Holz in Räumen für die Aufführung darstellender Kunst und Musik – im Theater oder bei Musikpavillons – einzusetzen, hat in der Architekturgeschichte eine gewisse Selbstverständlichkeit. Im Bereich von Ausstellungsräumen für Kunst kommt dieses Material nur selten sichtbar zur Anwendung. Am ehesten findet man Holz bei Ateliers für Künstler:innen, nicht aber in Museen oder White Cubes, die seit den 1920er Jahren farb- und materialneutral codiert sind. Arno Ritter sprach mit Sven Matt über den Einsatz von Holz bei zwei Projekten von Innauer-Matt Architekten.
Arno Ritter Bei der Erweiterung des Museums in Bezau und dem Kunstraum in Kassel habt ihr jeweils Holz auf ganz unterschiedliche Weise eingesetzt. Was war die Motivation beziehungsweise die Überlegung dahinter?
Sven Matt Wir versuchen in unseren Arbeiten eigentlich werkstoffneutral zu sein, aber unsere Nähe zum Holz ist vermutlich biografisch bedingt. Wir sind beide im Bregenzerwald aufgewachsen, haben daher ein selbstverständliches Verhältnis dazu, und oft ist es auch der einfachste und angemessenste Weg für uns, Holz einzusetzen. In Kassel ging es uns um die Abkehr vom White Cube und in Bezau haben wir das Holz durch Weißeln neutralisiert. In beiden Fällen wollten wir aber das Holz in seiner Stofflichkeit sichtund spürbar in den Räumen einsetzen. In Kassel ging es darum, den Studierenden einen Raum zur Verfügung zu stellen, in dem sie lernen können, wie sie ihre Kunst ausstellen, es ist eine Art von Labor oder Werkstatt zum Experimentieren. Dazu kommt, dass die bestehende Hochschule, die 1962 von Paul Friedrich Posenenske ganz im Sinne der Nachkriegsmoderne geplant wurde, ein Gebäude ist, das uns vor allem durch seine materielle Neutralität, funktionale Aneignungsfähigkeit und Logik der Konstruktion fasziniert hat. Wir haben im Wettbewerb daher diese vorhandenen Themen in unser Projekt aufgenommen und unseren Entwurf ähnlich gestimmt, damit der neue Raum ohne Scheu angeeignet wird. Nach der Eröffnung gab es dann die witzige Situation, dass sich die Studierenden bei uns beschwerten, dass sie die flexiblen Holzwände von der Hochschulleitung aus nicht verwenden durften. Wir haben uns dann erfolgreich dafür eingesetzt, dass sie diese bearbeiten können, was wir ja eigentlich durch die Wahl von Holz bezweckt hatten.
Arno Ritter Das bedeutet, dass die Holzoberflächen durch die Benutzung der Studierenden in den nächsten Jahren „verwundet“ werden und eine Patina bekommen. Im Westen tun wir uns offensichtlich schwer damit, etwas altern zu lassen, und haben keine positive kulturelle Einstellung zur Patina, wie sie in Japan vorhanden ist, wo ein Objekt oder ein Gebäude aufgrund der Benutzung und dem so genannten „Handglanz“ einen besonderen Wert bekommt.
Sven Matt Natürlich ist diese Veränderung des Materials nicht für alle akzeptabel, aber wenn man in einer Region lebt, in der das Holz seit Jahrhunderten alltäglich eingesetzt wird, ist dieser Aneignungsprozess eigentlich ganz natürlich. Die Scheu vor der Abnutzung scheint auch nicht einer Geringschätzung gegenüber gealterten Objekten zu entstammen. Ganze Industrien profitieren von der gezielt herbeigeführten Alterung. Sie nehmen vorweg, was viele heutzutage weder nachvollziehen noch geduldig abwarten können: die Übergangsphase von Neu zu Alt, in der Objekte oft als schmuddelig und heruntergekommen empfunden werden. Interessant wäre zu erfahren, wo genau der Wendepunkt liegt, wie viele Schichten von Schmutz und Grind sich ansammeln müssen, bis aus Abneigung eine echte Wertschätzung entsteht.
Arno Ritter In gewissem Gegensatz, aber nicht unähnlich zu Kassel, wo ihr strukturell und konstruktiv auf die Hochschule aus den 1960er Jahren reagiert, das Gebäude aber materiell absetzt, habt ihr in Bezau das denkmalgeschützte Gebäude, das ein beeindruckendes Ausstellungs objekt an sich ist, sensibel ergänzt. Denn ihr habt die vorgefundene Geschichte des Holzhauses sowohl architektonisch als auch handwerklich weitergeführt, das „Alte“ nur gereinigt, die Erweiterung, ihre Böden und Ausstellungsmöbel sichtbar in Holz ausgeführt. Lediglich in den Museumsräumen sind die Wände geweißelt.
Sven Matt Prinzipiell fällt es uns leichter, auf einen städtebaulichen Kontext oder ein bestehendes Gebäude zu reagieren, wie in Kassel oder in Bezau, um die vorhandene „Geschichte“ weiterzuschreiben und in die Gegenwart zu übersetzen. Uns geht es dabei um einen dialogischen Ansatz, um das Finden von sinnvollen Anknüpfungspunkten, wobei wir keine Berührungsängste gegenüber dem Alten oder Traditionellen haben, auch wenn man dann als unmodern bezeichnet wird. Für uns war es in Bezau klar, dass wir das denkmalgeschützte Haus als Ausstellungsexponat so erhalten wollen, dass seine Geschichte lesbar und damit zeitlos bleibt. Der Zubau dient dazu, neue Räume für wechselnde Ausstellungen zu bekommen und das historische Gebäude von Funktionen und Nutzungen wie Kassa und Toiletten zu entlasten. Wichtig war für uns, das Vorderhaus als öffentliches „Gesicht“ beizubehalten und der Erweiterung eine untergeordnete Rolle zukommen zu lassen. Das Neue sollte daher zurücktreten, bescheiden, aber nicht banal sein. Zugleich wollten wir in der Gestaltung des Gebäudes eine eigene Geschichte erzählen, und zwar in leiseren Tönen als beim Bestandsbau. Dieser Ansatz zieht sich auch in den Innenräumen durch und führt dazu, dass die Besucher:innen zwischen den alten und den neuen Räumen flanieren und damit unterschiedliche Wahrnehmungen angeboten bekommen. Uns ging es dabei nicht um starke Kontraste der Materialität oder Atmosphären, sondern darum, dass man im Neubau das Gefühl bekommt, dass er mit dem alten Haus eine Art von Verwandtschaftsverhältnis hat. Dabei spielt meiner Meinung nach auch das Holz eine zentrale Rolle, denn der alte Bauteil hat mittlerweile eine wunderbare Patina bekommen, der Zubau übernimmt diese Haltung und Materialität, vor allem aber war uns die handwerkliche Qualität der Ausführung sehr wichtig, denn der Zubau sollte genauso in Würde altern können wie das Vorderhaus. In den Ausstellungsäumen haben wir uns entschieden, die Holzwände in ihre Stofflichkeit zwar spürbar zu halten, sie aber mit weißer Kalkfarbe zu streichen, um einen neutralen Hintergrund für die Ausstellungsobjekte zu haben. Interessanterweise hatten wir in Kassel das Problem mit den Naturholzoberflächen, in Bezau gab es im Gegensatz dazu intensive Diskussionen über die weißen Holzwände. Es wurde damit argumentiert, dass es doch völlig unnatürlich wäre, das Holz zu streichen. Wenn das Holz weiß gewachsen wäre, hätten sie kein Problem, aber die schöne natürliche Holzoberfläche mit Farbe zum Verschwinden zu bringen, ginge gar nicht.
Arno Ritter Sind dafür unterschiedliche kulturelle Prägungen und Lebensgewohnheiten verantwortlich? Die Wahrnehmung ist vermutlich davon beeinflusst, ob jemand in einer Stadt oder in einer Region wie im Bregenzerwald lebt, wo der Einsatz des „natürlichen“ Holzes eine lange Tradition hat.
Sven Matt Für uns war eigentlich der Ansatz des Kalkens am Anfang recht schnell vorhanden, denn dort, wo der Zubau heute steht, befand sich früher der Stall, der in der Vergangenheit einmal im Jahr aus hygienischen Gründen gekalkt wurde. Dazu kommt, dass sich das Museum schwerpunktmäßig mit der langen Handwerkstradition im Bregenzerwald beschäftigt und daher viele unterschiedliche Objekte ausstellt, von Werkzeugen über Fotografien und Pläne bis zu Kleidung. Damit diese Ausstellungsstücke gut präsentiert werden können, wollten wir einen farblich „neutralen“ Hintergrund schaffen, an dem die Textur der sägerauen Fichte aber noch wahrnehmbar ist. In den Übergängen haben wir das Holz unbehandelt eingesetzt und damit eine gewisse Spannung zwischen den Räumen erzeugen wollen.
Arno Ritter Im Neubau bleibt die Konstruktion aus Holz sichtbar. Wo Geschichte oder Kunst gezeigt wird, neutralisiert ihr das Holz der Wände. Die Grafiken, Bilder oder Fotos in den Ausstellungen werden von den Kurator:innen aber wiederum in Naturholzrahmen präsentiert. Kann man daher ein wenig polemisch sagen, dass die Kunst Holz nur für Ateliergebäude oder als Rahmen zulässt?
Sven Matt Holz als reine Umrahmung der Kunst zu verstehen, greift vielleicht etwas zur kurz. Mir fällt auf Anhieb die Bildhauerei ein, in der Holz sein Potenzial als Ausgangsmaterial der Gestaltung vielfältig unter Beweis stellt. Die Gedanken führen weiter zur Musik, der ohne feine hölzerne Resonanzen ein weites Klangspektrum fehlen würde. Dies lässt sich auch auf die Architektur übertragen, in der für uns der besondere Reiz von Holz in seiner vielseitigen Ausdruckskraft liegt.