Yngve Holen ist ein deutsch-norwegischer Künstler, dessen Arbeiten um Fragen der Technologie, Konsumkultur und Körperlichkeit im Zeitalter der Automatisierung kreisen. Holens Werke bewegen sich dabei oft an der Schnittstelle zwischen industriellem Design und klassischer Bildhauerei. Mit chirurgischer Präzision zerlegt er Alltagsobjekte – insbesondere aus der Welt des Verkehrs, der Medizin und des Konsums – in ihre Einzelteile und rekombiniert sie zu Skulpturen.
Drei Werkgruppen – „Rose Painting“ (2018), „Leichtmetallräder“ (2016) und „Snowflake“ (2017) – verdeutlichen exemplarisch seine Haltung zur Objektwelt und ihren sozialen wie politischen Implikationen. In der Serie „Rose Painting“, 2018 erstmals in der Galerie Neu in Berlin präsentiert, widmet sich Holen dem Automobil – genauer gesagt, den Felgen von fünf verschiedenen SUVs. Diese Felgen, stilisierte Statussymbole einer urbanen Mobilitätselite, lässt er digital scannen, überdimensioniert vergrößern und aus einem Kiefernblock bzw. aus industriellem Brettsperrholz herausfräsen. Entstanden sind monumentale Holzskulpturen von über 2 Meter Durchmesser, die nicht nur wie abstrahierte Blumenformen wirken, sondern auch auf traditionelle norwegische Volkskunst verweisen: Der Titel spielt bewusst auf die ornamentale Technik des „Rosemåling“ an, – einer volkstümlichen Malerei, die häufig florale Motive nutzt. Die Skulpturen fungieren somit als doppelte Spiegelung: Sie verknüpfen die rohe Materialität industrieller Produktion mit der Handwerkstradition eines kulturellen Erbes und werfen dabei Fragen auf über Status, Ornament, Nationalästhetik und die emotionale Aufladung von Design.
Bereits in seiner Serie „Leichtmetallräder“ lotete Holen das semantische Potenzial von Autokomponenten aus. Die hier gezeigten Arbeiten bestanden aus echten Leichtmetallfelgen, die mit einem Hochdruck-Wasserstrahlschneider präzise durchtrennt und auf transparente Polykarbonatblöcke montiert wurden. Die Ausstellung in der Galerie Schloss in Oslo kombinierte diese Skulpturen mit einer aus norwegischem Holz gefertigten Lattenzauninstallation, die als Stand-in für Holens Magazin ETOPS III diente. Wie bei „Rose Painting“ zeigt sich auch hier sein Interesse an der Transformation von Alltagsobjekten in skulpturale Artefakte.
Mit „Snowflake“ nahm Holen schließlich ein Motiv ins Visier, das tief in der norwegischen Kultur verankert ist: die sogenannte „Olavsrose“ – ein traditionelles Symbol für nationale Herkunft und kulturelle Identität. In dieser Serie präsentiert er Aluminiumplatten, auf denen mithilfe reflektierender Folien stilisierte Rosenformen in verschiedenen Farbcodes erscheinen. Die Arbeiten changieren zwischen Ornament und psychedelischer Dekonstruktion, zwischen staatstragendem Emblem und Pop-Ästhetik. Der Begriff „Snowflake“ ist dabei doppeldeutig: Er verweist nicht nur auf die empfindliche Form der Rose, sondern auch auf einen gegenwärtigen politischen Diskurs – nämlich auf die abschätzige Bezeichnung sensibler, junger Menschen als „Snowflakes“.
Mit Serien wie „Rose Painting“, „Leichtmetallräder“ und „Snowflake“ positioniert sich Yngve Holen als bedeutender Künstler, der die Schnittstellen zwischen Technologie, Tradition und Identität erforscht. Seine Arbeiten laden dazu ein, die Beziehung zwischen Mensch und Objekt in einer zunehmend technologisierten Welt neu zu denken.
Yngve Holen
geboren 1982 in Braunschweig, lebt und arbeitet in Oslo und Berlin.
Einzelausstellungen (Auswahl)
2025
Furrow, Galerie Nordenhake, Mexiko-Stadt
2023
5G, Galerie Neu, Berlin
2022
Neuroeconomics, Spazio Maiocchi, Mailand
2021
Foreign Object Debris, X Museum, Peking
2022
Overbeck-Gesellschaft – Kunstverein Lübeck
Gruppenausstellungen (Auswahl)
2024
Stavanger Secession, Kunsthall Stavanger Multi-User Dungeon (MUD), Petzel, New York
2022
Das Gehirn. In Kunst & Wissenschaft, Bundeskunsthalle, Bonn
2021
Det er bare en fase/It’s Just a Phase, K-U-K, Trondheim
Reassembly, Galerie Nordenhake, Stockholm
2020
Studio Berlin, Berghain, Berlin
Down to Earth, Gropius Bau, Berlin
Re-Art. Readymade recycelt feat. Precious Plastic, Overbeck-Gesellschaft – Kunstverein Lübeck
2019
Flesh and Bone, PS120, Berlin
Lust auf mehr. Neues aus der Sammlung Würth zur Kunst seit 1960, Kunsthalle Würth
2018
For Good, Goodroom, München
Fences & Windows, Modern Art, London