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Black & White Building, London

erschienen in
Zuschnitt 94 Holz, Büro & Co., September 2024

Daten zum Objekt

Standort

London/GB

Bauherr:in

The Office Group Ltd, London/GB, www.theofficegroup.com

Architektur

Waugh Thistleton Architects, London/GB, www.waughthistleton.com

Statik

Eckersley O’Callaghan Ltd, London/GB, www.eocengineers.com

Holzbau

Hybrid Structures, Derby/GB, www.hybridstructures.com

Fertigstellung

2022

Effizient, flexibel und atmosphärisch

Verglichen mit den früheren Projekten von Waugh Thistleton ­Architects – Murray Grove (Baujahr 2007) und Dalston Works (Baujahr 2013) – ist das neueste Werk der Londoner Holzbaupioniere vergleichsweise klein. Murray Grove ist 29,8 Meter hoch, Dalston Works umfasst 14.280 m²; das Black & White Building ­hingegen hat eine Grundfläche von knapp unter 4.600 m².

Besucht man das Gebäude, dann wird deutlich, warum: Die Baufläche ist begrenzt. Das schmale Grundstück liegt in Shoreditch, einem hippen und geschäftigen Londoner Viertel. Neue Baugrundstücke sind hier rar. Dennoch ist das Black & White Building mit 17,8 Metern Londons bislang höchstes Bürogebäude in Holzbauweise.

Dass der Komplex aus zwei Blöcken mit einmal fünf und einmal sechs Stockwerken zum Arbeiten statt zum Wohnen gemacht ist, ist ein weiterer Unterschied zu den früheren Projekten des Architekturbüros. Für das Black & White Building hat sich Waugh ­Thistleton mit The Office Group (TOG) zusammengetan, ein Bauunternehmen für Bürogebäude, das mit diesem Vorzeigeprojekt aus Holz seinen Nachhaltigkeitsanspruch unter Beweis stellen möchte.

Auch im Hinblick auf die Baumaterialien geht Waugh Thistleton mit dem Black & White Building neue Wege. Wurde bei früheren Projekten ausschließlich BSP – Brettsperrholz – verwendet, kommt hier eine breitere Materialpalette zum Einsatz, beispielsweise ergänzt hoch tragfähiges Furnierschichtholz aus Laubholz (Baubuche) die BSP-Decken und -Wände im strukturellen Rahmen. Ein Fahrstuhlschacht aus Holz verbindet die beiden Baukörper, die Fassade des Black & White Building ist von einer technisch anspruchsvollen und wunderschönen Konstruktion aus vertikalen Lamellen von amerikanischem Tulpenbaumholz umhüllt.

Die Verwendung von Holz als tragendem Baumaterial ist in Großbritannien seit dem katastrophalen Brand des Londoner Grenfell Tower im Jahr 2017 wesentlich erschwert worden. Infolgedessen wurde der Einsatz brennbarer Bauteile inklusive BSP und anderer tragender Holzbauteile bei Neubauten von Wohngebäuden mit einer Höhe von über 18 Metern gesetzlich verboten. Dement­sprechend mag es wenig überraschen, dass Waugh Thistleton im Informationsmaterial zum Black & White Building viel Wert auf die Frage legt, wie das Gebäude die Problematik der Versicherungsfähigkeit löst – heutzutage das maßgebliche Hindernis für höhere Holzbauprojekte in Großbritannien, auch über den Wohnbau hinaus.

Waugh Thistletons Expertise und Vertrautheit mit dem Bauma­terial Holz ist im gesamten Entwurf offenkundig, findet jedoch besonders in der Vorhangfassade, entworfen mit Building Information Modeling (BIM), Ausdruck. Form und Positionierung der Lamellen sind auf den Tageslichteinfall während des täglichen Verlaufs der Sonne abgestimmt. Die Großraumbüros, in denen bis zu 26 Betriebe unterkommen können, sind nach einem Raster von 7,5 Metern statt der gebräuchlichen 9 Meter angeordnet, um die Leistungsfähigkeit der BSP-Platten zu optimieren; die Laubholzstützen sind ebenfalls auf diese Maße ausgerichtet.

Die Deckenhöhen liegen je nach Stockwerk zwischen 3,2 und 4 Metern und vermitteln Luftigkeit und Weitläufigkeit, die Haustechnikanlagen sind sichtbar belassen.

Ein Ziel des Projekts war es, Bauunternehmen und Investoren – besonders solche mit ESG-Portfolios – von der Sicherheit und den ökologischen Vorzügen des Holzbaus zu überzeugen, und das ist Waugh Thistleton mit dem Black & White Building auf brillante Weise gelungen. Im Vergleich zu einer reinen Betonkonstruktion sparte die Nutzung von BSP und Baubuche 37 Prozent einge­bettete Kohlenstoffemissionen ein: Der Gesamtverbrauch liegt bei 410 statt 670 kg CO2-Äquivalenten pro Quadratmeter. ­

Einen Großteil der eingebetteten Emissionen machen mit circa 31 Prozent Fundament, Keller und Sockel aus Beton aus. Es sind Projekte wie das Black & White Building, die trotz der strengen Reglementierungen in Großbritannien beispielhaft davon überzeugen, dass (auch hohe) Holzbauten nach wie vor umsetzbar sind und geschätzt werden. Davon zeugt nicht zuletzt die ­Nominierung für den diesjährigen RIBA Stirling Prize, Großbritanniens reno­m­miertesten Architekturpreis.

Neben der nachhaltigen Bauweise zählten das Wohlbefinden der Nutzer:innen und naturnahes Design zu den obersten Prioritäten: Alle Stockwerke sind hell und haben Innenhöfe, Terrassen und Küchen. Es gibt eine Dachterrasse und auch im Innenraum viel sichtbares Holz. Das Innere des Black & White Building ist eher braun-beige als schwarz-weiß – der Name findet denn auch seinen Ursprung woanders, und zwar in dem alten Industriegebäude, das hier früher stand und außen schwarz, innen weiß gestrichen war.


verfasst von

Oliver Lowenstein

ist Chefredakteur von Fourth Door Review, einem britischen Kultur- und Öko­logiemagazin. www.fourthdoor.co.uk

Erschienen in

Zuschnitt 94
Holz, Büro & Co.

Neue Gebäude, Räume und Orte der Büroarbeit in Holz

8,00 €

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Zuschnitt 94 - Holz, Büro & Co.