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Alliander Westpoort, Amsterdam

erschienen in
Zuschnitt 94 Holz, Büro & Co., September 2024

Daten zum Objekt

Standort

Amsterdam/NL

Bauherr:in

Alliander, Amsterdam/NL, www.alliander.com

Architektur

De Zwarte Hond, Rotterdam/NL, www.dezwartehond.nl

Statik

IMd Raadgevende Ingenieurs, Rotterdam/NL, www.imdbv.nl

Holzbau

Laminated Timber Solutions, Moorslede/BE, www.laminatedtimbersolutions.be

Fertigstellung

2023

Büro, Produktions- und Ausbildungsstätte aus einem Guss

Der Mangel an Wohnraum ist ein brennendes Thema in vielen europäischen Städten. Auch die Stadt Amsterdam ist bemüht, zentrumsnahe Industriegebiete in Wohngebiete umzuwandeln, um in den kommenden Jahren dringend benötigten Wohnraum zu schaffen. Rund um den Spaklerweg in Amsterdam Amstel hat die Stadt ein passendes Gebiet gefunden. Über 100 Jahre stand hier die Firmenzentrale von Alliander, einer Unternehmensgruppe, die sich der nationalen Energieversorgung verschrieben hat.

Der Firmensitz musste dem Wohnbau das Feld überlassen und das Unternehmen ging auf die Suche nach einem neuen Standort. Fündig wurde man im Industrie- und Hafengebiet Westpoort am anderen Ende der Stadt.

Zusammen mit dem Team des Architekturbüros De Zwarte Hond wurde eine moderne und zukunftsweisende Firmenzentrale entworfen. Bürogebäude, Parkhaus, Werkstätten, Ausbildungsräume, Lager- und Testflächen wurden auf dem länglichen Grundstück angeordnet. Auf 21.000 m² ist Platz für rund 700 Mitarbeiter:innen. Höhepunkt ist das siebenstöckige Bürogebäude am Nordende des Grundstücks – derzeit der höchste Holzbau in den Niederlanden.

Mit dem Entwurf sollten Antworten geliefert werden, wie für die Zukunft gebaut werden kann: flexibel und klimaschonend. Das Parkhaus kann mit seiner demontablen Stahlstruktur je nach Bedarf vergrößert oder verkleinert werden und auch Bürogebäude und Werkhalle sind nicht in Beton gegossen. Für diese Gebäude wurde eine Bauweise aus laminierten Holzstützen und -trägern gewählt. In Zusammenarbeit mit dem Statikbüro und den Holz­lieferanten wurde ein System entwickelt, das die Montage von Trägern in handelsüblichen Längen möglich macht, sodass diese kaum auf bestimmte Maße zugeschnitten werden mussten. Im Falle einer Demontage der Konstruktion können die Träger mit ihrer langen Länge einfacher wiederverwendet werden. Außerdem wurde eine spezielle Stahlverbindung von Stützen und Trägern ausgeklügelt, die das Holz so wenig wie möglich angreift. Jede Verschraubung, jeder Schlitz, jede Leimverbindung schwächt das Holz und macht eine zukünftige Verwendung schwieriger. Auf den Trägern liegt ein Hohlboden ebenfalls aus Holz. Die Fuß­bodenelemente weisen Vertiefungen auf, in denen die Installa­tionen ohne Aussparungen die Träger passieren können.

Das Haustechnikkonzept ist nicht weniger richtungweisend. Die Firmenzentrale kommt gänzlich ohne Erdgas aus und ist energieneutral. Die benötigte Wärme und Kälte kommt aus dem Erd­boden, den Strom liefert die Photovoltaik-Anlage auf dem Dach. ­Eine Fußbodenheizung und -kühlung sorgt, unterstützt von einer nachfragebasierten Belüftung, für ein angenehmes Klima am ­Arbeitsplatz. Die verschieden tiefen vertikalen Rippen aus wetterfestem Cortenstahl in der Fassade schirmen die Sonne ab und bieten Pflanzen Raum zum Ranken und Tieren Platz zum Nisten.

Das Bürogebäude betreten die Mitarbeiter:innen an der Nord­seite und gelangen in ein helles dreistöckiges Atrium mit einem Empfangsbereich und einer zentralen Treppe. Diese sogenannte „Schlender-Treppe“ windet sich, stets an einer anderen Stelle, durch das Gebäude und schafft eine spannende Route durch die verschiedenen Abteilungen. Sie lädt ein zu Austausch und Interaktion. Die Büroflächen sind als Großraumbüro konzipiert. Tischgruppen stehen vor den großen Fenstern. Wer ein ungestörtes Telefonat führen möchte oder sich mit dem Team beraten muss, kann sich in eine Besprechungskoje zurückziehen. Wer eine Pause braucht, setzt sich in die Gemeinschaftskantine oder in eine der offenen Teeküchen.

Nachhaltigkeit ist heutzutage nicht mehr Kür, sondern Pflicht – vor allem wenn es um einen Neubau geht. Dem Entwurfsteam ist es im Westpoort gelungen, eine Firmenzentrale zu errichten, die es mit der Zukunft aufnehmen kann. Sollten sich die Anforderungen ändern, ist Raum für Anpassung. Selbst wenn die Stadt sich irgendwann Richtung Westpoort ausbreiten sollte, scheint auch der Umbau der Firmenzentrale in ein Wohnhaus nicht gänzlich unmöglich.


verfasst von

Sophie Panzer

studierte Architektur an der Technischen Universität in Delft und arbeitete in verschiedenen Architekturbüros in Rotterdam und London. Derzeit lebt und arbeitet sie in Wien.

Erschienen in

Zuschnitt 94
Holz, Büro & Co.

Neue Gebäude, Räume und Orte der Büroarbeit in Holz

8,00 €

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Zuschnitt 94 - Holz, Büro & Co.