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Wald – Holz – Klima
Regionale Ressourcen nutzen

erschienen in
Zuschnitt 95 Regionen und Gemeinden stärken, Jänner 2025

Baut eine Gemeinde mit regionalem Holz, kommen Vorteile wie eine kurze Bauzeit, kurze Transportwege und damit niedrige CO₂-Emissionen noch mehr zur Geltung als beim Bezug von Holz über sonst übliche Handelswege. Werden zur Bearbeitung und Errichtung ortsansässige Betriebe beauftragt, wird zugleich die regionale Wertschöpfung gestärkt. Welche regionalen Ressourcen können aber darüber hinaus zur Belebung eines Ortskerns und zur Schaffung von Begegnungsräumen beitragen? Neben den architektonischen, konstruktiven und materialabhängigen Aspekten hat auch ein kreativer Umgang großen Anteil daran. Es kommt auf die Kraft des gemeinschaftlichen Engagements an und darauf, die zukünftigen Nutzer:innen als Akteur:innen ins Gestalten, Planen und Bauen ihrer gemeinschaftlichen Räume einzubinden. Ein Beispiel dafür ist die Entstehungsgeschichte der Feuerzeugstätte in Holzbauweise der Freiwilligen Feuerwehr Unterdorf in Thalgau bei Salzburg.

Leib und Leben ebenso wie Hab und Gut vor der Vernichtung durch Feuer zu schützen, ist für Zivilisationen eine Überlebensfrage. Ganze Kulturen, man denke an das antike Troja, gingen unter und selbst blühende Städte sanken nach Brandkatastrophen zur Bedeutungslosigkeit herab. Die Folgen des großen Stadtbrands von 1818, bei dem die rechtsseitige Altstadt von Salzburg weitgehend ein Raub der Flammen wurde, waren, wie Chronisten berichten, noch dreißig Jahre später im Stadtbild sichtbar.

Lange Zeit waren die Mittel gering, die die Menschen gegen die Urgewalt aufbieten konnten. Erst mit der Industrialisierung kam Bewegung in die Entwicklung des Feuerwehrwesens. Rasch wurden die Feuerwehren zu identitätsstiftenden Einrichtungen, in denen Solidarität und soziales Engagement in einem säkularen Umfeld gedeihen. Bei der 1878 gegründeten Freiwilligen Feuerwehr (FF) in Thalgau verhält sich das nicht anders. Sie erhielt bald Filialen wie den Löschzug in Unterdorf im Jahr 1912. In diesem Ortsteil gab es neben zahlreichen Bauernhöfen auch Mühlen, Sägewerke und neuartige Gewerbebetriebe, darunter die 1884 gegründete Zinnoxydfabrik, deren Produkte in die ganze Welt exportiert wurden. Das erste Feuerwehrhaus, ein kleiner, gemauerter Schuppen mit einem Schlauchturm, steht noch heute.

Die Entwicklung des Feuerwehrstandorts geht Hand in Hand mit dem Wachstum des Ortsteils, der wirtschaftlich vom nahegelegenen Autobahnzubringer profitiert. Berge- und Aufräumarbeiten nach Verkehrsunfällen auf der A1 zählen mithin zu den häufigsten Einsätzen der FF Unterberg. Mit seiner Mannschaftsstärke von ca. 75 „Feuerwehrlern“ spielt der Löschzug, neben der Hauptwache von Thalgau, daher eine ganz wesentliche Rolle. Das sind zwar gute Argumente, sie sichern aber nicht die Finanzierung eines Neubaus. Die Gemeinde Thalgau versuchte daher zusätzliche Nutzungen im neuen Feuerwehrhaus unterzubringen, um auf diese Weise Finanzmittel zu beschaffen. Im Kellergeschoss entstand etwa eine Garage zur Unterbringung von Geräten und Fahrzeugen des gemeindeeigenen Bauhofs. Ein weiterer Teil der Kosten wurde durch Holzspenden von Thalgauer Bauern und durch die Mannschaft in Form von freiwilligen Arbeitsleistungen getragen. Denn in einem Löschzug versehen Personen ihren Dienst, die
im zivilen Leben als geschickte Handwerker auf Baustellen, in Betrieben und auf Bauernhöfen arbeiten und ihr Können für den Bau des neuen Feuerwehrhauses einbrachten. Neben den vielen, die anpacken, braucht es auch einen wie Ferdinand Oberascher, der sagt, wir machen das jetzt so und errichten unser neues Feuerwehrgebäude in Holzbauweise. Der konkrete Entschluss für einen Holzbau fiel nach einer Exkursion der Feuerwehr nach Vorarlberg. Das ist angesichts der Bauaufgabe keine Selbstverständlichkeit, passt aber, wie Bürgermeister Johann Grubinger betont, perfekt ins Zukunftsprofil der e5-Gemeinde Thalgau.

Das hehre Ziel, das Bauholz aus eigenen Wäldern bereitzustellen, konnte nicht ganz erfüllt werden. Große Träger und Massivholzplatten mussten zugekauft werden. Dennoch stellten Thalgauer Waldbauern nicht weniger als 200 m³ Tannenholz, das als Schalungsmaterial Verwendung fand, einschließlich Transport und Zuschnitt kostenlos bereit.

Alles unter einem Dach

Das zweigeschossiges Gebäude hat ein traditionelles Satteldach. Der Hauptbaukörper ist mit einer stehenden Schalung aus Tannenholzbrettern verkleidet. Bei der Ummantelung über der Tiefgarageneinfahrt kommen zur gestalterischen Differenzierung gespaltene Lärchenholzschindeln als Fassadenmaterial zum Einsatz. Über eine Fuge vom Hauptbaukörper getrennt, steht an der Ostseite der Schlauchturm, der in diesem Fall tatsächlich zum Trocknen der Schläuche, aber auch für Feuerwehrübungen genutzt wird.

Während die klassische Moderne Nutzungen in einzelne Volumina gliedert und diese nach funktionellen Aspekten bausteinartig zusammensetzt, steht das Konzept von sps architekten für eine andere Herangehensweise. Funktionsbereiche mit unterschiedlichen Zuschnitten werden zu einer kompakten Einheit verklammert und im Inneren raumplanartig übereinandergestapelt – ein Prinzip, das die vernakuläre Architektur von jeher kennt. Die Modulation von niedrigen und hohen Räumen – über einem gedrungenen Stall liegt der hallenartige Dachraum der Tenne, die dann durch einen querliegenden Erschließungsbereich von den auf zwei gleich hohen Geschossen angeordneten Wohnräumen getrennt sind – führte zu einer geringeren Hüllfläche, in der alles unter einem Dach vereint wird. Die Architekten besannen sich beim Feuerwehrgebäude in Unterdorf auf dieses Prinzip und stellten es im Bereich der Fahrzeughalle gleichsam auf den Kopf. Über der 4,9 Meter hohen Garage für die Einsatzfahrzeuge liegt ein Dachraum, der im Bereich des Kniestocks gerade noch um die 2 Meter misst. Dieser dient derzeit als Raumreserve für ein Archiv, als Fitness- und Aufenthaltsraum für die Jugendfeuerwehr. Im zum Stiegenhaus hin offenen Vorbereich des aktuell noch nicht ausgebauten Dachbodens wurde eine kleine Ausstellung eingerichtet, in der historische Löschgeräte, Fahnen und Uniformen gezeigt werden, die die Geschichte des Löschzugs dokumentieren. Der Bereitschaftsraum im Erdgeschoss erinnert in Lage, Zuschnitt und Einrichtung an eine typische Bauernstube. Im Geschoss darüber liegt der große Schulungsraum mit einer offenen Dachstuhlkonstruktion. Mit fast 5 Meter Raumhöhe verweist diese Paraphrase einer Tenne auf die reichhaltigen Raumfiguren der autochthonen Baukunst des Alpenraums. Die Interpretation dieses Raumgefüges und seine Gliederung durch die Dachstuhlkonstruktion sind bestechend. Die Holzoberflächen wurden überall im Inneren sicht- und spürbar eingesetzt, vorzüglich verarbeitet und, wie einst in Bauernhäusern üblich, unbehandelt belassen. Die haptische und stoffliche Charakteristik des Materials verleiht den Räumen sinnliche Qualität und verbindet sie zu einer harmonischen Einheit.

In der Außenerscheinung hingegen ist die Vielfalt der Fassadenmaterialien – Tannenholzschalung und Lärchenholzschindeln beim Hauptbaukörper sowie dünne Holzleisten beim Schlauchturm – der Differenzierung der unterschiedlichen Funktionen und Bauteile geschuldet. Es geht nicht um die Frage, ob weniger mehr gewesen wäre, sondern um das Bauen als gemeinschaftliches Werk. Dieses lebt nicht so sehr von Details, sondern von der Konstruktion des Ganzen, das von der Tiefgarage für den Bauhof über die kostenlose Fassadenschalung bis hinauf zum Dach und die Photovoltaik-Anlage, die mit 21,9 kWp über den Bedarf des Gebäudes hinaus Strom ins Netz der e5-Gemeinde Thalgau liefert, ganz unterschiedliche Ansprüche vereinen muss. Beheizt wird das Haus mit Fernwärme vom benachbarten Heizwerk, das mit Hackschnitzeln aus den Wäldern der Thalgauer Bauern beliefert wird. So schließt sich ein Kreis, der wiederum nur ein kleiner Schritt auf dem Weg zu einer echten Kreislaufwirtschaft ist.


verfasst von

Roman Höllbacher

Kunsthistoriker und Architekturpublizist, seit 2009 künstlerischer Leiter der Initiative Architektur

Erschienen in

Zuschnitt 95
Regionen und Gemeinden stärken

Vielfältige Lösungswege, kleine und große Eingriffe aus Holz gegen Strukturschwächen

8,00 €

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Zuschnitt 95 - Regionen und Gemeinden stärken