Zum Hauptinhalt springen

Erkläranlage, Berngau

erschienen in
Zuschnitt 95 Regionen und Gemeinden stärken, Jänner 2025

Daten zum Objekt

Standort

Berngau/DE

Bauherr:in 

Gemeinde Berngau, Berngau/DE, www.berngau.de

Architektur 

Max Otto Zitzelsberger Architekt, München/DE, www.maxottozitzelsberger.de

Statik 

merz kley partner GmbH, Dornbirn/AT, www.mkp-ing.com

Holzbau 

Zimmerei Hirsch Möning, Möning/DE, www.zimmerei-moening.de

Fertigstellung

2021

Typologie

Gemischte Nutzung

Dialog im Freien

Generationennetzwerk

Die Gemeinde Berngau entwickelte unter Bürgermeister Wolfgang Wild (2008 – 2020) ein Leitbild zur Förderung baulicher und sozialer Entwicklungen. Mit Fördermitteln des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft wurde dazu das „Generationennetzwerk“ ins Leben gerufen, um bestehende zivilgesellschaftliche Initiativen zu koordinieren, Leerstände zu beseitigen und das Zusammenleben verschiedener Bevölkerungsgruppen zu stärken. Ziel war es, die Gemeinde sowohl baulich als auch gesellschaftlich barrierefrei zu gestalten.
Ein zentrales Element dieses Leitbilds war die Umnutzung der seit den 1990er Jahren stillgelegten kommunalen Kläranlage. Da der Tropfkörper als letzter seiner Art im Landkreis eine identitätsstiftende Bauform darstellt, entschied man sich gegen einen Abriss. Bei einer spontanen gemeinsamen Besichtigung durch den Soziologen Klaus Zeitler, der das Generationennetzwerk begleitet und berät, und den Architekten Roland Gruber von nonconform entstand die Idee, die Kläranlage in eine „Erkläranlage“ umzuwandeln. Was genau eine solche Erkläranlage sein und was sie in Zukunft leisten sollte, bedurfte allerdings einer genaueren Bestimmung.

Ideenwerkstatt

Im Rahmen einer von nonconform moderierten partizipativen Ideenwerkstatt wurden 2016 gemeinsam mit der Berngauer Bevölkerung Strategien für die Nachnutzung leer stehender Gebäude und die Neuordnung der Nutzungen im Zentrum erarbeitet. Die Erkläranlage sollte als inklusiver Ermöglichungsraum für alle und als „grünes Klassenzimmer“ für die örtlichen Schulen dienen. Produkt der Ideenwerkstatt war ein „Zukunftskatalog“, der als Einreichung für die Bayerische Städtebauförderung diente und in der Folge die Finanzierung des Generationennetzwerks selbst und die Transformation zur Erkläranlage ermöglichte.

Erkläranlage

Mit dem Umbau wurde der Architekt Max Zitzelsberger beauftragt, der bereits den Wettbewerb für die Umnutzung des leer stehenden Gasthauses Lukas im Zentrum von Berngau gewonnen hatte. Neben dem bestehenden Tropfkörper, der eine hölzerne „Krone“ erhielt und begehbar gemacht wurde, entstand ein offener Holzpavillon als Ort der Begegnung und Forschung. Ein Holzzaun schirmt das Gelände von der Umgehungsstraße und dem Klärbecken ab. Eine neu errichtete Holzbrücke über den Bach verbindet die Schule barrierefrei mit dem Areal. Die Bauarbeiten wurden gemeinsam mit Jugendlichen der Lebenshilfe, Schüler:innen und Zimmerlehrlingen durchgeführt, um gelebte Inklusion bereits im Entstehungsprozess zu verankern.

Kümmererstruktur

Seit der Eröffnung im Jahr 2020 fanden zahlreiche Veranstaltungen in der Erkläranlage statt, von Ferienprogrammen und Teeniegruppen bis hin zu Gemeindenachmittagen und Kinovorführungen unter freiem Himmel. Zur Sicherung der nachhaltigen Entwicklung Berngaus wurde auf kommunaler Ebene als Teil des Quartiersmanagements die Position eines Kümmerers geschaffen, als der derzeit Altbürgermeister Wolfgang Wild fungiert. Diese über Jahre gewachsenen Strukturen machen Berngau zu einem Vorbild. Nach anfänglicher Skepsis in der Region entstehen nun mehrere ähnliche Generationennetzwerke.


verfasst von

Linda Lackner

studierte Architektur an der TU Wien und der Akademie der bildenden Künste Wien, forscht und publiziert zu Themen der Architektur und Stadtplanung, von 2019 bis 2023 war sie Redakteurin der Zeitschrift Zuschnitt.

Erschienen in

Zuschnitt 95
Regionen und Gemeinden stärken

Vielfältige Lösungswege, kleine und große Eingriffe aus Holz gegen Strukturschwächen

8,00 €

Zum Produkt   Download

Zuschnitt 95 - Regionen und Gemeinden stärken