Zum Hauptinhalt springen

Cradle-to-Cradle von A bis Z

erschienen in
Zuschnitt 93 Holz – Bau – Forschung, Juni 2024

Daten zum Objekt

Standort

Straubenhardt/DE

Bauherr:in

Gemeinde Straubenhardt, Straubenhardt/DE, www.straubenhardt.de

Architektur

wulf architekten, Stuttgart,Berlin/DE, Basel/CH, www.wulfarchitekten.com

Statik

f2k ingenieure gmbh, Stuttgart/DE, www.f2k-ingenieure.de

Holzbau

Holzbau Schaible GmbH, Wildberg-Schönbronn/DE, www.holzbau-schaible.de

Fertigstellung

2022

Feuerwehrhaus, Straubenhardt

Um alle sechs Abteilungen der örtlichen Feuerwehr an einem Standort zu bündeln, initiierte die Gemeinde Straubenhardt 2016 die öffentliche Auftragsvergabe. Das war der erste Schritt auf dem Weg zur Cradle-to-Cradle(C2C)-Modellgemeinde und zu einem der ersten nach C2C-Prinzipien errichteten öffentlichen Gebäude in Deutschland. Sowohl dieses Verfahren als auch die Entwurfs- und Ausführungsphase begleitete das Umweltberatungsinstitut EPEA – Part of Drees & Sommer aus Stuttgart als Fachplaner für kreislauffähiges Bauen.

Für das Hanggrundstück am Ortsrand der Gemeinde 50km westlich von Stuttgart entwarf das Büro wulf architekten ein Gebäude aus drei übereinandergestapelten Funktionsebenen. Die Flächenversiegelung ist dadurch gering und die Baumasse wirkt vergleichsweise klein. Die Grundlage bildet ein zur Straße ebenerdiger, in das relativ steil ansteigende Gelände eingebetteter Sockelbau mit Stellplätzen für sieben Fahrzeuge, Werkstatt, Technik-, Lager- und Bereitschaftsräumen. Auf dessen Dachfläche, die als offenes Zwischengeschoss ausgebildet ist, erhebt sich ein weiterer, elegant mit v-förmigen Holzstützen aufgeständerter Baukörper. Hier finden sich z.B. Büros, Schulungs- und Jugendräume, die teilweise von externen Einrichtungen genutzt werden. Der aufgeständerte Baukörper mit filigraner Streckmetallfassade entstand komplett in Holzbauweise, während der Sockelbau angesichts seiner Hanglage und des drückenden Grundwassers in Stahlbeton ausgeführt wurde.

Ein ökoeffektives Gesamtkonzept

Übergeordnetes Projektziel war ein ökoeffektives Gesamtkonzept mit einem positiven Mehrwert für Nutzer:innen, Umwelt und Gesellschaft. Sämtliche Bauteillösungen wurden auf ihre Nachhaltigkeit untersucht und bis hin zur chemischen Ebene analysiert. Die Baustoffe mussten baubiologisch gesund sein. Ihre Herstellung, ihr Transport und ihre Montage mussten umweltfreundlich, mit geringem Energiebedarf und mit minimalen CO2-Emissionen erfolgen. Unlösbare Verbunde und Anstriche waren tabu und die Baustoffe mussten am Ende ihrer Lebensdauer leicht demontiert und wiederverwendet oder zumindest sortenrein recycelt werden können.

Die Umsetzung gelang wulf architekten und EPEA durch eine überaus engmaschige Abstimmung bereits in der Entwurfsphase. Konkret prüfte das Umweltberatungsinstitut sämtliche im Entwurf vorgesehenen Baustoffe und Bauteillösungen auf diese Kriterien und schlug bei Bedarf Alternativen vor. Am Ende dieses immer weiter verfeinerten Prozesses stand ein Leistungsverzeichnis mit umfangreichen Vorbemerkungen, die später zum Vertragsbestandteil mit den ausführenden Firmen wurden.

Im Sinne des kreislauffähigen Bauens erhielten monolithische und schichtenartige Lösungen grundsätzlich den Vorzug. Im Sockelbau beispielsweise kam ungespachtelter Sichtbeton zum Einsatz, der in erdberührenden Bereichen als WU-Beton ohne zusätzliche Dichtungslagen ausgeführt wurde und innen wie außen unbekleidet blieb – Leitungen verlaufen ausnahmslos sichtbar. Beim Holzbau verstanden sich die Verwendung standardisierter Bauteile und ein modularer Aufbau der Tragstruktur fast von selbst. Sämtliche Brettschichtholzträger sowie Brettsperrholzwände und -decken sind grundsätzlich verschraubt – Steckverbindungen wurden geprüft, fielen jedoch einzuhaltenden Brandschutzauflagen zum Opfer. Da das hierbei eingesetzte Brettsperrholz aufgrund des Polyurethan-Leims nicht für ökologische Kreisläufe geeignet ist, zirkuliert es in einem technischen Kreislauf, der eine Demontage und Wiederverwendung vorsieht. Mechanische Verbindungen mit Holzdübeln anstelle von verleimten Hölzern standen in der Diskussion, überstiegen allerdings das der Gemeinde zur Verfügung stehende Budget.

Trotz einiger Kompromisse beispielhaft

Im Zuge der Ausschreibung und Ausführung gelang es nicht immer und überall, dem Prinzip der Kreislaufwirtschaft zu folgen. Mal erhielten die Planer keine Angebote, mal gelang es nicht, die Zusammensetzung der Baustoffe aufzuschlüsseln, weil die Herstellerfirmen keine Produktangaben liefern konnten oder wollten.

In diesen Fällen suchten wulf architekten und EPEA nach Alternativen, die dann erneut zu prüfen waren – insgesamt untersuchte das Umweltberatungsinstitut mehrfach rund 250 Materialien und achtzig Bauteile. Kompromisse waren immer wieder bei Bauteilen nötig, etwa bei Brandschutztüren, die bei veränderter Materialzusammensetzung ihre Zulassung verloren hätten. Weitere Überraschungen erlebten die Planer auf der Baustelle. Denn nicht selten kam es vor, dass Auftragnehmer:innen oder deren Subunternehmen Bauteile anlieferten, die nur zusammen mit zuvor nicht deklarierten Verbindungsmitteln, z.B. Klebebändern, montierbar waren – was unweigerlich weitere Untersuchungen erforderte. Sämtliche verwendeten Baustoffe sind heute in einem Gebäudematerialpass (EPEA Circular Passports for Buildings) zu finden, der präzise darüber Auskunft gibt, welche Materialien in welcher Menge an welcher Stelle verbaut wurden. Auf diese Weise dient das Gebäude heute als gut kartiertes Rohstofflager, dessen Registrierung bei der Cloud-Plattform Madaster bevorsteht.

Das Feuerwehrhaus Straubenhardt „zeigt eindrücklich, wie es öffentlichen Auftraggebenden gelingen kann, kreislauffähige Ansätze umzusetzen und damit eine Vorreiterrolle und gleichzeitig eine positive Vorbildrolle zu übernehmen“, resümiert der Bericht zum Forschungsprojekt circularWOOD des Lehrstuhls für Architektur und Holzbau an der TU München. Beispielhaft ist dieses Projekt unter anderem, weil es die gesellschaftliche Wahrnehmung des kreislauffähigen Bauens erhöht und die gesamte Bauwirtschaft für dieses Thema sensibilisiert. Hier wurde kein abstraktes oder realitätsfernes Forschungsprojekt umgesetzt, sondern eine alltägliche Bauaufgabe – mit Planer:innen, für die sich dabei erstmals fast alles um die Aspekte Kreislauffähigkeit und Rückbaubarkeit drehte.


verfasst von

Roland Pawlitschko

ist freier Architekt, Autor und Redakteur sowie Architekturkritiker. Er lebt und arbeitet in München.

Erschienen in

Zuschnitt 93
Holz – Bau – Forschung

Holz – Bau – Forschung im Kontext der Ressourcen- und Bauwende

8,00 €

Zum Produkt   Download

Zuschnitt 93 - Holz – Bau – Forschung