu einem wichtigen Hoffnungsträger. Um die zukünftigen Herausforderungen im Bauwesen zu meistern, sind jedoch auch im Holzbau weiterhin stetige Innovationssprünge erforderlich.
Die weltweit steigende Bautätigkeit sowie Lieferengpässe und Preissteigerungen machen deutlich, dass eine Fortsetzung gewohnter Baupraxis in Gefahr gerät. Die Betonproduktion hat sich seit 1980 weltweit verdreitausendfacht, sodass selbst der sprichwörtliche Überfluss an „Sand am Meer“ sein Ende findet. Aufgrund der weltweiten Angleichung der Lebensstile, der Urbanisierung und des Bevölkerungswachstums müssen in den nächsten dreißig Jahren voraussichtlich genauso viele Infrastrukturen geschaffen werden wie seit den Anfängen der Industrialisierung. Daher ist verstärkte Forschung und Entwicklung nötig, um mit Sprunginnovationen auf sich immer schneller verändernde Verhältnisse zu reagieren und die notwendige Ressourcen- und Bauwende in möglichst kurzer Zeit herbeizuführen. Der Holzbau bietet dabei den Vorteil des langfristigen CO2-Speichers. Auf der sinnlichen Ebene vermittelt Holz Lebendigkeit – über den Geruch, die warme Haptik und die organisch gemusterten Oberflächen – ein Stück Natur eben. Doch gerade die Natur hat mit dem Klimawandel zu kämpfen.
Anhaltende Trockenheit, Starkregen und Stürme führen zu ungeahnten Schäden und Käferfraß in unseren Wäldern. Im Zuge des klima- und biodiversitätsfreundlichen Waldumbaus weichen anfälligere Monokulturen daher zunehmend Mischwäldern. Darauf muss auch der Holzbau reagieren, indem klimaresistentere Baumarten und nachwachsendes Laubholz durch Forschung und Entwicklung verstärkt Verwendung finden und die derzeit noch vorherrschende Nutzung von Nadelholz ersetzt werden kann. Dabei sollte die thermische Verwertung von Holz erst am Ende einer möglichst langen Nutzungskaskade stehen. Um jedoch auch die wertvolle Ressource Holz effizienter zu nutzen, muss die Forschung zukünftig viel stärker eine hochwertige Weiternutzung von Holzbauteilen ermöglichen. Hierzu sind eine stärkere Systematisierung von Abmessungen und Bauteilen sowie langfristig reversible Verbindungsdetails und -mittel gefragt. Das kann auch im Holz-Hybridbau, der die Stärken unterschiedlicher Baustoffe sinnvoll kombiniert, systematische Bauteilentwicklungen und sauber trennbare sowie weiter nutzbare Schichten bedeuten – was dem angestrebten Verbund zur Optimierung der Tragwirkung zumindest auf den ersten Blick widerspricht. Es ist damit zu rechnen, dass der wichtige Aspekt der Kreislauffähigkeit in Zukunft in Ökobilanzen besser integriert wird.
Derzeit wird das Wiederverwendungs-, Rückgewinnungs- und Recyclingpotenzial außerhalb der Systemgrenzen lediglich ausgewiesen. Dabei sollte die Idee des CO2-Speichers nicht dazu verführen, möglichst viel Holz zu verbauen. Stattdessen sollte mit der Ressource Holz möglichst effizient viel Kubatur erstellt werden – nur so können andere, klimaschädlichere Baustoffe effektiv substituiert werden. Die ökologischen Vorteile des Holzbaus und die notwendigen Anstrengungen zur Optimierung der Kreislauffähigkeit sollten jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Ressourcenschonung nicht vorrangig über ökologisch optimierte Neubauten funktionieren wird. Vielmehr gilt es, den Bestand intelligent weiterzuentwickeln, um hier bereits investiertes Material und Energie bestmöglich zu erhalten. Auch in der Sanierung und Verdichtung spielt der Holzbau in der Champions League. Denn mit seinem geringen Gewicht und seiner hohen Tragfähigkeit scheint er wie geschaffen für vielfältige Aufstockungen, Anbauten und vorgefertigte Ergänzungsbauten, die im engen urbanen Kontext mit emissionsarmen Baustellen punkten und den Flächenverbrauch schonen. Zusätzlich zur kreislauffähigen Sanierung und städtebaulichen Verdichtung sind möglichst langlebige Bauten, die flexibel an sich wandelnde Bedürfnisse der Nutzer:innen angepasst werden können, ein wichtiger Beitrag zur nachhaltigen Performance. Wie sich in der Vergangenheit erwiesen hat, ist dafür nicht zuletzt eine hohe Architekturqualität entscheidend. Wenn Gebäude einen Teil der kulturellen Identität darstellen, werden sie auch entsprechend gepflegt und bei Bedarf erhalten und umgebaut. Daher ist zu hoffen, dass die Akteure des Holzbaus die Chancen des wachsenden Umweltbewusstseins und die aufgebaute Innovationskraft durch die Forschung der letzten Jahrzehnte nutzen, um eine führende Rolle bei der zukunftsfähigen Transformation unseres Bauwesens einzunehmen.