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Von der Forschung bis zur Marktreife
Die Entwicklung von Holzprodukten als Prozess

erschienen in
Zuschnitt 97 Spektrum Holz, Juni 2025

Die Entwicklung und die Einführung neuer Produkte und der damit verbundenen Technologien basieren in der Regel auf mehrstufigen und ineinandergreifenden längeren Prozessen. Je systematischer die Prozesse der Ideenfindung, der Sichtung von bestehendem und neuem forschungsbasierten Wissen, der Markteinschätzung, der Konzeptentwicklung sowie des Baus von Prototypen und Überlegungen zu Produktionskonzepten ablaufen, umso rascher und erfolgreicher kann sich ein Innovationsprozess entwickeln. Die in den letzten Jahren erschienenen Fachbücher und Ratgeber zur erfolgreichen Produktgestaltung und Markteinführung, zusammengefasst unter dem Begriff Innovationsmanagement, füllen ganze Bücherregale. Dennoch ist man oft erstaunt, wieso die eine Produktidee krachend scheitert und eine andere einen nahezu unerwarteten Erfolg feiert.

Die jüngere Geschichte der Entwicklung von Holzprodukten zeigt viele beeindruckende Beispiele von grundlegenden Innovationen, die sich entweder auf eine sehr stark forschungsgeleitete Entwicklung oder auch nur auf eine zündende Idee zurückführen lassen. Bei Innovationen, die auf Ergebnissen von Forschung basieren, nimmt der gesamte Prozess oft 10 bis 15 Jahre ein – von den ersten Ideen über die Abwicklung gezielter Forschungsprojekte, die schrittweise Umsetzung der Forschungsergebnisse in ersten Experimenten in einem Technikum und ein weiteres Upscaling in Pilotanlagen bis hin zu Investitionen von Produktionsanlagen in ökonomisch sinnvollen Betriebsgrößen mit begleitender Markteinführung. Dies bedeutet für die agierenden Unternehmen eine große Herausforderung und verlangt ein entsprechendes Durchhaltevermögen. Sowohl in der Wirtschaft als auch bei den Förderinstitutionen fehlt es oft an Verständnis für diese Vorlaufzeiten und die damit verbundenen Kosten und Risiken, die sich im gesamten Prozess ergeben.

Beispiele erfolgreicher forschungsbasierter Innovationsprozesse

Brettsperrholz

Brettsperrholz (engl. CLT – cross-laminated timber) wurde Anfang der 1990er Jahre in Deutschland und Österreich als eine vom kreuzweisen Furniersperrholz und der bereits bekannten mehrschichtigen Massivholzplatte abgeleitete, sehr einfache Produktidee entwickelt. Mit seiner Dissertation 1994 bereitete Gerhard Schickhofer, heute Professor für Holzbautechnologie an der TU Graz, die wissenschaftlichen Grundlagen für das neue flächenhafte Bauelement Brettsperrholz auf. Gut zehn Jahre später wurden auf der Grazer Holzbaufachtagung 2006 verschiedenste weitere Ergebnisse mehrjähriger Forschungsprojekte zur Berechnung von Brettsperrholz als Plattenstruktur, zum Erdbebenverhalten und zum bauphysikalischen Verhalten zusammengefasst. In weiteren umfangreichen labortechnischen Prüfungen mussten verlässliche Materialdaten erhoben werden, die den Weg für technische Zulassungen und eine breitere Marktdurchdringung ebneten. Die damals fast noch pilothafte Produktion von europaweit ca. 100.000 m3 Brettschichtholz ist inzwischen allein in Mitteleuropa auf knapp 1,5 Mio. m3 angewachsen. 

Das Zusammenspiel von dem bereits seit Jahrzehnten etablierten Brettschichtholz als stabförmiges Bauelement und dem nun neu dazugekommenen plattenförmigen Brettsperrholz in seinen verschiedenen Ausführungsformen ermöglichten in der Folge erst den wirklichen Durchbruch des mehrgeschossigen und großvolumigen Holzbaus – dies zum Nutzen einer Produktionssteigerung für beide, das Brettschichtholz und das Brettsperrholz.

Entwicklung der Brettsperrholz-Produktion in Mitteleuropa

Emissionsreduktion Formaldehyd bei Holzwerkstoffen

Ein äußerlich kaum sichtbares, aber überaus wichtiges Beispiel von angewandter Forschung und deren Umsetzung in eine industrielle Produktion ist die Reduktion der Emission von freiem Formaldehyd bei Holzwerkstoffen. Holzwerkstoffe wie die Holzspanplatte, die OSB-Platte (oriented strand board), Sperrholz und LVL (laminated veneer lumber) werden vorwiegend mit Kondensationsharzen aus Harnstoff, Melamin oder Phenol in Reaktion mit Formaldehyd verklebt. Das im Verklebungsprozess nicht vollständig gebundene und damit überschüssige Formaldehyd emittiert in der Folge langsam aus dem Werkstoff an die Umgebungsluft. Die noch in den 1980er Jahren in einer die Gesundheit beeinträchtigenden Größenordnung liegenden Emissionswerte wurden zu einem Prüfstein für die weitere Entwicklung des Einsatzes von Holzwerkstoffen im Möbelbau und Bauwesen. In umfangreichen Forschungsprojekten wurden die chemisch-physikalischen Reaktionsbedingungen des Klebstoffs bei der Verklebung von Holzwerkstoffen sowie die Wirkungen von Formaldehydfängern usw. in einer Vielzahl von Einzelprojekten erforscht und genormte Prüf- und Nachweisverfahren entwickelt. Damit gelang es über mehrere Jahrzehnte hinweg, die Emissionen deutlich zu senken und an die sich jeweils ändernden gesetzlichen Bestimmungen anzupassen, um das Marktpotenzial für Holzwerkstoffe weiter auszubauen.

Trotz dieses Erfolgs geht der Weg in Richtung völlig formaldehydfreier Verklebung und biobasierter Klebstoffe als Ersatz für die bisherigen fossilbasierten Klebstoffsysteme. Dahinter steht der Wandel von einer fossilbasierten zu einer solarbasierten Wirtschaftsweise, wie sie seit etwa 2010 unter dem Begriff der Bioökonomie seitens der EU und in nationalen Strategien öffentlich propagiert wird. Umfangreiche nationale und internationale Forschungsaktivitäten bereiteten inzwischen den Boden für die technologisch-industrielle Einführung biobasierter Klebstoffe in der Holzwerkstoffindustrie. Dies betrifft auch die aktuell bei der Massivholzverklebung zu Brettschichtholz und Brettsperrholz eingesetzten Klebstoffe, die sowohl der oben genannten Gruppe der Kondensationsharze zuzuordnen sind als auch die jetzt schon formaldehydfreien, aber fossilbasierten Klebstoffsysteme wie Ein-Komponenten-Polyurethane ersetzen (1 K-PUR).

Die weitere Marktentwicklung, insbesondere die Frage der Preise für fossile bzw. biobasierte Ausgangsstoffe der Klebstoffsysteme wird entscheidend sein für eine tatsächliche Markteinführung neuer biobasierter Klebstoffsysteme. Für die konsequente Abkehr von fossilen Rohstoffen in derartigen Klebstoffsystemen werden jedoch verschiedene ordnungspolitische Maßnahmen und Förderungen im Sinne des bioökonomischen Wirtschaftens erforderlich sein.

Entwicklung der Formaldehyd-Emissionen

Altholz und Materialrecycling

In vielen Bereichen der Materialwirtschaft ist die Nutzung von Sekundärrohstoffen ein seit Jahrzehnten gelebter Brauch. Aus einer Ressourcenverknappung heraus beschäftigte sich die Zellstoffindustrie schon sehr früh mit der Nutzung von Altpapier als Sekundärrohstoff, während die Holz- und Holzwerkstoffindustrie sehr lange auf die an sich nachwachsende, aber dennoch limitierte Primärressource Frischholz setzte. Ressourcenbedingt war in Italien Altholz, insbesondere Recyclingholz aus Einwegverpackungen wie Kisten, Transportsteigen und Paletten schon seit Jahrzehnten ein wesentlicher Einsatzstoff für die Produktion von Holzspanplatten, während andere Länder weiter auf Industrierundholz und Sägenebenprodukte (Hackgut und Sägespäne) setzten. Ein fast explosionsartiger Anstieg der energetischen Nutzung von Restholz in Form von Holzpellets Anfang der 2000er Jahre veranlasste auch die mitteleuropäische Holzwerkstoffindustrie, innerhalb weniger Jahre verstärkt zumindest zum Teil auf Altholz zu setzen. Dies ist ein gutes Beispiel dafür, wie plötzliche Ressourcenverknappung Innovationen anstößt. Dennoch sind auch in diesem Fall neben umfangreichen Forschungen zu material- und verklebungstechnischen Fragen weitere, oft mehrere Jahre dauernde Prozesse nötig, um ein derartiges Konzept umzusetzen. Unter anderem geht es dabei um die Altholzsammel- und Aufbereitungssysteme, Logistiksysteme sowie normativen Vorgaben und Regelungen wie die Erstellung einer Altholzverordnung, die die Anforderungen an die Verwertung und Beseitigung von Altholz regelt, oder die Recyclingholzverordnung, die unter anderem eine Quellensortierung am Ort des Anfalls von Altholz und eine Priorisierung der stofflichen Nutzung von dafür geeignetem Altholz im Sinne der Abfallhierachie fordert und regelt.

Mit einer zunehmenden Sensibilisierung für eine Kreislaufwirtschaft wird nun auch bei der Planung von Bauprodukten und Bauwerken in Holz- und Holzmischbauweise verstärkt darauf geachtet, dass bereits in der Planungsphase ein zukünftiges Materialrecycling bzw. eine Wiederverwendung (Design for Recycling, Design for Reuse) möglich ist. Bis eine heutige Planungsmaßnahme im Sinne der Wiederverwendung wirksam wird, werden jedoch noch Jahre und Jahrzehnte vergehen. 
 

Fazit

An diesen wenigen Beispielen wurde versucht zu zeigen, dass die Entwicklung und die Marktüberführung neuer Produkte auf Basis von Forschungsergebnissen komplexe, langwierige, risikoreiche und kostenintensive Prozesse darstellen. Verbesserte Ressourceneffizienz durch neue bzw. verbesserte Engineered Wood Products und der Einsatz alternativer Holzarten im Zuge eines klimaresilienten Waldumbaus (Stichwort Buche, Birke, Pappel usw.) für Holzbauprodukte sind weitere aktuelle Forschungsthemen, bei denen in Zukunft mit neuen Produkt- und Technologielösungen gerechnet werden kann.

Quelle: Vereinfacht nach Steffen Tobisch et al.: Survey of wood-based materials, in: Springer Handbook of Wood Science and Technology, Berlin 2023, S. 1211 – 1282


verfasst von

Alfred Teischinger

Holztechnologe und Professor am Institut für Holztechnologie und Nachwachsende Rohstoffe der Universität für Bodenkultur Wien

Erschienen in

Zuschnitt 97
Spektrum Holz

Holz spielt neben seinem Einsatz in traditionellen Bereichen zunehmend auf gänzlich neuen Gebieten eine Rolle. Durch innovative Material­forschung und neue Technologien findet es erweiterte und smarte Verwendungsformen. In diesem Zuschnitt zeigen wir, wie und in welchen Bereichen Holz und Holzprodukte sich bewähren und entwickeln.

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Zuschnitt 97 - Spektrum Holz