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Aus Kinderperspektive
Versuchsräume künstlerischer und kultureller Bildung

erschienen in
Zuschnitt 96 Inszeniert in Holz, März 2025

Juchzen, Kichern, auch mal Greinen – wo sich Kinder tummeln, geht es oft heiter, jedenfalls meist lebhaft zu. Im Zusammenhang mit Laboratorien wird ausgelassene Stimmung eher selten gedacht, in Schulen und im Theater kommt diese schon häufiger vor. Ganz eindeutig geprägt von der Laune, dem Staunen und von Kinderstimmen ist die Atmosphäre in zwei Gebäuden, die sich explizit an ein junges Publikum richten und sich auch der kulturellen und künstlerischen Förderung der heranwachsenden Generation verschrieben haben.

Kinderkunstlabor, St. Pölten

In der niederösterreichischen Landeshauptstadt St. Pölten liegt der Fokus im 2024 eröffneten Kinderkunstlabor darauf, jungen Menschen zeitgenössische Kunst durch Ausstellungen und Workshops näherzubringen. Es ist explizit kein Museum im gewöhnlichen Sinn, sondern ein Experimentier- und Möglichkeitsraum. Hier wird Kunst nicht unnahbar dargestellt oder ist nur mit Respektabstand zu betrachten – es gilt eindeutig: Hands on statt Angreifen verboten! Aktives Erleben und selbst Gestalten stehen im Vordergrund. Kunst, Kultur und Raum sind hier spielerisch und mit allen Sinnen erfahrbar.

Kinder werden in dem von Schenker Salvi Weber Architekten geplanten Projekt aber nicht nur programmatisch adressiert – bereits in der Planung brachten die jungen Nutzer:innen regelmäßig ihre Perspektiven und Ideen in Form eines Kinderbeirats im Austausch mit den Planungsverantwortlichen und beteiligten Kunstschaffenden mit ein und waren so bereits in den Gestaltungsprozess eingebunden.

Das ursprünglich zur Gänze als Holzbau konzipierte Gebäude wurde letztlich als Hybrid errichtet, weil die Ausführung des Tragwerks in Holz zu ausladend ausgefallen und zu teuer gekommen wäre. Dem sichtbaren Tragwerk aus Beton in Form einer zentralen, baumartigen Stütze setzt Holz nun atmosphärisch als bauliches Element bei Decken, Verkleidungen und Böden ein Kontra. Eine äußere Hülle aus Holzlamellen vermittelt zwischen innen und außen, prägt die Räume durch ein sich im Tagesverlauf änderndes Spiel aus Licht und Schatten immer wieder neu. Eine Pfosten-Riegel-Fassade in raumhoch verglasten Bereichen sorgt punktuell zusätzlich für Offenheit zur Umgebung.

Generell sind Ein- und Durchblicke markante Elemente. Damit sich die Besucher:innen im viergeschossigen Gebäude möglichst intuitiv orientieren können, wurden – der Körpergröße der Kleinsten entsprechend – Rundfenster zwischen den einzelnen Bereichen platziert. So ist das Angebot aus Indoorspielplatz, Café, Ausstellungs- und Laborflächen sowie einer Bibliothek auch für Kinder visuell einfach zugänglich. Gespielt werden kann aber ohnehin einfach überall. Eine sich nach oben verjüngende Erschließungszone windet sich wie eine Helix durch das Gebäude und ist nicht bloß Treppe, sondern ebenfalls ein Raum zum Basteln und Werken, für Pausen und Austausch.

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David Brownlow Theatre, Newbury

Ein zumindest von seiner räumlich nutzbaren Ausrichtung her eher starres Projekt für ein kinderorientiertes Kulturprogramm findet sich im englischen Newbury. Hier haben sich Architekt:innen des Tuckey Design Studios der Bauaufgabe eines Schultheaters, des David Brownlow Theatre, gestellt. Das nach seinem Stifter benannte Gebäude liegt auf dem Campus der traditionsreichen, 1888 gegründeten Horris Hill Tages- und Internatsvorbereitungsschule für Jungen im Alter von vier bis 13 Jahren.

Trotz seines modernen Entwurfs und seiner zeitgemäßen Materialien fügt sich der Neubau unaufgeregt in das historische Setting. Gewöhnlich oder gar langweilig ist das Gebäude aber keinesfalls. Neben dem zentralen Ort für künstlerische Experimente und Entfaltung, der Bühne, spielt das Bauwerk sämtliche Stücke. Pomp sucht man aber vergeblich, es sind eher zurückhaltende Eleganz und wohlüberlegte Details, die hier überzeugen.

Zwei schlichte, ineinandergreifende Kuben fassen einen Veranstaltungssaal mit Bühne und 160 Sitzplätzen. Die ziegelrote Farbigkeit der äußeren Hülle täuscht aber über die tatsächliche Konstruktion hinweg. Die Fassade besteht aus Verbund-Spanplatten, einem Werkstoff aus einer gepressten und getrockneten Holzpartikel-Zement-Mischung. Diese sind auf eine horizontale Lattung montiert. Als tragendes Element wurde eine Konstruktion aus Brettsperrholz-Rahmen gewählt, als Dämmmaterial kam Steinwolle zum Einsatz. Im Innenraum gliedert eine Verkleidung aus hellen, flächigen Holzplatten, durchbrochen von aufgesetzten Buchenholzleisten, die Wände. Der Fußboden aus schwarzen Holzwerkstoffplatten vervollständigt das hölzerne Ensemble.

So zurückhaltend der Entwurf den nachwachsenden Rohstoff Holz in sich birgt, so eindeutig wird sein Einsatz nach außen hin akzentuiert: Ein hölzernes Gerüst markiert den Haupteingang auf selbstbewusste Art und Weise. Es ist Blickfang und Unterkonstruktion für das Anbringen von Veranstaltungsbannern zugleich. Verbindend dazwischengesteckt empfängt ein gläsernes Foyer das Publikum.

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Interpretationsspielraum

Auch wenn sich die beiden Projekte unterschiedlich präsentieren, ist ihr Ansatz quasi deckungsgleich und verleiht beiden ihren einzigartigen Charakter. So wie beim Kinderkunstlabor waren auch beim David Brownlow Theatre von Beginn an die zukünftigen Nutzer:innen am Planungsprozess beteiligt. Jonathan Tuckey hebt die fruchtbare Zusammenarbeit zwischen seinem Planungsteam und dem Auftraggeber sowie Schüler:innen und Lehrpersonal als entscheidend für das Gelingen des Bauvorhabens hervor.

„Das visionäre Engagement der Schulleitung war die inspirierende Geburtsstunde des Projekts“, erzählt er. „Die fruchtbare Zusammenarbeit zwischen dem Auftraggeber sowie Schüler:innen und Lehrpersonal, den Spender:innen und meinem Planungsteam waren maßgeblich für das gelungene Ergebnis.“

Bauten zur Kultur- und Kunstvermittlung für Kinder zu entwerfen, braucht mehr solide Architektur und farbenfrohe Gestaltung – es gilt, sich den vielfältigen Anforderungen zu stellen, möglichst viele Stimmen der Zielgruppe zu hören und diese bestmöglich umzusetzen. Das Team von Schenker Salvi Weber Architekten hatte dies von Beginn an im Blick: „Wir wollten Freude vermitteln und die Ideen der Kinder ernst nehmen. Etwas zu verniedlichen oder einfach bunt zu gestalten, war nie unser Ziel“, so Michael Salvi. Was es braucht, um ein für diesen Zweck am besten geeignetes Gebäude mit hohem Anspruch an die Architektur umzusetzen, fasst er in einem simplen Satz zusammen: „Es gilt, radikal aus Kinderperspektive zu denken.“


verfasst von

Christina Simmel

leitende Redakteurin der Zeitschrift Zuschnitt

Erschienen in

Zuschnitt 96
Inszeniert in Holz

Bauten für kulturelle und künstlerische Nutzungen

8,00 €

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Zuschnitt 96 - Inszeniert in Holz