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Erweiterung Bürogebäude Erne Stein, Stein im Kanton Aargau

erschienen in
Zuschnitt 94 Holz, Büro & Co., September 2024

Daten zum Objekt

Standort

Stein im Kanton Aargau/CH

Bauherr:in

Erne AG Holzbau, Laufenburg/DE, www.erne.net

Architektur

Burkard Meyer Architekten, Baden/CH, www.burkardmeyer.ch

Statik

MWV Bauingenieure AG, Baden/CH, www.mwv.ch

Holzbau

Erne AG Holzbau, Laufenburg/DE, www.erne.net

Fertigstellung

2023

Ein Exponat für ressourcenschonendes Bauen

Im Schweizer Fricktal in Stein erweiterte die Erne AG Holzbau ihr Bürogebäude um einen neuen Gebäudekomplex. Dieser vereint hundert neue Arbeitsplätze und das jüngste Innovationszentrum der Erne-Gruppe unter einem Dach, ergänzt den bestehenden Modulbau und ist mit ihm verbunden. Der offene Grundriss um das große Atrium lässt sich dabei flexibel einteilen, was nach­haltig ist, weil auf Nutzungsänderungen reagiert werden kann. Neben der Ausführung als Holz-Hybridbau vereint das Projekt mit 3.380 m² Fläche und großräumigem Atrium inmitten des ­Gebäudes einige Aspekte des ressourcenschonenden Bauens.

Der Neubau zeigt sich von außen mit Aluminium und Glas sowie einer 638 m² großen Fläche von Photovoltaik-Modulen, die 78.000 kWh ökologischen Strom pro Jahr produzieren. Er bildet ­somit einen Kontrast zum Bestandsbau, der von Holzlamellen ­geprägt ist. Hinter der Fassade steht ein Hybridbau aus Holz, Lehm und Beton. Das Tragwerk folgt einem Raster von 6 mal 6 Metern und besteht aus hell lasierter Schweizer Stabbuche, ­wobei die in der Fassadenebene stehenden Holzstützen (Fagus Suisse, GL45) sowie die innen liegenden, korridor- und atrium­bildenden Tragelemente mit einer Holz-Beton-Verbunddecke mit Holzrippen in Fichte (BSH GL24) kombiniert wurden. Das im Werk vorgefertigte, CO2-arme Hybridsystem kam bereits im ersten Holzhochhaus-Ensemble der Schweiz, dem „Suurstoffi 22“ in Rotkreuz, zum Einsatz und wurde nun weiterentwickelt.

Es kombiniert dank des eigens entwickelten Verbindungsknotens zwischen der Holz-Beton-Verbunddecke und den Stützen die statischen Eigenschaften von Holz und Beton – schwindungs­armem Recyclingbeton aus Mischabbruch – und ermöglicht auf diese Weise große Spannweiten. Das System eignet sich für ­Gebäudehöhen von bis zu 100 Metern und Stützenraster von bis zu 8 mal 8 Metern – also noch weit höhere und größere Abmessungen als denen, die im Erweiterungsbau umgesetzt wurden.

Es sind somit Tragreserven vorhanden, sodass das Gebäude um ein Geschoss erweiterbar ist. Darüber hinaus können die Decken über die integrierten und direkt im Werk installierten Leitungen – thermoaktive Bauteilsysteme – wahlweise gekühlt oder beheizt werden. Die Erwärmung im Winter erfolgt über die mit Wärmepumpen gewonnene Energie, die Kühlung im Sommer nutzt Kälte aus dem Grundwasser. So sind sie aktivierbare Speichermasse und dienen sowohl der Kühlung, Heizung und Lüftung als auch der Raumakustik.

Ausgeklügelt ausgearbeitet sind auch die Knoten im filigranen Fachwerk aus Baubuche, welches das gesamte Atrium 15 Meter weit überspannt. Die schlanke Konstruktion des Dachtragwerks ist dank des hocheffizienten Materials (GL75) möglich, weil schlanke Querschnitte ohne Einbußen in der Tragfähigkeit ­möglich sind. Durch das Fräsen mit computergesteuerten Maschinen wird zudem eine maximale Materialeffizienz ermöglicht. Die Fachwerkkonstruktion kann – im Sinne von Design for Disassembly – gegebenenfalls auch einfach rückgebaut, zerlegt und an anderer Stelle in neuer Konfiguration wieder aufgebaut werden. Wo immer möglich wurden für den Neubau Konstruktionsweisen gewählt oder entwickelt, die bei einem späteren Rückbau sortenrein auseinandergenommen werden können und sich wiederverwenden lassen – sei es komplett als Element oder in Form von Einzelteilen.

Dies gilt auch für die Treppenkerne mit den Nasszellen, die aus lastabtragendem Stampflehm gebaut sind. Dieser wurde vor Ort mithilfe von Robotern aus dem Aushub gewonnen. Der unverputzte Lehm prägt die Räume und reguliert das Innenraumklima. Die vertikalen Lasten können über die Elemente abgetragen ­werden, die horizontale Aussteifung erfolgt hingegen getrennt über Stahlkreuze.

Nicht zuletzt ist auch die Bodenplatte aus Recyclingbeton gegossen, und ein Untergeschoss wurde nur dort errichtet, wo es notwendig war. Durch die ressourcenschonende Bauweise, den materialoptimierten Einsatz von Holz und Beton sowie die Verwendung von Lehm konnte die CO2-Bilanz erheblich verbessert werden – im Vergleich mit einem durchschnittlicher Neubau um 40 Prozent. Dank der Nutzung von Energie aus dem Grundwasser kann Erne nun sogar vollständig auf Gas verzichten, was den CO2-Ausstoß um 11,1 Tonnen pro Jahr reduziert. Die Firmenerweiterung ist insofern nicht nur ein repräsentativer Holzbau, sondern auch ein hauseigenes Exponat vieler prototypischer Bauteile und ökologischer Finessen.


verfasst von

Clementine Hegner-van Rooden

Clementine Hegner-van Rooden ist diplomierte Bauingenieurin (ETH), freie Publizistin und Fachjournalistin.

Erschienen in

Zuschnitt 94
Holz, Büro & Co.

Neue Gebäude, Räume und Orte der Büroarbeit in Holz

8,00 €

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Zuschnitt 94 - Holz, Büro & Co.