Ich freue mich über die Tage, die ich in unserem Büro verbringe: eine einfache Fläche vor dem Berliner Hauptbahnhof in der 15. Etage mit Blick über das Regierungsviertel, den Tiergarten, ja so ziemlich die ganze Stadt. Ich komme aber nicht wegen der schönen Aussicht ins Büro, sondern wegen der Menschen, die ich über die Jahre liebgewonnen habe. Es geht mir um die vielen quirligen Gespräche und Begegnungen, das Gefühl, gemeinsam unterwegs zu sein, und darum, unsere Planungen gut und immer besser zu machen. Unsere Tage sind angefüllt mit Gesprächen, Entscheidungen, Fragen, Antworten, neuen Fragen und neuen Antworten. Diese vielfältigen Aufgaben können wir so gut lösen, weil jede:r mit jeweils speziellem Wissen und persönlicher Arbeit den Unterschied machen kann und weil wir mit großer Freude zusammenarbeiten.
Wir merken in unserem täglichen Rennen und Rudern, wie unsere Aufgaben immer widersprüchlicher werden und sich das, was wir erstreben, zu immer differenzierteren Gebilden wandelt.
Wir stecken in einem Monsun polymorpher Ansprüche und spezifischen Wissens. Und wir spüren, wie – im ersten Moment ohne Ordnung – mal dieses mit jenem sich mischt, mal dieses an jenem sich stößt. Manche nennen das Interferenz. Die Steigerung der Erfahrung und Erkenntnis von Interferenz erkläre ich mir mit einem anderen, neuen Begriff: Superferenz. Indem wir all diese Überlappungen, Überlagerungen und Durchdringungen wahrnehmen, uns auf sie einlassen, sie aushalten, riskieren wir, Gewissheit und Sicherheit im Leben und bei unserer Arbeit zu verlieren. Erst wenn wir akzeptieren, dass vieles um uns herum widersprüchlich, ja bedrohlich ist, können Strategien gefunden werden, um die daraus resultierenden Konflikte zu nutzen. Strategien, die zu puristischen und minimalistischen Lösungen führen, scheinen in ihrer Sehnsucht nach Harmonie und Einfachheit zu viel auszuschließen. Sie vermeiden, ja verdrängen diese Superferenz der Realität.
Schon mit dem Beginn der Arbeit an einem Bauvorhaben gilt es, in einem Meer von Möglichkeiten die entscheidenden zu finden. Städtebau, Grundstückslage, Erschließung, Raumprogramm, Tragwerk, Bauphysik, Energiekonzept, Brandschutz und so vieles mehr konkurrieren miteinander. Übergeordnet geht es uns bei Gebäuden zum Arbeiten immer wieder darum, die ökonomischen, ökologischen und sozialen Ziele vereinbar zu machen.
Die gesellschaftlichen Aufgaben sind aber so groß, dass sie nicht von Einzelnen in Architekturbüros tüftelnd gelöst werden können. Die systemische Transformation, in der wir uns befinden, braucht eine gesellschaftliche Vision, die den erforderlichen Veränderungen einen Sinn gibt.
Wo ist zum Beispiel die Roadmap für eine klimagerechte Stadtproduktion? Wo sind die konkreten Konzepte für kostengünstige und durchmischte Quartiere? Was ist mit Digitalisierung, Verfahrensbeschleunigung, Standardanpassungen, modularem Bauen, resilienten Lieferketten und Cradle-to-Cradle-Konzepten?
An diesen Fragen müssen sich auch Gebäude zum Arbeiten messen lassen: für Start-ups, etablierte Dienstleister, öffentliche Institutionen, Vereine oder Labore. Denn das mobilere Arbeiten hat zu vielen leeren Büros geführt. Die tatsächliche Nutzung der Arbeitsplätze liegt durch Homeoffice, Besprechungen, Urlaub, Bildung, Krankheit bei unter 30 Prozent. Die ungenutzten Büroräume zu heizen, zu beleuchten und mit IT und Telekommunikation zu versorgen, ist aus ökologischer und ökonomischer Sicht fragwürdig. Die noch ins Büro kommen, quälen sich vielfach mit veralteten Bestandsgebäuden, die den fachlichen Austausch und das menschliche Miteinander behindern.
Was ist also in dieser Situation zu tun? Die Nachhaltigkeit hat eine immer größere Ausstrahlung auf alle anderen Bereiche und bildet bereits heute den Eckpfeiler der Reputation eines Unternehmens. Es kann einfach keine tollen Arbeitgeber:innen, Produkte, Planungen oder Dienstleistungen geben, die nicht nachhaltig sind. Nachhaltigkeit als Megathema muss heute in der Unternehmensstrategie ganz oben auf die Agenda – eben nicht nur wegen der Ersparnis von Kosten, sondern wegen der Licence to operate, der Daseinsberechtigung eines Unternehmens. Ohne sie können die guten Mitarbeiter:innen und Kund:innen weder gewonnen noch gehalten werden.
Banken und Investoren schauen schon lange nicht mehr nur auf die Finanzkennzahlen. Immer mehr Unternehmen sind zu jährlichen Nachhaltigkeitsberichten verpflichtet. Ohne eine überzeugend nachhaltige Unternehmensstrategie gibt es keine Aktionär:innen und keine Finanzierungen. Die ESG-Kriterien alleine reichen dafür schon nicht mehr aus. Die EU-Taxonomie, das Lieferkettengesetz und die Corporate Sustainability Reporting Directive werden jetzt in vollem Umfang wirksam, um die Reduktion der Treibhausgase um 50 Prozent bis 2030 zu erreichen. Damit werden reine Kompensationslösungen immer unglaubwürdiger. Denn das bedeutet im Kern, sich freizukaufen, nicht an echten Lösungen interessiert zu sein und Greenwashing zu betreiben. Nur 3 bis 5 Prozent der Ausgaben eines Unternehmens entfallen auf die Büro- und Geschäftsausstattung. Die verursacht aber im Durchschnitt 10 bis 20 Prozent der Emissionen. Deshalb sind nachhaltige Gebäude zum Arbeiten ein Meilenstein auf dem Weg zu einer erfolgreichen Unternehmensführung. Unternehmen müssen jetzt proaktiv handeln, um in absehbarer Zeit in ein nachhaltiges, schadstoffarmes, CO₂-neutral betriebenes und die Kommunikation förderndes Gebäude einziehen zu können.
Immer wieder konnte ich als Architekt beobachten, welche Inspiration und Verjüngung, welchen Zuwachs an Energie und Wir-Gefühl der Umzug in ein neues Gebäude für Unternehmen auszulösen vermag. Ich habe dieses Wunder schon oft erlebt.