Die teilweise bereits weitgreifenden und noch bevorstehenden Veränderungen des Ökosystems Wald im Zuge des klimatischen Wandels bringen neue Baumarten, eine angepasste Baumartenzusammensetzung und damit modifizierte Holzsortimente hervor. Dies bildet sich auch in der Forschung rund um den Rohstoff Holz ab. Besonders im Fokus stehen hierbei innovative Ansätze zur möglichst umfassenden und effizienten Verarbeitung und Nutzung der verfügbaren Ressource. Wir sprachen dazu mit Wolfgang Gindl-Altmutter, Leiter des Instituts für Holztechnologie und Nachwachsende Rohstoffe an der BOKU Wien.
Die Nutzung nachwachsender Rohstoffe, allen voran Holz, ist mittlerweile ein fester Bestandteil in der Architektur. Welchen positiven Beitrag zur Ressourcen- und Bauwende kann sie leisten?
Die Vorteile von Holz bezüglich seiner technischen und bauphysikalischen Eigenschaften – zum Beispiel das günstige Verhältnis zwischen mechanischer Leistungsfähigkeit und geringer Masse, der vorteilhafte Effekt auf den Wärmehaushalt von Gebäuden, auch die positiven Aspekte des Brandverhaltens – sind hinlänglich bekannt. Relativ neu ist, dass die darüber hinausgehenden Funktionen von Holz, die ja implizit sind, ebenfalls wahrgenommen werden. Damit meine ich die Nachhaltigkeit, die Erneuerbarkeit und die Fähigkeit, CO2 zu speichern. Das sind Alleinstellungsmerkmale von Holz, und genau darin liegt auch das Potenzial, positiv zur Ressourcen- und Bauwende beizutragen.
Stichwort CO2-Speicherung: Es gibt unterschiedliche Ansichten darüber, wo das CO2 langfristig wirkungsvoller gespeichert werden kann – im Wald oder in Gebäuden, dem „zweiten Wald“. Worin liegen aus Ihrer wissenschaftlichen Perspektive die Vorteile der Nutzung und welche Themen bearbeiten Sie in diesem Zusammenhang?
Auch wir sehen, dass der Rohstoff Holz und seine Nutzung heiß diskutiert werden. Das reicht von der Kritik an der Nutzung als solcher bis zu den unterschiedlichen Möglichkeiten, Holz zu verarbeiten und einzusetzen. Wir wollen Holz stofflich nutzen, energetisch verwerten, wir wollen Papier daraus machen, und auch die chemische Industrie hat den Rohstoff für sich entdeckt. Der wesentliche Punkt ist aus meiner Sicht, Holz möglichst vollständig – somit ressourceneffizient – zu nutzen. Das ist auch einer unserer Forschungsschwerpunkte. Weiters beschäftigen wir uns mit der Frage, wie wir den Kohlenstoff, den der Baum für uns einfängt, auch möglichst lange im Holz halten können. Hier geht es uns vor allem um neue Anwendungen für Sortimente, die momentan relativ direkt in die energetische Verwertung gehen, wie Säge-Nebenprodukte.
Ein großes Thema sind die sogenannten Nicht-Säge-Nebenprodukte, also nicht sägefähige Sortimente. Das spielt bei den Nadelhölzern eine weniger große Rolle, ist aber sehr ausgeprägt bei den Laubhölzern. Deren Anteil nimmt in Österreich und in ganz Europa stark zu. In Laubholzarten steckt ein großer Teil der Biomasse in starken Ästen und der Krone und nicht so sehr im Stamm wie bei den Nadelholzarten.
Grundsätzlich gibt es auch in der Sägetechnologie noch Luft nach oben – gerade dort, wo die Geometrien nicht immer schön gerade sind und es im Moment nicht sinnvoll ist zu sägen. Und wir forschen ganz intensiv an alternativen Zerteilungstechnologien, wie Spalten und Schälen und Makrofasern. Damit kann man beispielsweise aus zerkleinerten Strukturen neue, OSB-ähnliche Werkstoffe für den Bau herstellen.
Wo wir noch viel Potenzial sehen, ist in der Rinde. 50 Prozent der geernteten Biomasse sind Rinde und dafür gibt es derzeit noch keine guten Nutzungskonzepte. Aber auch daraus lassen sich hochwertige Werkstoffe entwickeln, denn die Rinde ist ein genauso faseriges Material wie das Holz auch. Es ist anderes aufgebaut, aber mit der geeigneten Technologie kann man es genauso schön zu Fasern verarbeiten und Papiere oder auf Rinde basierende MDF oder Dämmstoffe herstellen.
Vieles davon ist eng mit der Baumartenänderung infolge der Klimaänderung verbunden und zielt darauf ab, diese nutzbar zu machen. Nimmt das derzeit den wichtigsten Teil in Ihrem Forschungsfeld ein?
Ja, denn die Notwendigkeit, diese Fragestellungen aufzugreifen, ergibt sich zum Großteil aus der Veränderung der Baumarten. Diese Tatsache hat aber nicht nur zur Folge, dass man sich damit auseinandersetzt, beispielsweise Laubholz umfänglicher und nachhaltiger nutzbar zu machen. Es geht auch um die Verschränkung dieser neuen Sortimente, den bestmöglichen Einsatz oder ihre Kombination, je nach spezifischer Eigenschaft des Holzes, und darum, die bestehenden Verarbeitungsprozesse entsprechend anzupassen. Ein Beispiel ist die Verklebungstechnologie, die bei Laubhölzern anders ist als bei Nadelhölzern. Aber es geht auch nicht nur um den Schritt vom Nadel- zum Laubholz, sondern auch um das Potenzial der Variabilität. Und das soll möglichst emissionsfrei geschehen.
Ein weiterer Aspekt unserer Forschung sind Holzoberflächen und deren Beschichtung. Unabhängig von der Holzart beschäftigen wir uns mit dem Schutz der Holzoberflächen vor Umwelteinflüssen. Mit der Zunahme des Holzbaus sind gewisse Fragestellungen in den Fokus gerückt: Schutz vor Vergilbung, vor Pilzbefall, Wasseraufnahme oder Verfärbungen.
Innovation ist auch bei der kurzfristigen Schutzwirkung gefragt, speziell bei der Errichtung von Holzbauten, solange sie nicht unter Dach sind. Und hier braucht es Lösungen, die für eine gewisse Zeit mit minimalem Aufwand maximale Wirkung erzielen. Wir sprechen hier von einigen Wochen, vielleicht ganz wenigen Monaten. Hier geht die Forschung in Richtung Mikro- beziehungsweise Nanopartikel-Wachsemulsionen auf Wasserbasis. Sie sind ökologisch unbedenklich und machen die Verwendung der üblichen Polyethylen-Folien zur Abdeckung überflüssig. Weitere Themen sind das Funktionalisieren und Modifizieren. Hier geht es um Alternativen zu Kunststoffprodukten. Klassische beziehungsweise bekannte Beispiele dafür sind Thermoholz oder acetyliertes Holz. Um hier neue Möglichkeiten zu erschließen, bedarf es der Grundlagenforschung.
Dieser kurze Einblick zeigt, wie breit das Feld ist, das Sie bearbeiten. Welches übergeordnete Ziel verfolgen Sie, bezogen auf das große Ganze und das Potenzial von Holz, zur Ressourcen- und Bauwende beizutragen? Was braucht es im Allgemeinen, um dieses Potenzial auszuschöpfen?
Es geht um zwei Dinge. Das erste ist, die Biomasse, die wir ernten und die die Natur synthetisiert hat, zu schätzen und möglichst hochwertig zu verwenden. Dazu brauchen wir die nötigen Technologien und die dazugehörige Technologieforschung. Das zweite ist die Langlebigkeit. Wir brauchen Produkte, die bei richtigem Einsatz möglichst lange ihre Funktion erfüllen und damit den Kohlenstoff möglichst lange speichern. Diese beiden maßgeblichen Leitlinien bestimmen unsere gesamte Forschung.
Baumartenverteilung in Österreich
29,7% Nadelholz
70,3% Laubholz
Nutzbarer Stammholzanteil
Während 80 Prozent des geernteten Nadelholzes stofflich verwendet werden, sind es beim Laubholz nur rund 30 Prozent. Das liegt in der Stamm- und Astausbildung der Baumarten begründet: Laubbäume weisen ein umfangreicheres Astwerk und Blätterdach auf und einen geringer nutzbaren Stammholzanteil.
Quellen: Österreichische Waldinventur 2016/21, www.waldinventur.at; Verena Krackler, Peter Niemz: Schwierigkeiten und Chancen in der Laubholzverarbeitung, Holztechnologie 52, ihd Dresden, 2011
Wolfgang Gindl-Altmutter
ist Leiter des Instituts für Holztechnologie und Nachwachsende Rohstoffe an der BOKU Wien.