Immer mehr Bürobauten setzen auf Holzkonstruktionen, insbesondere solche, die sich als Prestigeprojekte für Forschung definieren. Vom Greenwashing hat man sich hier längst entfernt, auch dank klarer ESG-Kriterien.
Wenn Bürohaus-Architektur nicht nur ihre Funktionen erfüllen, sondern auch als „signature projects“ mit symbolischem Gehalt die Werte Innovation und Forschung vermitteln sollen, war die Materialauswahl jahrzehntelang recht begrenzt: Stahl und Glas standen – insbesondere in Deutschland – als visueller Code für Präzision, Verlässlichkeit, Technologie und Fortschritt. Doch diese architektursprachliche Eindeutigkeit hat sich gewandelt. Denn das auch in Deutschland eher für kritischen Regionalismus und ländliche Tradition stehende Holz ist nun zum präferierten Baustoff für Technologie- und Innovationsparks geworden.
Innovationszentrum Heilbronn
Das gilt zum Beispiel für die württembergische 130.000-Einwohner-Stadt Heilbronn. Diese war früher vor allem als Standort der Autoindustrie bekannt, positioniert sich aber seit einigen Jahren gezielt als Zukunftsstandort. Seit 2009 entwickeln die Stadtsiedlung Heilbronn GmbH und die wtz Heilbronn GmbH den Zukunftspark Wohlgelegen für IT, Forschung und Medizintechnik. Seit 2024 ist hier auch die Innovationsfabrik 2.0 angesiedelt, Nachfolgerin der Innovationsfabrik 1.0, die in einer historischen Fabrikhalle zu Hause war. Sie bietet ein „agiles Raumangebot“ (Eigenbezeichnung) aus rund 280 flexiblen Arbeitsplätzen für Start-ups und Kreative in technologieorientierten Branchen mit günstigen Mieten von 165 Euro monatlich. Das Herz der Fabrik bildet ein hohes Atrium, das als Kommunikations- und Begegnungszone für die einzelnen Start-up-Akteur:innen dient.
Die räumliche Flexibilität im Inneren war ein wesentliches Kriterium für den Entwurf von Waechter + Waechter Architekten aus Darmstadt, die hier einen fünfgeschossigen Holz-Hybrid-Bau planten. Umgesetzt wurde dies durch eine Bündelung von Funktionen in der Fassadenebene. Konstruktiv wurde das Fachwerk in der Gebäudehülle ausgesteift, wodurch im Inneren auf aussteifende Wände verzichtet werden konnte und sich mehr Freiheit in der Nutzung ergibt. Dies ist jedoch nicht der einzige Mehrwert des Baustoffs Holz. Das Fachwerk soll auch an die Fabrikhalle erinnern, in der die Innovationsfabrik früher zu Hause war, nach außen wird es als Signal für konstruktive Intelligenz ins Schaufenster gestellt und in einen „Umhang“ aus vorgehängten Glasschuppen gehüllt, die auch als Witterungsschutz dienen, die eigentliche thermische Hülle liegt auf der Innenseite der Konstruktion.
Der Innovationsgehalt ist kein rein symbolischer, denn der Holzbau erwies sich als anspruchsvoll in der Planung. Hier setzten Waechter + Waechter auf gezielte Vorfertigung von Fassaden- und Deckenelementen, sodass ein Geschoss innerhalb von drei Wochen errichtet werden konnte. Leichtbauplatten aus Holzwolle lösten die Herausforderungen beim Schallschutz, eine Hochdrucksprühnebelanlage jene des Brandschutzes. Im Sinne eines Designs for Disassembly sind die Holzbauteile größtenteils verschraubt oder gesteckt. Nachhaltiges Holzbau-Engineering setze hier neue Maßstäbe für die Start-up-City Heilbronn, so der Bauherr.
Geschäftsstelle des Wohnbauträgers GWG
Um Flexibilität im Inneren ging es auch beim Bau der neuen Geschäftsstelle des mehrheitlich kommunalen Wohnbauträgers GWG in Tübingen, rund 100 Kilometer südlich von Heilbronn. Diese befindet sich in einem neuen Wohngebiet auf dem 10 Hektar großen Areal des Alten Güterbahnhofs. Hier entstanden in den letzten Jahren rund 570 Wohnungen – ein Umfeld, in dem sich der Bauträger mit seinen sozialen und ökologischen Idealen glaubwürdig präsentieren will. Der kompakte viergeschossige Baukörper, den das Architekturbüro Von M auf den kleinen Bauplatz setzte, tut dies mit sachlich-freundlicher Bescheidenheit. Ähnlich wie in Heilbronn bildet auch hier ein Atrium das Zentrum eines Holz-Hybridbaus, dessen hölzerner Anteil demonstrativ nach außen sowohl konstruktiv mit der Tragstruktur als auch flächig mit den Fassadenelementen ausgestellt wird. Zwei Sichtbetonkerne flankieren das Atrium, die Büroräume lassen sich flexibel als Großraum- oder Einzelbüros nutzen. Holz-Beton-Verbunddecken bilden in diesem Bereich eine optisch-atmosphärische Klammer. Konsequent im Detail fortgeführt wird das ernsthafte Commitment an den Baustoff im Möbelsystem, das Von M speziell für dieses Projekt entwarf. Über das Material hinaus wird der Nachhaltigkeit auch in der Haustechnik Rechnung getragen, deren Lowtech-Lüftungskonzept die Zirkulation über das Atrium in Kombination mit Überstromöffnungen in der Fassade nutzt.
Danone Research & Innovation Centre
Eine inverse Kombination von Kubus, Atrium und Baustoff wurde beim Research & Innovation Centre des Danone-Konzerns im französischen Gif-sur-Yvette realisiert. Hier wird das – mit 900 m² Fläche und 10,5 Meter Höhe äußerst großzügig dimensionierte – Atrium an allen Seiten von einem Raster aus Holzstützen eingerahmt, der dessen Rolle als „Dorfplatz“ und Treffpunkt unterstreicht. Das Raumprogramm umfasst Büros, Laboratorien und sogenannte „Piloten“, kleine Fabrik-Einheiten für die Produktion. Die Anforderung an das für die Architektur verantwortliche Team von Arte Charpentier war, zwischen diesen Bereichen Transparenz und Interaktion herzustellen.
Die Verwendung des nachhaltigen Baustoffs spiegelt hier das Selbstverständnis des Lebensmittelgiganten wider, dessen Motto „One Planet. One Health“ das Forschen an neuen Food-Konzepten unterfüttert. Dank des hohen Holzanteils, der Kompaktheit des Volumens und der Verwendung von kohlenstoffarmem Beton und von Photovoltaik-Paneelen erreicht das Forschungszentrum einen für Industriegebäude bemerkenswerten Wert von 360 kg CO2-Äquivalenten pro Quadratmeter.
Alle drei Projekte zeigen, dass sich die visuelle Sprache von Architektur für Forschung und Innovation gewandelt hat und dass auch die Serialität von auf Vorfertigung basierenden Holzkonstruktionen der angestrebten Einzigartigkeit nicht entgegensteht.
Nicht zuletzt wird deutlich, dass Dekarbonisierung hier ernstgenommen wird, weil man hohe Innovationsansprüche mit halbherzigem Greenwashing auch gar nicht erfüllen könnte. Verstärkt wird diese Tendenz durch die bindenden Regeln von EU-Taxonomie und ESG, die viele Unternehmen schon als Chance und Innovationsmotor erkannt haben. Beim Developer UBM – der unter anderem Dominique Perraults Timber Marina Tower in Wien in Planung hat – legt man seit einigen Jahren den Schwerpunkt massiv auf Holzkonstruktion, auch weil man in der Erfüllung der ESG-Kriterien langfristig finanzielle Sicherheit sieht. Diese Dynamik wird sich im Bürobau sicher noch weiter verstärken. Ein Aufschwung für den Holzbau ist hier also zu erwarten, und das nicht nur in Prestigeprojekten für Forschung und Innovation.