Daten zum Objekt
Standort
Bezau/AT
Bauherr:in
Baugruppe Berchtel – Innauer-Matt, Bezau/AT
Architektur
Innauer-Matt Architekten, Bezau/AT, www.innauer-matt.com
Statik
merz kley partner GmbH, Dornbirn/AT, www.mkp-ing.com
Holzbau
Kaspar Greber Holz- und Wohnbau GmbH, Bezau/AT, www.kaspargreber.at
Fertigstellung
2022
Typologie
Arbeiten im Kontext
Das Büro der Architekten Markus Innauer und Sven Matt befindet sich an einem besonderen Ort: dem Erstlingswerk von Leopold Kaufmann aus dem Jahr 1963. Er war der erste Architekt der Bregenzerwälder Holzbaudynastie Kaufmann – weitere sollten folgen – und prägte die Region maßgeblich.
Kaufmann integrierte in das ehemalige Bauernhaus anstelle des Stalls ein Fotoatelier und -geschäft für die Familie Hiller, Pioniere dieser Branche im Bregenzerwald. Nach dreißig Jahren wurde der Betrieb geschlossen und das Haus stand leer. 2012 vermietete es Hedwig Berchtel, Tochter des Firmengründers, unter der Auflage, das Atelier unverändert zu belassen, an Innauer Matt Architekten, die es 2021 kauften und revitalisierten.
Der Zustand des Ateliers war gut, es konnte vollständig erhalten bleiben, nur die Oberflächen wurden bearbeitet und die Haustechnik erneuert. Aufgrund des schlechten Befundes der übrigen Bausubstanz war eine Sanierung nicht möglich, weshalb diese Teile abgetragen wurden und an ihre Stelle ein Neubau trat. Er lehnt sich eng an die regionale Formensprache an und übernimmt Kubatur, Materialität, Rhythmus und Struktur bis hin zur Grundrisskonfiguration seines Vorgängers. Trotzdem spricht er eine eigene, moderne Sprache, die sich in Details wie der Fensterteilung, dem Eingang, der Westansicht mit ihren ornamentalen Lichtlinsen und natürlich der Innenausstattung manifestiert.
Erschlossen wird das Haus über einen Mittelgang, den ehemaligen „Wagenschopf“, der ursprünglich auch zur Lagerung von Gerätschaften diente. Ostseitig, im Vorderhaus, befinden sich drei Wohnungen: zwei kleinere im Erdgeschoss und eine größere im Obergeschoss. Die einen werden von den Architekten als Wohnmöglichkeit für Mitarbeiter:innen oder Praktikant:innen zur Verfügung gestellt, die andere wird privat genutzt. Das Büro der Architekten ist auf drei Ebenen im ehemaligen Fotoatelier untergebracht – mehr eine Weiternutzung als eine Umnutzung, weil in unveränderter Umgebung kreativ-konkrete Arbeit ihren Fortgang findet und der Raum von einer beständigen Qualität ist, wie sie seriöser und trotzdem innovativer Architektur innewohnt.
Auch konstruktiv und bezüglich der Materialisierung greifen die Planer auf die Bregenzerwälder Bautradition zurück: Der „steinerne“ Sockel ist betoniert, das Vorderhaus mit den Wohnungen wurde in Brettsperrholz-Bauweise mit Sichtoberflächen im Inneren errichtet, um an den massiven Charakter der ursprünglichen Strickbauweise anzuknüpfen, und auf der dritten Ebene des Büros kam eine Holzrahmenkonstruktion zum Einsatz. Die tragenden Ziegelwände im Atelier blieben, ebenfalls mit sichtbarer Oberfläche, erhalten. Holzschindeln verkleiden den Wohntrakt, eine horizontale Bretterfassade den Arbeitstrakt.
Dieses sehr konkrete Anknüpfen an die ursprüngliche Formensprache und Nutzung mag zuerst einmal erstaunlich sein. Doch hier geht es um einen doppelten Kontext: erstens um eine Einfügung in den formalen und strukturellen Zusammenhang im Dorf und zweitens, und das ist unverzichtbar, darum, dem Kaufmann’schen Werk seinen „Rahmen“ zu belassen und seinen genau auf das alte Haus abgestimmten Elementen – Materialisierung, Lichtführung, räumliche Konzeption, Öffnung zur Straße hin – nichts in den Weg zu stellen, was es schwächen könnte. Das ist bestens gelungen und die Bezauer haben, wie von früher gewöhnt, was zu sehen, wenn sie vorbeigehen.