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RockyWood, Offenbach

erschienen in
Zuschnitt 94 Holz, Büro & Co., September 2024

Daten zum Objekt

Standort

Offenbach/DE

Bauherr:in

Primus developments GmbH, Hamburg/DE, www.primus-developments.de

Architektur

Eike Becker_Architekten, Berlin/DE, www.eikebeckerarchitekten.com

Statik

merz kley partner GmbH, Dornbirn/AT, www.mkp-ing.com

Holzbau

Kaufmann Bausysteme GmbH, Reuthe/AT, www.kaufmannbausysteme.at

Fertigstellung

2022

Ressourcenschonender Stadtbaustein

Beachtliches tut sich in Offenbach, der armen Schwester der Bankenmetropole Frankfurt. Sie verändert sich heute wie kaum eine andere deutsche Stadt, indem sie frühere Industrie- und ­Gewerbeareale für neue Nutzungen reaktiviert. Gleich drei neue Stadtquartiere entstehen derzeit im ehemaligen Mainhafen, dem größten Stadtentwicklungsgebiet in der Rhein-Main-Region.

Als jüngster urbaner Baustein steht dort nun zwischen der denkmalgeschützten Heyne Fabrik und dem zukünftigen Neubau der Hochschule für Gestaltung das Mikroquartier RockyWood, das überraschend konfliktlos den dort ansässigen Boxclub Nordend Offenbach mit neuen Arbeitswelten zu kombinieren verstand.

Die Reste der alten Boxhalle wurden dazu nachhaltig gehäckselt und als Sauberkeitsschicht im neuen Gebäudekomplex zweitverwertet. Dazu entwickelten Eike Becker_Architekten eine nach zwei Seiten offene, einladende Blockrandbebauung mit einem kleineren Würfelkörper in Beton namens „Rocky“ und einem größeren, L-förmigen Laubenganggebäude in Holzmodulbauweise namens „Wood“. Das so entstandene RockyWood lädt Passant:innen zu vielfältigen Entdeckungen ein: Über großzügige Terrassen vom Main heraufsteigend, können sie einen sehr offenen und öffent­lichen Innenhof erkunden, der als ein recht kurzweiliger „Play­ground“ gestaltet wurde und nun im Erdgeschoss mit einem Restaurant, einem Laden sowie dem alten Boxclub aufwartet.

Auf quadratischem Grundriss entstand Rocky mit 2.000 m² als kompakter Monolith für den E-Bike-Hersteller Advanced Bikes. Das L-förmige Gebäude Wood mit 8.000 m² besteht hingegen zu drei Viertel aus Holz mit 354 unterschiedlich großen Modulen von Kaufmann Bausysteme, denen zum Innenhof hin eine weitere Raumschicht für überraschend großzügige Laubengänge mit fast 3 Meter Tiefe vorgestellt wurde, die als Erschließungszonen nun vielerlei Begegnungen erlauben, aber auch als Lounge­flächen ­genutzt werden können und mit weitmaschigen Netzen statt der herkömmlichen Geländer ausgestattet sind. Lediglich das Erd­geschoss, das Treppenhaus, der Aufzugskern sowie zwei Brandwände wurden bei Wood in einer herkömmlichen Stahl­betonkonstruktion in Ortbeton ausgeführt.

Die Grundkonstruktion der einzelnen Module besteht hingegen aus Brettsperrholz-Platten (BSP), die im weiteren Ausbau um Schicht-, OSB-Platten sowie Buchen-Furnierschichtholz (FSH) ­ergänzt wurden und deren Oberflächen im Inneren weitgehend sichtbar und erlebbar blieben. Der Großteil des Hauses wurde dabei aus sechs verschieden großen Holzmodulen zusammengefügt, die jeweils 2,67 Meter breit sind und zwischen 5,37 und 16,20 ­Meter Länge differieren. Vorgefertigt auf die Baustelle ­angeliefert, konnten zeitsparend bis zu zehn Module pro Tag vor Ort installiert werden, was die Bauplanung erheblich erleichterte. Dem Holzmodulbau vorgehängt wurde eine hinterlüftete Holzfassade, ­deren vorgesetzte vertikale Holzlamellen nun mit einer versetzten Aufweitung der Lamellenzwischenräume aufwarten, was die serielle Modularität des Baukörpers abwechslungsreich aufbricht und auflockert. Mithilfe von 384 dezentralen Fassadenlüftungsgeräten, die in die Hohlböden und Fassaden integriert sind, wurde darüber hinaus mit Transsolar ein Lüftungskonzept erarbeitet, das über einen ­eigens entwickelten BlueRange Wireless Modbus Adapter mit den Sensoren von 191 integrierten Leuchten verbunden ist, was eine kabellose Vernetzung aller Technikkomponenten ermöglichte.

Die funkbasierte Raumautomation machte eine aufwendige ­Datenverkabelung mit kilometerlangen Kupferleitungen verzichtbar, was die Brandlast, aber auch die Bauzeit zu reduzieren half.
Wärmeschutzglas machte hingegen einen baulichen Sonnenschutz überflüssig. Jahreszeitliche Wärmespitzen kompensieren nun ­Deckenventilatoren, die bei Bedarf eine kontrolliert erhöhte Raumluftströmung erlauben. Auf weitgehend sortenreine Kon­struktionen und Installationen wurde sehr großer Wert gelegt für ein Projekt, zu dem auch ein eigener Materialkataster über die IT-Datenbank Madaster erstellt wurde, der nun sicherstellen soll, dass die verbauten Materialien dem Materialkreislauf langfristig erhalten bleiben können. Zudem verpflichtete sich die versierte Projektentwicklungsgesellschaft Primus, Baumnachpflanzungen für die verbauten 2.500 m3 Holz vorzunehmen, wozu noch der Verein Woodcycle gegründet werden soll. Eine solche Nachhaltigkeit findet heute auf dem Immobilienmarkt offenbar immer mehr Resonanz. Schließlich waren schon 73 Prozent aller Flächen von RockyWood vor Baubeginn vermietet.


verfasst von

Claus Käpplinger

lebt als freier Architektur- und Stadtkritiker in Berlin und lehrt seit 2012 am Institut für Entwerfen und Gebäudelehre der TU Braunschweig.

Erschienen in

Zuschnitt 94
Holz, Büro & Co.

Neue Gebäude, Räume und Orte der Büroarbeit in Holz

8,00 €

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Zuschnitt 94 - Holz, Büro & Co.